Visionen, Macht und Menschlichkeit
Die künstliche Intelligenz hat eine dauerhafte Präsenz in der Filmwelt und verkörpert unsere Gesellschaften im Spannungsfeld zwischen Interesse, Enthusiasmus, Skepsis und Angst gegenüber Technologien, die der Mensch erschafft und die ihn umgeben. Bilder des Hollywood-Kinos existieren neben Produktionen jeglichen Genres, von Sci-Fi zum Melodram, die unser Leben in intimer Weise von Maschinen gesteuert darstellen.
Das diesjährige Melbourne International Filmfestival (MIFF) machte Schlagzeilen, nicht nur weil es sich in Zeiten von COVID-19 als MIFF 68½ online selbst erfand. Dem Film The Trouble with Being Born (2020) der österreichischen Regisseurin Sandra Wollner, in dem ein kindlicher Android die verschwundene Tochter eines alleinstehenden Mannes ersetzen soll, wurden pädophile Tendenzen zugeschrieben; daraufhin wurde der Film von der Festivalleitung zurückgezogen.
Als zeitgemäßes Beispiel eines Beitrags zur künstlichen Intelligenz reiht sich The Trouble with Being Born in eine lange Reihe von Filmen ein, in denen Supercomputer, Roboter, Androiden, Cyborgs, Bots und Avatare eine Rolle spielen. Die Vielzahl der Genres und Stilrichtungen – von Sci-Fi über Horror, Thriller, Melodramen, Cartoons oder Animationen – sind Zeichen der Popularität und Relevanz des Themas in der global-kulturellen Imagination.
Unsere Vorstellungen von menschlichen Maschinen sind zweifellos vom amerikanischen Kino bestimmt. In Hollywood-Produktionen kommt künstliche Intelligenz in allen Farben, Größen und Formen vor, als Freund, Feind und Übermacht. Star Wars, in der der niedliche R2-D2 und vorwitzige C-3PO mit Luke Skywalker und Han Solo gegen das Böse kämpfen, ist eine der erfolgreichsten Blockbuster-Serien, die immer wieder neue Fantasien und Geschichten außergalaktischen Lebens erdenken.
Das Kino bildet Traum und Albtraum des modernen Menschen gegenüber technologischer Errungenschaften ab, indem es über Richtungen und Potentiale ihrer Weiterentwicklung phantasiert und dabei Fragen zur Definition, Grenzen und Erweiterung menschlicher Existenz aufwirft. Werden wir von den kognitiven Fähigkeiten unserer eigenen Kreationen überrannt und überwältigt? Kann man Roboter lieben und erwidern sie unsere Gefühle? R2-D2 und C-3PO wurden in "Star Wars" als liebenswerte Droiden dargestellt | Mit freundlicher Genehmigung von Everett Collection / © Lucasfilm
Die Seelenlosigkeit autonom operierender Systeme beunruhigte den deutschen Film schon am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Paul Wegeners Gestalt des Golem (Der Golem, 1915; Der Golem und die Tänzerin, 1917; Der Golem und wie er in die Welt kam, 1920) bediente sich des - aus jüdischer Tradition und mythischer Überlieferung stammenden - Motivs eines vom Menschen geschaffenen Wesens, das sich dem Willen seines Schöpfers entzieht und sich gegen ihn richtet.
Einige Jahre später trieb die „falsche Maria“ in Fritz Langs Metropolis (1927) ihr Unwesen. Von der Schauspielikone Brigitte Helm besetzt, wurde Langs Figur der Maschine und die avantgardistisch-urbane Architektur des Films Inspiration und Vorreiter des Sci-Fi-Genres, die sich in den endlosen Gängen und Schalträumen von Raumschiffen abspielen. In kühlen Farbskalen und symmetrischen Formen gehalten, prognostiziert diese Kulisse die Überwindung alles Organischen zugunsten einer Existenz der Vorhersagbarkeit, Logik und Effizienz.
In Stanley Kubrick’s 2001: A Space Odyssey, einer Dystopie der Evolution von Mensch zu Maschine, sind Wissenschaftler auf einer Mission zum Jupiter. Die Operationen werden von HAL kontrolliert, einem Computer mit menschlicher Persönlichkeit. Nach einer fehlerhaften Entscheidung von HAL erwägt die Crew, ihn abzuschalten. Daraufhin unterbricht HAL bei einer Reparatur außerhalb des Raumschiffes die Sauerstoffzufuhr mehrerer Besatzungsmitglieder und bringt sie somit um.
