Budots, Manilas Überheblichkeit und Mañanitas

„Yes to Dance, No to Drugs"

Von Dominic Zinampan, 2020

Frisch vom Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder freigesprochen tanzte sich der Politiker Bong Revilla 2019 seinen Weg zurück in den philippinischen Senat. Sein Wahlwerbespot zeigte nicht etwa sein Wahlprogramm oder seine früheren Errungenschaften. Obwohl er professioneller Schauspieler ist, drehte Revilla keine Spots, in denen er sich als eins mit der hart schuftenden Massen inszenierte oder den Dienst an der Gemeinschaft zu seiner größten Passion erklärte. Revilla tanzte einfach zu Budots.


Bong Revillas Wahlwerbespot „Sen. Bong Rvilla - #16 sa Balota” bei YouTube am 28. April 2019 hochgeladen.

Von Budots hörte ich zum ersten Mal Anfang 2016. Zwei Erinnerungen kommen mir direkt in den Sinn, auch wenn ich nicht mehr weiß, welche davon sich zuerst ereignete. Ein paar Freund*innen begannen, in sozialen Netzwerken die fünf Jahre alten Budots Budots Dance-YouTube-Videos zu teilen. Zur gleichen Zeit etwa wurde auch das „Hala Mahulog“-Meme extrem populär. Das Meme zeigt einen Mann, der am Rand eines Schwimmbeckens steht. Als ein Freund ihn anstößt, beginnt er zu wanken und droht ins Wasser zu fallen. Sein verzweifelter Versuch, die Balance zu halten, verwandelt sich schnell in einen zuckenden, gewundenen  Tanz. Namensgebend für das Meme ist das, was eine Person in dem Video vermeintlich aus dem Off ruft – eine reflexartige Reaktion aus Sorge, die Person könnte ins Wasser fallen. Der Ausruf wird dann in einen treibenden Beat verwandelt und mit einer eiernden Bassline und einem laserartigen Synth unterlegt.


„Hala mahalug log log log (Budots)“, hochgeladen von Edmon Nagora am 12. März 2016.


„Budots Budots Dance 1”, hochgeladen von Sherwin Tuna am 3. Februar 2009


Von Budots zu erfahren, hatte fast etwas von einer Epiphanie. Endlich gab es einen Namen – nach dem ich jahrelang gesucht hatte – für die laute, repetitive und verspielte Musik, die ich bei Barangay-, also Dorffesten oder morgens um 10 Uhr auf dem Weg zum Unterricht hörte; Musik, die mich an die grellbunt gestalteten Bootleg-Remix-CDs erinnert, die zu Hunderten auf Märkten verkauft werden, und an die kitschigen Tracks, zu denen uns unser Sportlehrer an der Highschool Aufwärmübungen machen ließ.. Das Genre war etwas Besonderes für mich, weil es unfassbar flexibel zu sein schien – fähig, richtige OPM (1)-Tracks, US-amerikanische 80s-Powerballaden, Pogi-Rock(2)-Klassiker aus den 2000ern oder was auch immer gerade populär ist, zu absorbieren, zu kapern und in grobschlächtige und hirnerweichende Banger zu verwandeln.

Manche sehen in Budots das erste eigene elektronische Musikgenre der Philippinen. In einem Interview mit VICE beschrieb Jay Rosas, Co-Regisseur der 2019 erschienenen Dokumentation Budots: The Craze, es stattdessen als „Pinoy-isiertes (philippinisiertes) elektronisches Musikgenre“. Budots wurde auch mit „Bistik“ in Verbindung gebracht, einem Kofferwort aus „Bisaya(3)“ und der Bisaya-Art, das Wort „Techno“ auszusprechen(4). Viele Budots-Tracks auf YouTube enthalten die Begriffe EDM, Techno, Trance und House in ihren Titeln und Beschreibungen, jedoch beschreiben diese kaum den Sound des Genres.

