„Herkunft“, „Wolf“ oder „Vor dem Fest“: Nicht nur seine Bücher sind dank der Übersetzungsförderung des Goethe-Instituts zu Reisenden geworden. Auch der Autor selbst, Saša Stanišić, ist häufig in anderen Ländern zu Gast, etwa in Italien oder Brasilien, seit seine deutschsprachigen Texte in andere Sprachen übersetzt werden. Wie diese Übersetzungen seine Arbeit als Schriftsteller bereichern, erzählt er uns im Interview.
Welches Ihrer Bücher war das erste, das aus dem Deutschen übersetzt wurde, um welche Sprache handelte es sich und wie hat es sich angefühlt, dieses Buch zum ersten Mal in den Händen zu halten?Stanišić: „Wie der Soldat das Grammofon repariert“. Wenn ich mich nicht irre, war es Isländisch. Könnte aber auch Niederländisch gewesen sein, die beiden kamen fast zeitgleich heraus. Und natürlich: ein großartiges Gefühl war das, dass die Geschichten, die einem so wertvoll sind, auf die Reise gehen.
Ihre Werke wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. In welchem Land beziehungsweise Sprachraum kommen Ihre Romane und Erzählungen besonders gut an?
Stanišić: Das kann ich so leider gar nicht beurteilen, da ich mich – auch bewusst – etwas distanziere von der Kritik und den Verkaufszahlen. So etwas macht entweder eitel oder unglücklich. Was ich aber am Rande mitbekomme, ist, dass Italien ein gutes Pflaster für meine Kinderbücher ist und zuletzt in Polen „Herkunft“ nach einem großen Preis viel gelesen wurde.
Wie beeinflussen die Übersetzungen Ihrer Bücher Ihre Arbeit als Autor?
Stanišić: Ich stehe mit meinen Übersetzer*innen immer im Kontakt. Das Gespräch mit ihnen über die Mache der Texte, über Wortwahl und Satzstellung, ist immer auch ein Werkstattgespräch für mich selbst, aus dem ich viele Impulse mitnehme in Richtung des „Wie“: Wie werden meine Einfälle wahrgenommen, gelesen, wie funktioniert der Humor und das Sprachspiel?
Daraus entwickeln sich dann und wann auch bei mir Gedanken, die mich beim Schreiben darüber nachdenken lassen: Wie würde dieser Satz sich wohl übersetzen lassen? Gerade mit meiner schwedischen und meiner französischen Übersetzerin gibt es ein paar „Insider“, die ich gerne mal einfließen lasse, weil ich weiß, dass sie schwierig zu übersetzen sind. Beide lieben die Herausforderung.
Die Übersetzungen Ihrer Bücher führen Sie immer wieder ins Ausland. So waren Sie beispielsweise mit der italienischen Übersetzung von „Hey, hey, hey Taxi“ auf der Messe der unabhängigen Verlage Più libri più liberi im Dezember 2022 in Rom zu Gast, auf Einladung des Übersetzungsförderungsprogramms Litrix des Goethe-Instituts. Wie erleben Sie die persönlichen Begegnungen mit Leser*innen aus anderen Ländern?
Stanišić: Erfreulich und anregend! Und auch stets mit großer Dankbarkeit für die Arbeit der Übersetzer*innen, ohne die dieses Erfreuliche und Anregende so nicht möglich wäre.
Können Sie uns von einer besonders schönen Erfahrung erzählen, die Sie in Zusammenhang mit der Übersetzung Ihrer Bücher gemacht haben?
Stanišić: Im Vorfeld meiner Lesung in Rio de Janeiro aus „Vor dem Fest“, meinem Roman über ein Dorf in der Uckermark, hatte ich große Zweifel, dass das Thema – diese unbekannte, ferne Region – in Brasilien jemanden interessiert. Dann war aber die Veranstaltung nicht nur sehr gut besucht, sondern es entwickelte sich mit dem Publikum ein für mich bis heute unvergesslicher Austausch über „Dorf“ als Konzept und damit zusammenhängend über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen verschiedenen Lebensentwürfen in der Provinz Brasiliens und Deutschlands. Unerwartet, zugewandt, konstruktiv: kraft Literatur eine Verschmelzung und ein Vergleich von Regionen, die sonst nur nebeneinander existieren würden.
Ansonsten liebe ich die zahlreichen Freundschaften, die sich mit den „Stammübersetzerinnen“ meiner Bücher entwickelt haben.
Welches Buch, das Sie in einer Übersetzung gelesen haben, würden Sie uns empfehlen?
Stanišić: Sascha Sokolow: „Die Schule der Dummen.“