Auch das europäische Kino der 60er- und 70er-Jahre beschäftigte sich mit intelligenten Systemen und fürchtete um deren Macht- und Expansionsbestrebungen. Die Welt befand sich in der heißen Phase des Kalten Krieges, die vom Wettrennen um die Herrschaft im All bestimmt war. Jean-Luc Godards Alphaville (1965) verweist auf die moralischen Abgründe, die mit dem technischen Fortschritt verbunden waren. In der vom kaltblütigen Professor von Braun konzipierten Stadt Alphaville kennen die manipulierten Einwohner weder Liebe oder Poesie, noch Vergangenheit oder Zukunft. In einer Welt, deren Regeln der Computer Alpha 60 bestimmt, wird jede Form von Emotion und Irrationalität mit dem Tod bestraft. Im kontrastreichen Noir-Stil gedreht, deutet der Film auch Institutionen und Prozesse der Vernichtungsmachinerie des Holocaust an.
„Welt am Draht“ war eine deutsche Science-Fiction-Serie aus 1973 | © Fassbinder Foundation / Foto: Peter Gauhe / Archiv: DFF Deutsches Filminstitut & Filmmuseum Die aufwändige, vierstündige WDR-Produktion Welt am Draht (1973) verhandelt die Vision einer Gesellschaft als computertechnisch gestaltetes Simulationsmodell, das menschliche Verhaltensweisen programmiert. Dieser Film blieb einer der wenigen Beiträge des deutschen Kinos und einziger Ausflug Rainer Werner Fassbinders in das Science Fiction-Genre. In den letzten Jahren erlebte Welt am Draht eine Renaissance und inspirierte die Raumgestaltung heutiger virtueller Realitäten, unter anderem auch die Matrix der Wachowski-Brüder.
Obwohl Cyborg-Gestalten vor allem im amerikanischen Kino zu finden sind, erscheinen sie auch in der Filmlandschaft von Lateinamerika, hier als Ausdruck sozialer und gesellschaftlicher Ängste. Reproduktionsmechanismen und elektronische Netzwerke sind Gegenstand beispielsweise in Cronos (1993), Debutfilm des mexikanischen Starregisseurs Guillermo de Toro, sowie in La Sonámbula (1998) des argentinischen Filmemachers Ferdinando Spiner. In futuristisch-dystopischen Settings agierend, wird der Cyborg hier zur Metapher der Auflösung kollektiver Identitäten in neoliberalen Strukturen und deutet auf ökonomische Ausbeutung und Unterdrückung unter früheren Diktaturen hin.
In Japan dagegen genießen animierte Robotercharaktere uneingeschränkte Popularität, die die an Robophobie leidende westliche Welt immer wieder überrascht. Die Manga-Serie Astro Boy (1952-1968), und Ironman 28 (1956) waren die ersten in einer Flut von japanischen Produktionen um Androiden, die Helden, Helfer und Abenteurer sind. In Hinokio (2005) beispielsweise soll der ferngesteuerte Android dem zehnjährigen Satoru, der durch einen Unfall seine Mutter verloren hat und im Rollstuhl sitzt, helfen, wieder am normalen Alltag teilzunehmen. Sandra Wollner, die österreichische Regisseurin des umstrittenen Films "The Trouble with Being Born" | © dpa / Alamy Live News
Nach apokalyptischen Bildern und Geschichten von der Rebellion gegen intelligente, zerstörerische Mächte und von der Koexistenz mit intelligenten Kreaturen anderer Galaxien drehen sich heutige Phantasien und Ängste um geschlechtliche Identitäten und sexuelle Vielfalt. In Spike Jonzes Her (2013) findet Theodore Twombly in der Stimme des virtuellen Assistenten Samantha eine kluge Gesprächspartnerin und verliebt sich in sie.
Werden sich die technologischen Möglichkeiten und Potentiale in der Zukunft darauf konzentrieren, Roboter zu entwickeln, um intime Wünsche von Konsumenten zu befriedigen? Die Figur der Elli des schon erwähnten The Trouble with Being Born ist perfekt auf die dunklen Bedürfnisse ihres Nutzers abgestimmt. In der einsamen Existenz des postmodernen Menschen wird der Computer zum adäquaten Partner, jenseits jeglicher moralischer Bewertung.
Weitere Stichworte von Claudia Sandberg über die Zukunft kreativer KI gibt es hier.
Als zeitgemäßes Beispiel eines Beitrags zur künstlichen Intelligenz reiht sich The Trouble with Being Born in eine lange Reihe von Filmen ein, in denen Supercomputer, Roboter, Androiden, Cyborgs, Bots und Avatare eine Rolle spielen. Die Vielzahl der Genres und Stilrichtungen – von Sci-Fi über Horror, Thriller, Melodramen, Cartoons oder Animationen – sind Zeichen der Popularität und Relevanz des Themas in der global-kulturellen Imagination.