Der Blogger Ian Onyot schrieb 2012 in einem Post, Budots sei „eine Kreuzung aus europäischem Techno und schlechtem HipHop“(5). Auch wenn nicht ganz klar ist, was er mit „schlechtem HipHop“ meinte, lassen sich durchaus Gemeinsamkeiten zwischen Budots und den derberen, bacchantischeren Spielarten des Genres wie Miami Bass und Crunk feststellen. Mit europäischem Techno befand sich Onyot schon eher auf der richtigen Spur, so klingt Budots doch wie eine Eurodance-Imitation, die heimlich und notdürftig zusammengeschustert wurde. Mit 140 BPM Four-to-the-floor Pattern reanimiert Budots den Leichnam des Eurodance, wenn auch ohne dessen melodramatischen Gesang und theatralische Klaviermelodien. An die Stelle von emotionaler Verletzlichkeit rücken obszöne Witze und Aufrufe zum hemmungslosen Feiern. Pulsierende und hämmernde Basslines akzentuieren den Upbeat, während sich kitschig-schrille Synths, onomatopoetisch auch „Tiw-Tiw“ genannt und an Rayguns, Sirenen und Lärminstrumente erinnernd, durch Höhen und Tiefen schlängeln. Die Vocals können gesprochene Sätze sein, häufiger jedoch bestehen sie aus zerstückelten und geloopten Samples. Die Tracks haben in der Regel keine Strophen, Refrains oder all die anderen Insignien, die sonst typisch für Popsongs sind; stattdessen werden treibende Beats mit abgenutzten Soundeffekten wie Vinyl-Scratchen und Chipmunk-Gelächter zusammengeleimt und dekoriert. Übergänge und Fills sind ebenfalls üblich und werden von Künstlern wie DJ Love, DJ Arjay, DJ Ken und DJ Arnold genutzt, um sich selbst und ihre diversen Beteiligungen wie Mixclubs und mobile Soundsysteme zu promoten.
 

Mit 140 BPM Four-to-the-floor Pattern reanimiert Budots den Leichnam des Eurodance, wenn auch ohne dessen melodramatischen Gesang und theatralische Klaviermelodien. An die Stelle von emotionaler Verletzlichkeit rücken obszöne Witze und Aufrufe zum hemmungslosen Feiern.

Mein Interesse gilt zwar in erster Linie der Musik, allerdings behauptet Jay Rosas, der zugehörige Tanz sei zuerst da gewesen (6). Obwohl dieser vor allem freestyle zu sein scheint – Videos von vor zehn Jahren zeigen Menschen, die wie Puppen tanzen und ihre Körper in krampfartig zuckenden Bewegungen und unbeholfenen Drehbewegungen schütteln –, so ist ein charakteristischer Tanzschritt, der mit Budots assoziiert wird, eine Art Kniebeuge, bei der man die Knie wie bei einem lustlosen Charleston öffnet und schließt, während man die Arme hin und her bewegt und in eine beliebige Richtung gestikuliert. Die Dozentin für Philippine Studies, Dr. Carolyn Sobritchea, hat nahegelegt, dass diese Tanzschritte ihren Ursprung in den Kunstformen der Bajau(7) haben, wovon viele andere ebenfalls ausgehen(8). In Jay Rosas und Mark Limbagas eingangs erwähnten Dokumentation nennt Sherwin Tuna – besser bekannt als DJ Love, der Macher der Budots Budots Dance-Videos – Bajau-Kunst als Einfluss für die Musik, die er produziert, und die Tänze, die er choreographiert.

Als ich Tunas Videos zum ersten Mal sah, fühlte sich Budots anders an als all die anderen kurzlebigen Dance-Trends und viralen Online-Challenges, die bis dahin aufgeflammt waren. Es gab weder einen speziellen Tanz wie bei „Otso-Otso“, „Papaya“ oder „Spageti“ noch war er auf eine internationale Popsensation wie den Las-Ketchup-Song „Asereje“ oder Psys „Gangnam Style“ zurückzuführen. Vor allem aber kam Budots nicht aus dem Mainstream. Er war nicht von Komponist*innen und Choreograph*innen in einem Studio entwickelt worden oder feierte sein Debüt im Mittagsfernsehen. Auch wenn bislang noch keine definitive Geschichte des Budots verfasst wurde, war das Genre in erster Linie eine eigenständige Kultur der unteren Schichten, die aus den Arbeiter*innen-Dörfern, den Barangays der Mindanao-Region im Süden der Philippinen hervorging.

