150 Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern beginnen 2016 ein Studium in Bremen. Im Herbst 2018 wird auch Ahmad Al Zoubi dazu gehören. | Foto (Zuschnitt): © picture alliance / Carmen Jaspersen / dpa
2015 flüchtete Ahmad Al Zoubi aus seinem Heimatland Syrien; heute studiert er Maschinenbau in Deutschland. Geholfen hat ihm das Sprachprogramm Integra, das Geflüchtete dabei unterstützt, sich auf ein Hochschulstudium in Deutschland vorzubereiten.
Von Petra Schönhöfer
Die Angriffe auf seine Heimatstadt Daraa im Südwesten Syriens zerstörten die Lebensgrundlage für den damals 19-jährigen Ahmad Al Zoubi und seine Familie. Zuvor hatte er sein Abitur gemacht und eine Zulassung zum Maschinenbaustudium in Damaskus erhalten. Aber in Damaskus studieren? Das ist im Herbst 2015 unvorstellbar. Die Flucht endet für Ahmad schließlich in Bremen. Sechs Monate lang lebt die Familie Al Zoubi in einer Flüchtlingsunterkunft. Ahmad nimmt an den üblichen Deutschkursen für Flüchtlinge teil, aber er hat noch ein anderes Ziel: Er möchte in Deutschland studieren.
Hartnäckig fragt er sich so lange durch, bis er vom Sprachprogramm „Integra – Integration von Flüchtlingen ins Fachstudium“ erfährt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) 2015 ins Leben gerufen wurde (siehe Infokasten). Es unterstützt Flüchtlinge, die in Deutschland studieren möchten, möglichst schnell an deutschen Universitäten Fuß zu fassen. In den meisten Bundesländern dürfen sie schon während des laufenden Asylverfahrens ins Studium einsteigen, weshalb sie auch mit Integra früh beginnen können. Die Voraussetzung: Sie müssen Flüchtlingsstatus haben und eine Hochschulzugangsberechtigung – also einen entsprechenden Bildungsabschluss – vorweisen.
Im Mittelpunkt von Integra steht ein Intensivsprachkurs, den Ahmad am Goethe-Institut in Bremen macht. „In diesem Kurs wurden wir auf sehr hohem sprachlichen Niveau auf ein Studium in Deutschland vorbereitet“, erzählt Ahmad. „Zuvor hatte ich den Kurs B1 abgeschlossen, bei Integra lernten wir alles für die C1-Abschlussprüfung.“ Das C1-Zertifikat ist eine Deutschprüfung für Erwachsene, die ein weit fortgeschrittenes Sprachniveau bestätigt. Ausländische Mitbürger benötigen es etwa, um sich auf eine Tätigkeit im medizinischen Bereich vorzubereiten oder eben um sich für ein Studium in Deutschland zu bewerben.
„Die deutsche Sprache war für mich sehr schwierig, weil ich mich in Syrien nie damit beschäftigt habe“, erinnert sich Ahmad. „Wir konnten Englisch und kannten das Wort ‚Germany‘, aber als wir ankamen, hieß es plötzlich ‚Willkommen in Deutschland‘.“ Auch die Artikel seien ihm beim Lernen schwergefallen, da es sie im Arabischen so nicht gibt. „Wer aus Europa kommt, kann oft ähnliche Wörter zum Vergleich heranziehen. Aber für uns Araber war alles komplett neu.“
Mit dem Integra-Kurs erreichte Ahmad das C1-Niveau. Für das Wintersemester 2018/19 hat der heute 21-Jährige Zulassungen im Bereich Maschinenbau an drei Universitäten erhalten und sich für Bremen entschieden. Am liebsten würde er später im Bereich der erneuerbaren Energien eine Arbeit finden. Nebenbei möchte er aber auch seine zweite große Leidenschaft, das Filmemachen, nicht aus den Augen verlieren. Sein Dokumentarfilm „Flucht aus Syrien“, der Handyaufnahmen seiner Flucht zeigt, wurde bereits in verschiedenen Kinos und Universitäten gezeigt und von Publikum und Medien gleichermaßen mit großer Begeisterung aufgenommen.
Jungen Flüchtlingen, die wie er ein Studium in Deutschland aufnehmen möchten, rät Ahmad vor allem zur Eigeninitiative: „Geht zur Uni hin und fragt euch durch. Fragt nicht eure Freunde, sondern erkundigt euch aus erster Hand, welche Möglichkeiten es für euch gibt.“ Einzig, dass das Integra-Programm nicht flächendeckend in allen deutschen Bundesländern angeboten wird, bedauert der junge Syrer.
Um in Deutschland studieren zu können, müssen Flüchtlinge ein hohes Sprachniveau erreichen. | Foto (Zuschnitt): © picture alliance / Paul Zinken / dpa
Die Integration von Geflüchteten in ein Studium stellt deutsche Hochschulen vor große Herausforderungen. Aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen, die Deutschland Ende 2015 verzeichnete, riefen das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) das Programm „Integra – Integration von Flüchtlingen ins Fachstudium“ ins Leben, das an rund 200 deutschen Universitäten und Hochschulen angeboten wird. Der Intensivsprachkurs sowie interkulturelle Kurse und Fachangebote sollen studierfähige Geflüchtete zu einem möglichst frühen Zeitpunkt an ein Studium heranführen.
Die Bremer Hochschulen beteiligen sich seit April 2016 an diesem Programm und werden dafür zusätzlich vom Land Bremen gefördert. „HERE studies“ (Higher Education Refugees Entrance Studies) ist ein Kooperationsprojekt des Fremdsprachenzentrums der Hochschulen, des eigens eingerichteten Hochschulbüros und des Goethe-Instituts Bremen. Letzteres bietet den Geflüchteten Sprachkurse bis zum Niveau C1 an, es bereitet sie auf die Sprachprüfungen zur Hochschulzugangsberechtigung vor und führt diese auch selbst durch. Das Fremdsprachenzentrum der Hochschulen ergänzt die Intensivsprachkurse durch eine tutorielle Sprachlernbegleitung.
Den Erfolg des Programms wird ein Forschungsprojekt analysieren. Prof. Dr. Claudia Harsch, die Wissenschaftliche Direktorin und Geschäftsführerin des Fremdsprachenzentrum der Hochschulen in Bremen und Professorin für Sprachlehr- und -lernforschung, wird die sprachliche Entwicklung und Integration geflüchteter Menschen während des Integra-Sprachprogramms und in der ersten Phase des Hochschulstudiums begleiten. Mittels Interviews und Fragebögen sollen die Geflüchteten unter anderem in ihrem ersten Studienjahr rückblickend bewerten, inwieweit das Angebot sie adäquat auf ihr Studium vorbereitet hat.
Im ersten Jahr der Förderung nahmen deutschlandweit mehr als 6.800 geflüchtete Studieninteressierte an rund 700 sprachlichen und fachlichen Vorbereitungskursen teil, die über das Programm Integra gefördert wurden. 2017 stieg diese Zahl bereits auf über 10.000 Teilnehmer.