Unsere Vorstellungen von menschlichen Maschinen sind zweifellos vom amerikanischen Kino bestimmt. In Hollywood-Produktionen kommt künstliche Intelligenz in allen Farben, Größen und Formen vor, als Freund, Feind und Übermacht. Star Wars, in der der niedliche R2-D2 und vorwitzige C-3PO mit Luke Skywalker und Han Solo gegen das Böse kämpfen, ist eine der erfolgreichsten Blockbuster-Serien, die immer wieder neue Fantasien und Geschichten außergalaktischen Lebens erdenken.
Das Kino bildet Traum und Albtraum des modernen Menschen gegenüber technologischer Errungenschaften ab, indem es über Richtungen und Potentiale ihrer Weiterentwicklung phantasiert und dabei Fragen zur Definition, Grenzen und Erweiterung menschlicher Existenz aufwirft. Werden wir von den kognitiven Fähigkeiten unserer eigenen Kreationen überrannt und überwältigt? Kann man Roboter lieben und erwidern sie unsere Gefühle? R2-D2 und C-3PO wurden in "Star Wars" als liebenswerte Droiden dargestellt | Mit freundlicher Genehmigung von Everett Collection / © Lucasfilm
Pioniere des Genres
Audio-visuelle Darstellungen personifizierter Intelligenz, digitalisierter Parallelwelten, Räume und Szenarien scheinen grenzenlos, wobei es immer wieder Referenzen und Querverweise zu Filmen gibt, die als Klassiker des Genres gelten.Die Seelenlosigkeit autonom operierender Systeme beunruhigte den deutschen Film schon am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Paul Wegeners Gestalt des Golem (Der Golem, 1915; Der Golem und die Tänzerin, 1917; Der Golem und wie er in die Welt kam, 1920) bediente sich des - aus jüdischer Tradition und mythischer Überlieferung stammenden - Motivs eines vom Menschen geschaffenen Wesens, das sich dem Willen seines Schöpfers entzieht und sich gegen ihn richtet.
Einige Jahre später trieb die „falsche Maria“ in Fritz Langs Metropolis (1927) ihr Unwesen. Von der Schauspielikone Brigitte Helm besetzt, wurde Langs Figur der Maschine und die avantgardistisch-urbane Architektur des Films Inspiration und Vorreiter des Sci-Fi-Genres, die sich in den endlosen Gängen und Schalträumen von Raumschiffen abspielen. In kühlen Farbskalen und symmetrischen Formen gehalten, prognostiziert diese Kulisse die Überwindung alles Organischen zugunsten einer Existenz der Vorhersagbarkeit, Logik und Effizienz.
In Stanley Kubrick’s 2001: A Space Odyssey, einer Dystopie der Evolution von Mensch zu Maschine, sind Wissenschaftler auf einer Mission zum Jupiter. Die Operationen werden von HAL kontrolliert, einem Computer mit menschlicher Persönlichkeit. Nach einer fehlerhaften Entscheidung von HAL erwägt die Crew, ihn abzuschalten. Daraufhin unterbricht HAL bei einer Reparatur außerhalb des Raumschiffes die Sauerstoffzufuhr mehrerer Besatzungsmitglieder und bringt sie somit um.
Auch das europäische Kino der 60er- und 70er-Jahre beschäftigte sich mit intelligenten Systemen und fürchtete um deren Macht- und Expansionsbestrebungen. Die Welt befand sich in der heißen Phase des Kalten Krieges, die vom Wettrennen um die Herrschaft im All bestimmt war. Jean-Luc Godards Alphaville (1965) verweist auf die moralischen Abgründe, die mit dem technischen Fortschritt verbunden waren. In der vom kaltblütigen Professor von Braun konzipierten Stadt Alphaville kennen die manipulierten Einwohner weder Liebe oder Poesie, noch Vergangenheit oder Zukunft. In einer Welt, deren Regeln der Computer Alpha 60 bestimmt, wird jede Form von Emotion und Irrationalität mit dem Tod bestraft. Im kontrastreichen Noir-Stil gedreht, deutet der Film auch Institutionen und Prozesse der Vernichtungsmachinerie des Holocaust an.