Zu dem Zeitpunkt als ich, wie die meisten Manileños (eine Bezeichnung für die Einwohner*innen Manilas), auf Budots aufmerksam wurde, erfreute sich das Genre bereits seit Jahren einiger Beliebtheit. 2012 sendete das populäre Nachrichtenmagazin Kapus Mo, Jessica Soho einen Beitrag über das Genre, 2019 folgte ein weiterer. Darin erklärt die Moderatorin, dass das Phänomen nie aus der Mode gekommen sei. Budots war auch das Thema einer Bachelorarbeit, die Fritz Flores 2010 verfasste. Flores schreibt darin, dass Budots 2007 regelmäßig von diversen Radiosendern in Davao City auf der Insel Mindanao gespielt wurde. Außerdem sei der zugehörige Tanz bereits im Lokal- und Landesfernsehen vorgestellt worden, vor allem durch den Comedian Ruben Gonzaga (9). Freund*innen von mir, die in Davao City aufgewachsen waren, erinnern sich daran, wie zu der Zeit überall Budots-Remixe von Top 40 Hits gespielt wurden – von Taxis bis hin zu Einkaufszentren, von Familienfeiern bis hin zu Fiestas –, bevor die Beliebtheit um 2011 etwas nachließ. Sie erinnern sich auch daran, wie verwundert sie waren, als das Phänomen ein paar Jahre später landesweit plötzlich wieder auftauchte.

Hinsichtlich des Geburtsorts von Budots stimmen die allermeisten darin überein, dass er in Davao City entstand. Es wird auch allgemein angenommen, dass es sich beim Namen um  Cebuano-Davao-Slang für „Faulpelz“ handelt (10). Flores postuliert in seiner Arbeit allerdings die weit weniger verbreitete Theorie, dass die Wortherkunft von Budots „burot“, übersetzt „aufblähen“, sei, ein Euphemismus für Klebstoff Schnüffeln. Flores suggeriert außerdem, dass der bizarre Tanz entstand, damit jugendliche Kriminelle ihren Drogenkonsum verstecken konnten, insbesondere das Inhalieren von Kleber, auf den Philippinen auch „Rugby“ genannt. Deswegen sei der Tanz anfangs auch mit Drogen und Gangs in Verbindung gebracht worden. Flores schreibt außerdem, dass einige davon ausgehen, der Tanz sei von den Einwohnern der Davao-City-Barangays Matina Aplaya und Leon Garcia erfunden oder zumindest verbreitet worden.

Seit der Veröffentlichung von Budots: The Craze gehen viele davon aus, dass Sherwin Tuna (DJ Love) eigenhändig das Musikgenre und den Tanz erfunden hat. Sein YouTube-Kanal hat um die 80.200 Abonnent*innen und über 37.680.000 Views. Er ist die wahrscheinlich prominenteste Figur des Genres. Seine Videos zeigen, wie seine Crews – die CamusBoyz und CamusGirls, benannt nach der J. Camus Straße im Bezirk Brgy. 9-A (Barangay 9-A) in Davao City – zu Tracks tanzen, die er größtenteils selbst mit FL Studio in einem heruntergekommenen Internet Café produziert hat, das er betreibt. Tuna ist sich des anrüchigen Images von Budots bewusst. Ständig distanzieren er und seine Tänzer*innen sich davon, am offensichtlichsten wahrscheinlich durch den Slogan „Yes to Dance / No to Drugs“, der in seinen meisten Videos eingeblendet ist. Ein solches Statement kann man auch als Unterstützung für den brutalen Drogenkrieg der Duterte-Regierung lesen.

Die Geschichte des Budots ist tief in der Bisaya-Kultur und der Arbeiter*innenklasse verwurzelt

