Kultur im Quartal
„Inside Rembrandt“ und „Making Van Gogh“
Zwei Ausstellungen klassischer Meister laufen zeitgleich in Köln und Frankfurt: „Inside Rembrandt“ und „Making Van Gogh“ bieten spannende Einblicke in die Kunstgeschichte und in die Entwicklung großer Künstler, zeigen sie doch nicht nur weltberühmte Exponate, sondern auch viele unbekannte Werke aus dem Umfeld der beiden Maler.
Es ist ein bemerkenswertes Zusammentreffen, dass zwei der spektakulärsten Kunstausstellungen, die deutsche Museen in diesem Spätherbst zeigen, englische Titel tragen: Making Van Gogh im Städel-Museum in Frankfurt am Main und Inside Rembrandt im Wallraf-Richartz-Museum in Köln bringen Werke der klassischen Großmeister in deutsche Museen. Die Benennung mag für das internationale Publikum gewählt sein, das in beiden Städten verkehrt. Die Städte sind touristische Anziehungspunkte, in denen Englisch längst die Lingua franca ist.
Die beiden Häuser, in denen die Ausstellungen zu sehen sind, gehören zu den traditionsreichsten bürgerlichen Kunstsammlungen in Deutschland: Das Kölner Museum besteht als städtische Institution seit 1824, das Frankfurter sogar schon seit 1816. Mit ihren Beständen haben sie dem internationalen Leihverkehr durchaus etwas zu bieten. Diese künstlerische Verhandlungsmacht haben beide Museen in der jüngeren Vergangenheit geschickt ausgespielt und sich mit reich bestückten Sonderausstellungen besondere Reputation erworben. Mit den Schauen zu Van Gogh und Rembrandt sollen diese Erfolgsgeschichten fortgeschrieben werden.
Doch trotz ihrer Reputation und obwohl beide Häuser geschickt verhandelt haben: Rein monographische Ausstellungen zu solchen Berühmtheiten sind heute schon aus finanziellen Gründen kaum mehr zu bestücken. Die Museen haben sich deshalb für einen etwas anderen Ansatz entschieden – der durchaus auch seinen Charme hat.
Über Rembrandt und Van Gogh hinaus
Rembrandt und Van Gogh zählen zu den weltweit bekanntesten Künstlern, was auch die Schwierigkeit erhöht, ihre Werke von anderen Häusern auszuleihen. Die Werke sind überall begehrt und stellen in ihren jeweiligen Heimatmuseen die wichtigsten Anziehungspunkte für das Publikum dar. Zudem sind die Versicherungssummen enorm. Bei der Frankfurter Van-Gogh-Schau mit den dort vertretenen knapp fünfzig Arbeiten des Malers gehen sie in Milliardenhöhe. In Frankfurt sind denn auch mehr als die Hälfte der gezeigten Bilder gar nicht von Van Gogh. In Köln sind unter 110 ausgestellten Werke sogar nur dreizehn eigenhändige Gemälde von Rembrandt sowie einige graphische Arbeiten des Meisters. In beiden Ausstellungen stammt die Mehrzahl der ausgestellten Arbeiten somit nicht von dem Künstler, nach dem die Schau benannt ist, und mit dessen Ruhm sie das Publikum locken will.
Making Van Gogh und Inside Rembrandt sind geschickt gewählte Namen, die diese Diskrepanz von Werbung und Wirklichkeit kaschieren, indem sie besondere Intimität heraufbeschwören. Wer sich ins „Innere“ Rembrandts zu begeben glaubt oder erwartet, dabei zusehen zu können, wie Van Gogh „gemacht“ wird, dem wird Exklusivität des ausgestellten Materials suggeriert. Erst der Besuch selbst entschlüsselt die Betitelungen als Euphemismen für Einblicke in die kunstgeschichtliche Werkstatt statt ins Wirken der Meister selbst: Inside Rembrandt erklärt über eine Vielzahl von Bildern anderer Künstler des Goldenen Zeitalters das Geschäftsmodell des Malers und seiner Nachahmer. Making Van Gogh dokumentiert die begeisterte Rezeption Van Goghs in Deutschland zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und kann auf diese Weise eine Vielzahl von Werken deutscher Maler jener Zeit zeigen. Was für das Städel durchaus vorteilhaft ist, verfügt es doch über einen eigenen reichen Bestand dieser Werke, während es nur einen einzigen – relativ belanglosen – Van Gogh besitzt.