„Welt am Draht“ war eine deutsche Science-Fiction-Serie aus 1973 | © Fassbinder Foundation / Foto: Peter Gauhe / Archiv: DFF Deutsches Filminstitut & Filmmuseum Die aufwändige, vierstündige WDR-Produktion Welt am Draht (1973) verhandelt die Vision einer Gesellschaft als computertechnisch gestaltetes Simulationsmodell, das menschliche Verhaltensweisen programmiert. Dieser Film blieb einer der wenigen Beiträge des deutschen Kinos und einziger Ausflug Rainer Werner Fassbinders in das Science Fiction-Genre. In den letzten Jahren erlebte Welt am Draht eine Renaissance und inspirierte die Raumgestaltung heutiger virtueller Realitäten, unter anderem auch die Matrix der Wachowski-Brüder.
Cyborgs und andere Körperlichkeiten
Während in den 60er- und 70er-Jahren der Fokus auf Supercomputern lag, einer durch verzerrte Stimmen und rhythmisch blinkender Lichter skizzierten Körperlosigkeit, betreten in den 80er-Jahren neue Formen künstlicher Intelligenz die Leinwand. Dem sogenannten Cyborg, einer Symbiose organischer Substanz und biomechatronischer Körperteile, begegnet das Publikum in der Star Trek Serie, Blade Runner (1982), Terminator (1984, 1991), Ex-Machina (2014) oder Ghost in the Shell (1995, 2017). Sich selbst regenerierend und fehlerlos operierend, bildet der Cyborg die Evolution des verletzlichen menschlichen Körpers zum perfekten Bürger technisch-kontrollierter, mechanischer Lebenswelten ab.Obwohl Cyborg-Gestalten vor allem im amerikanischen Kino zu finden sind, erscheinen sie auch in der Filmlandschaft von Lateinamerika, hier als Ausdruck sozialer und gesellschaftlicher Ängste. Reproduktionsmechanismen und elektronische Netzwerke sind Gegenstand beispielsweise in Cronos (1993), Debutfilm des mexikanischen Starregisseurs Guillermo de Toro, sowie in La Sonámbula (1998) des argentinischen Filmemachers Ferdinando Spiner. In futuristisch-dystopischen Settings agierend, wird der Cyborg hier zur Metapher der Auflösung kollektiver Identitäten in neoliberalen Strukturen und deutet auf ökonomische Ausbeutung und Unterdrückung unter früheren Diktaturen hin.
In Japan dagegen genießen animierte Robotercharaktere uneingeschränkte Popularität, die die an Robophobie leidende westliche Welt immer wieder überrascht. Die Manga-Serie Astro Boy (1952-1968), und Ironman 28 (1956) waren die ersten in einer Flut von japanischen Produktionen um Androiden, die Helden, Helfer und Abenteurer sind. In Hinokio (2005) beispielsweise soll der ferngesteuerte Android dem zehnjährigen Satoru, der durch einen Unfall seine Mutter verloren hat und im Rollstuhl sitzt, helfen, wieder am normalen Alltag teilzunehmen. Sandra Wollner, die österreichische Regisseurin des umstrittenen Films "The Trouble with Being Born" | © dpa / Alamy Live News
Eindringen in die Privatsphäre
Die Entwicklung kultivierter Roboter ist längst Gegenstand von Forschungsprojekten in eigens dafür eingerichteten Laboren und verwischt im Kino weiter die Grenze zwischen Mensch und Maschine. Im oft zitierten Sci-Fi-Drama Artificial Intelligence (2001) transportiert Steven Spielberg den Zuschauer in ein futuristisches Szenario der Menschheit, die durch Klimakatastrophen reduziert wurde. Hier fungiert der Mecha als Ersatz für ein unheilbar krankes Kind, dem Gefühle und Erinnerungen einprogrammiert wurden. Der Android wird zum Protagonisten der Hollywood-Version von Pinocchio, des zunächst geliebten und dann verstoßenen hölzernen Jungen.Nach apokalyptischen Bildern und Geschichten von der Rebellion gegen intelligente, zerstörerische Mächte und von der Koexistenz mit intelligenten Kreaturen anderer Galaxien drehen sich heutige Phantasien und Ängste um geschlechtliche Identitäten und sexuelle Vielfalt. In Spike Jonzes Her (2013) findet Theodore Twombly in der Stimme des virtuellen Assistenten Samantha eine kluge Gesprächspartnerin und verliebt sich in sie.
Werden sich die technologischen Möglichkeiten und Potentiale in der Zukunft darauf konzentrieren, Roboter zu entwickeln, um intime Wünsche von Konsumenten zu befriedigen? Die Figur der Elli des schon erwähnten The Trouble with Being Born ist perfekt auf die dunklen Bedürfnisse ihres Nutzers abgestimmt. In der einsamen Existenz des postmodernen Menschen wird der Computer zum adäquaten Partner, jenseits jeglicher moralischer Bewertung.
Weitere Stichworte von Claudia Sandberg über die Zukunft kreativer KI gibt es hier.