Als ich eingeladen wurde, diesen Essay zu schreiben, lautete einer der vorgeschlagenen Recherche-Ansätze, das politische Potenzial oder die politische Bedeutung von Budots zu erörtern. Der Umstand, dass ich ein Tagalog-sprechender Manileño aus der Mittelschicht bin, stellte meine Auseinandersetzung mit dem Phänomen allerdings vor viele Hürden. Erstens verstehe ich die meisten Titel, Texte und Klangschnipsel vieler Budots-Tracks nicht, da die meisten auf Cebuano sind, einer Sprache der Visayas, die umgangssprachlich auch „Bisaya“ genannt wird und vor allem auf Central Visayas und dem Großteil Mindanaos gesprochen wird. Die Geschichte des Budots ist tief in der Bisaya-Kultur und der Arbeiter*innenklasse verwurzelt und mein Unvermögen, die Unterschiede zwischen diesem Kontext und meiner eigenen Position anzuerkennen, würde nur die weitverbreitete Tendenz vieler Tagalog-sprechender Manileños wiederholen, ihre Erfahrungen als maßgeblich für die „Philippinische Kultur“ zu generalisieren und damit deren tatsächliche Heterogenität glattzubügeln, die etwa 130 verschiedene Sprachen und noch mehr Ethnien umfasst.
Eine Karte der verschiedenen Regionen und Provinzen der Philippinen. © Creative Commons Lizenz Attribution ShareAlike 4.0 International.
Eine Karte der verschiedenen Regionen und Provinzen der Philippinen. Diese Karte von Sanglahi86 verwendet als Grundlage die Date Ph administrative map blank.png (hochgeladen von Scorpion prinz, verwendet unter der Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 Unported. Diese Datei ist lizenziert unter der Creative Commons Lizenz Attribution ShareAlike 4.0 International.

Noch schlimmer: Der Manila-Zentrismus geht weit über meine bloße Ignoranz hinaus. Muslim*innen, Indigene und selbst Menschen aus anderen Tagalog-sprechenden Regionen sind zum Ziel der Manileño-Hochnäsigkeit geworden, durch deren Witze sie als unkultiviert und rückständig dargestellt werden. Diese kulturelle Hegemonie hat mit der Zeit eine verächtliche Haltung gegenüber Manila hervorgebracht, was Rodrigo Duterte in seiner Kampagne zur Präsidentschaftswahl 2016 auszunutzen wusste (eine seiner Hauptforderungen war mehr Föderalismus). Selbst Dutertes mit Kraftausdrücken gespickte Reden und andere „unstaatsmännische“ Eskapaden haben ihm einige Unterstützer*innen beschert, die seine Art als „Bisaya-Kultur“ schätzen. Sie ist das Gegenteil von der steifen Etikette der etablierten Elite und dem „Manila-Imperialismus”, den Dutertes Vorgänger*innen und Konkurent*innen aufrechterhalten wollen.

Neben Bong Revillas Wahlwerbespot für den Senatorenposten hat es auch andere Situationen gegeben, in denen Budots mit dem politischen Diskurs in Berührung gekommen ist. Bei der Eröffnungsfeier der 2019 SEA Games zeigte sich Präsidententochter Sara Duterte-Carpio frustriert darüber, dass der 1976 erschienene Hotdogs-Song „Manila“ für den Einmarsch des philippinischen Teams verwendet wurde. Stattdessen hätte man doch auch Budots nehmen können, schlug sie vor, schließlich haben andere Davaoeños diesen „erfunden“(12). Auch wenn ihr Missfallen verständlich ist, scheint ihre Aussage auf einer Linie mit der föderalistischen Agenda ihres Vaters zu liegen, von der viele vermuten, dass die etablierten regionalen politischen Dynastien darüber zu mehr Macht gelangen würde. Rodrigo Duterte selbst tanzte 2015 während seiner siebten Amtszeit als Bürgermeister von Davao City zusammen mit den CamusBoyz in einem von DJ Loves Videos. Wenige Monate später gab er seine Präsidentschaftskandidatur bekannt.


»Budots Budots Dance 12” with Mayor Duterte« hochgeladen von Sherwin Tuna (DJ Love) am 16. Juni 2015.

Anstatt den Status Quo zu bedrohen, scheint es, als biete Budots Politiker*innen eine Möglichkeit, sich gegenüber gleichermaßen etablierten politischen Figuren als bodenständiger oder Establishment-kritischer darzustellen und sich damit die Unterstützung bestimmter Bevölkerungsteile zu sichern. Den einzigen Einsatz von Budots im Sinne eines Protestes konnte ich bislang mit der Compilation Bakunawa Vol. 7: Rodrido Duterte’s Summer Budots Party des BuwanBuwan Collectives finden. Jeder konnte Songs für die Compilation einschicken, unter der Voraussetzung, dass sie Samples von Duterte beinhalteten. Das Resultat erscheint in seiner Gesamtheit allerdings eher wie ein Gag als eine ernst gemeinte Kritik. Dazu lässt sich auch schwer sagen, ob dort neben dem Präsidenten nicht auch das Genre an sich parodiert wird. Wie ein Freund, der in Davao City aufwuchs, es formulierte: Die Budots-Rezeption der Bourgeoisie und Manileños scheint im besten Fall eine ironische zu sein, und im schlimmsten Fall eine spöttische.
 

