Katharina, 26, macht gerade ihren Master in den Fächern Deutsch und Musik auf Lehramt an der Universität Osnabrück. In unserem Survival-Kit-Studium erzählt sie, wie sie einmal im Fieberwahn eine Hausarbeit über Fieberwahn schreiben musste.
Das größte Klischee über Deinen Studiengang – und was davon stimmt:Wenn ich jemanden korrigiere, heißt es „Ach so stimmt, du studierst Deutsch, ne?“ Hat man viel mit Sprache zu tun, hört man schnell die klischeehafte Bemerkung, dass man Fehler gerne suchen und auch finden würde. Musiker*innen werden oft als kreativ betitelt. Das mag bei vielen auch der Fall sein. Insgesamt halte ich allerdings nicht viel von Klischees.
Wie sieht Dein normaler Tag aus?
Ich bin inzwischen am Ende meines Studiums. Als ich in noch mehr Kurse gegangen bin, habe ich vermieden, mir Seminare früh morgens sowie spät abends zu legen. Im Bachelor kam es allerdings auch vor, dass ich von acht bis zwanzig Uhr an der Uni war - und danach sogar noch zur Probe musste. Im Master hatte ich meistens täglich zwei, drei Seminare und zwischendrin war ich in der Mensa oder habe die eine oder andere Kaffeepause eingelegt. Abends bin ich öfter noch in die Probenräume der Uni ins Schloss gefahren, um Klavier, Cello oder Gesang zu üben Außerdem bin ich Mitglied im Kammerchor, Popchor und einem Theaterensemble in Münster. Neben den wöchentlichen Terminen heißt das zusätzlich Aufführungen und Probenwochenenden. Momentan habe ich Schwierigkeiten, meinen Alltag zu strukturieren, weil ich meine Masterarbeit schreibe. Ich versuche, viel Zeit in der Bibliothek zu verbringen. Ansonsten treffe ich Freunde, mache kleine Fahrradtouren oder meinen Kram: spazieren gehen, lesen, Musik machen.
Auf was hättest Du verzichten können?
Ich hatte aus Interesse ein paar Seminare zusätzlich belegt. Das war zwar anfangs spannend, aber letztlich viel zu zeitaufwendig. Viele musste ich wieder abbrechen, weil meine Kapazitäten einfach nicht ausreichten.
Wenn Du Dein Studium noch einmal anfangen könntest: Was würdest Du anders machen?
Ich würde von vornherein mein Studium etwas entzerren. Von Anfang an habe ich mir alles viel zu vollgepackt, um nach Modulplan vorgehen zu können und alles in Regelstudienzeit zu schaffen. Am Ende war mir das aber zu viel, ich habe sowohl im Bachelor als auch im Master nach hinten raus länger gebraucht, da ich das Pensum nicht halten konnte. Ich hatte teilweise von morgens bis abends Uni und nebenbei noch Projekte wie Musical, Chor oder Theater – teilweise sogar parallel – in die ich viel Liebe, aber eben auch Energie und Zeit gesteckt habe. Ich hätte mich viel früher entspannen sollen und mich von dem Gedanken befreien müssen, immer mit den gleichen Leuten durchs Studium zu gehen. Tatsächlich geht es auch anders und die guten Freund*innen behält man dennoch.
Welchen Tag an der Uni wirst Du nie vergessen?
Wir hatten mal einen Tag lang einen Workshop zu Vokalimprovisation, in dem man ohne Noten ganz intuitiv und auf „Fantasiesprache“ singt und gemeinsam mit der Gruppe Gesamtklänge erzeugt. Ich war relativ neu an der Uni – da ich zum Master nach Osnabrück gewechselt bin – und kannte die Leute noch gar nicht richtig. Trotzdem habe ich mich total wohl gefühlt und mich auch getraut, alleine zu singen, obwohl mir die Vertrauensbasis zu den anderen fehlte. Es ging um freie Entfaltung von Stimme und Gefühl, nicht darum, ob etwas schön klingt – „peinlich“ gab es nicht.
Was hat Dich regelmäßig zur Verzweiflung gebracht?
Hausarbeiten.
Gerettet hat mich oft, dass ich unter Druck die größte Energie abrufe.
Was war oft Deine Rettung?