Um aber einem möglichen Missverständnis vorzubeugen, sei gesagt: Beide Ausstellungen sind didaktisch hervorragend zusammengestellt und enthalten gerade abseits des Werks ihrer Namensgeber besonders spektakuläre Objekte. So steckt in Inside Rembrandt auch eine kleine Jan-Lievens-Ausstellung, die das Können des frühen Wegbegleiters und späteren Konkurrenten Rembrandts eindrucksvoll belegt. Durch kluge Zuordnung der wenigen Rembrandt-Gemälde in Köln wird ein enger Zusammenhang mit den Bildern von anderer Hand sichtbar, der tatsächlich ins Innere dessen führt, was den Mythos von Rembrandt ausmacht. Programmatisch leistet die Kölner Schau nämlich genau das Gleiche wie die Frankfurter Ausstellung: Beide stellen die Entstehung eines allseits populären Markennamens in den Mittelpunkt, mit allen Begleiterscheinungen wie etwa Vermarktung, Nachahmung oder gar Fälschung.
Ruhmreiche Gemälde als Publikumsmagnet
Und auch wenn nicht alle Ausstellungsstücke den namensgebenden Künstlern zuzuschreiben sind – beide Museen haben es geschafft, einzelne spektakuläre Werke in ihre Städte zu bringen. Das Frankfurter Museum besaß früher einmal eines von Van Goghs Hauptwerken: das Porträt des Doktor Gachet. Die nationalsozialistische Kunstpolitik erklärte es 1937 jedoch für „entartet“ und zwang das Städel zur Herausgabe. Mit der kaum weniger berühmten Arlésienne von Van Gogh aus dem Pariser Musée de Quay d’Orsay ist in der aktuellen Ausstellung nun eine andere Weltsensation im Städel zu sehen. Ihr Ruhm wiederum dürfte auch so manches andere Bild nach Frankfurt gebracht haben, dessen Bedeutung durch die prominente Nachbarschaft zu Arlésienne gesteigert werden soll.
In Köln spielt ein Gemälde aus der Prager Nationalgalerie eine vergleichbare Rolle: Rembrandts Gelehrter im Studierzimmer, das bislang nur ein einziges Mal für eine Ausstellung hergegeben wurde. Schon allein, dass dieses Bildes entliehen werden konnte, macht die Schau im Wallraf-Richartz-Museum zu einem Ereignis. Sie profitiert überdies davon, dass das Museum selbst ein höchst bedeutendes Rembrandt-Gemälde besitzt, nämlich das späte Selbstbildnis als Zeuxis. Dieses geht im kommenden Jahr im Gegenzug nach Prag, wo dieselbe Ausstellung dann noch einmal gezeigt wird.
Überhaupt sind die Kölner Kuratoren intensiv in osteuropäischen Museen auf die Suche gegangen und haben von dort viele Leihgaben eingeworben. Dabei handelt es sich zwar um weniger bekannte Meisterwerke, weil ihre Aufbewahrungsorte nicht so vielbesucht sind wie die großen Galerien in Westeuropa oder Nordamerika, aber umso interessanter ist die Begegnung mit diesen Bildern. Bei der Frankfurter Ausstellung sind die Überraschungen deutlich seltener, weil sie vor allem mit Leihgaben aus den Niederlanden und Frankreich bestückt wurde.
Vom Außenseiter zum Großmeister
Das Nebeneinander der nahezu gleichzeitig laufenden Ausstellungen ist ein bemerkenswertes Ereignis für sich, weil erst in der Zusammenschau ein generelles Prinzip der Kunstgeschichte anschaulich wird: die Durchsetzung eines ästhetischen Außenseiters zum schulbildenden Großmeister. Dieser Prozess ist nur selten derart subtil nachgezeichnet worden wie derzeit im Städel Museum und im Wallraf-Richartz-Museum. In der Summe bieten diese beiden Ausstellungen deshalb noch viel mehr als einzeln betrachtet.