Irgendwie durchzuhalten, die Gewissheit zu haben, dass ich es schaffen kann. Gerettet hat mich tatsächlich oft, dass ich unter Druck die größte Energie abrufen und die Nächte durcharbeiten konnte. Und meine Eltern, die immer in der Nacht vor der Abgabe noch Korrektur gelesen haben. Die mussten wirklich jede Arbeit durchsehen.
Was hast Du am letzten Tag des Monats gegessen, wann war Sparen angesagt?
Glücklicherweise konnten meine Eltern mich immer finanziell unterstützen, wenn es eng wurde. Letztens gab es allerdings die Situation, dass ich mir ein sehr teures E-Piano kaufen wollte. Ich habe mich entschieden, einen Großteil meines Ersparten dafür zu nutzen und an anderen Punkten zurückzuschrauben. Und dann kaufe ich mir eher keine neuen Klamotten und esse sehr sparsam: Standard bei mir ist ein gutes Käsebrot, sonst esse ich meist in der Mensa.
Welche Frage hörst Du auf Familienfeiern jedes Mal?
Zum Studium an sich höre ich selten was. Verwandte, die weiter weg wohnen, fragen immer wieder, was ich nochmal genau mache. Andere wissen jedoch genau Bescheid: Mein Onkel hat sich bei Instagram angemeldet, um meine Livestreams zu verfolgen, die ich mit meinem Singer-Songwriter-Projekt KARA dort veranstalte. Mein Patenkind ist auch immer dabei. Das ist schon sehr schön.
Wenn Du nicht gerade an der Uni bist: Wo kann man Dich finden?
Ich bin gerne im Botanischen Garten oder in der Natur und schreibe Tagebuch oder eigene Texte. Seit einem Jahr bin ich als KARA unterwegs und habe öfter mal Auftritte. Dadurch verbringe ich auch viel Zeit am Klavier. Natürlich treffe ich auch Freund*innen. Wenn ich entspannen will, gucke ich aber einfach eine Serie, gehe spazieren oder höre Musik.
Was war der teuerste Preis für eine gute Note?
Es gab eine Hausarbeit, deren Abgabefrist schon von vornherein später war als in der Prüfungsordnung vorgesehen. Ich war auf einem Kongress für meine Arbeit als HiWi, also wissenschaftliche Hilfskraft. Danach blieb mir noch eine Woche, um diese Arbeit fertigzustellen. Plötzlich bekam ich 40° Fieber. Ich bat meinen Dozenten um eine Verlängerung – doch er lehnte ab. Die Arbeit habe ich also tatsächlich im Bett geschrieben. Ich bekam überraschenderweise die Note 1,0, aber ich habe diesen Infekt über das ganze Semester mit mir herumgetragen und musste sogar meine Gesangsabschlussprüfung mehrfach verschieben. Übrigens: In der Arbeit untersuchte ich, ob Goethes Figur des Erlkönigs einem Fiebertraum entsprungen sein könnte. Ich habe also im Fieberwahn über Fieberwahn geschrieben.
Uni heißt auch: Lernen fürs Leben. Was hat dir Dein Studienfach für Deinen weiteren Weg mitgegeben?
Mut, Selbstbewusstsein und tolle Freundschaften. Aber auch, dass ich zum Glück keine Hausarbeiten mehr schreiben muss. Trotz meiner guten Noten war es diesen Stress nicht wert. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich aktiv Zeit für mich brauche und mir nicht alles mit Terminen zupflastern darf. Ich habe gelernt, dass ich sowohl aus tollen musikalischen Projekten Energie ziehe, aber auch daraus, Zeit mit mir allein zu verbringen. Außerdem weiß ich jetzt, was „emotionale Kapazität“ ist – und dass man sie nicht überreizen sollte. Man kann einfach nicht auf allen Hochzeiten tanzen, und das ist okay so.
„SURVIVAL-KIT STUDIUM“
Wo in Deutschland kann man gut studieren? Wie lässt es sich als Student gut leben? Und wie übersteht man die erste Fachschaftsparty und die Fragen auf Familienfeiern?
Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen erzählen von ihren Erlebnissen an den Unis in Deutschland, ihrem Alltag – und was sie manchmal zur Verzweiflung bringt.
September 2020