Anstatt den Status Quo zu bedrohen, scheint es, als biete Budots Politiker*innen eine Möglichkeit, sich gegenüber gleichermaßen etablierten politischen Figuren als bodenständiger oder Establishment-kritischer darzustellen und sich damit die Unterstützung bestimmter Bevölkerungsteile zu sichern.

Aus meiner Perspektive ist Budots in erster Linie zur Unterhaltung und für Memes da, um auf Partys und bei ansonsten langweiligen Jeepneyfahrten gespielt zu werden. Es gibt diese Illusion, dass Budots soziale Klassen transzendiert, dass er die Möglichkeit hat, verschiedene Gesellschaftsbereiche zu vereinen. Trotzdem bleiben die Kategorien „Hochkultur“ und „Massenkultur“ bestehen oder werden sogar innerhalb dieses Rahmens verstärkt. Wie Budots: The Craze zeigt, wird sogar ein Pionier wie DJ Love routinemäßig künstlerisch enteignet, sein Schaffen und das anderer DJs findet keine große Beachtung und ihre Arbeiten werden oft von großen Sendeanstalten ohne Zustimmung verwendet. Es ist vielleicht verlockend, ein solches „Massenkultur“-Phänomen als revolutionär wahrzunehmen, aber nur selten wird Budots im Kontext von Widerstand eingesetzt. Durch seine Mainstreamisierung werden ihm effektiv die Fangzähne gezogen, bevor er als Quatschmusik verpackt wird.

Es gibt diese Illusion, dass Budots soziale Klassen transzendiert, dass er die Möglichkeit hat, verschiedene Gesellschaftsbereiche zu vereinen. Trotzdem bleiben die Kategorien „Hochkultur“ und „Massenkultur“ bestehen oder werden sogar innerhalb dieses Rahmens verstärkt.

Während ich diesen Text schreibe, finden Massenproteste gegen das neue Anti-Terror-Gesetz statt. Es hat bereits seine dritte und letzte Hürde genommen und benötigt nur noch die Unterschrift des Präsidenten, um in Kraft zu treten. Aufgrund der sehr breiten Terrorismus-Definition des Gesetzes befürchten viele, dass es in Zukunft eingesetzt wird, um die freie Rede einzuschränken und gegen Aktivist*innen vorzugehen. Viele sind auch erzürnt, weil dem Gesetz eine höhere Priorität eingeräumt wurde als flächendeckenden COVID-19-Tests und so kam es am 12. Juni trotz lokaler Quarantäne-Beschränkungen zu mehreren Protesten am Unabhängigkeitstag. Die Zusammenkünfte wurden zynisch als „Mañanitas“ (13) bezeichnet, eine Anspielung auf die geleakten Fotos von der Geburtstagsfeier Debold Sinas‘, dem Polizeichef der Metropolregion Manila. Auf den Bildern sieht man, wie Polizist*innen vehement eben jene Richtlinien missachten, die sie so streng durchsetzen. Die Behörden rechtfertigten Sinas Feier aufs Lächerlichste: Das sei gar keine Party gewesen, sondern eine Mañanita. Und so herrschte auch bei den Protesten eine höhnisch-festliche Stimmung. Viele kostümierte Teilnehmer*innen brachten neben Schildern auch Ballons und Kuchen mit. Bei der Mañanita, die an der Universität der Philippinen Diliman abgehalten wurde, lief nach dem Programm der Song „Terrorista“, eine Parodie des 2019er Songs „Señorita“ von Camila Cabello und Shawn Mendes. Bei allem Sarkasmus und gekünstelter Festatmosphäre fragte ich mich, ob Budots – in seiner ganzen Verspieltheit – zu einem Werkzeug des Protests werden kann, wenn Freiheit bedroht und Kritik brutal unterdrückt wird. Wird Budots eines Tages als Vehikel der Subversion dienen, oder wird er dazu verwendet werden, um ähnlichen Verboten von Massenansammlungen zu trotzen? Wurde Budots zwischen Mai 2017 und Dezember 2019 jemals zum Widerstand eingesetzt, als in Mindanao der Ausnahmezustand herrschte? Bislang ist Budots nur von Populist*innen und reaktionären Kräften instrumentalisiert worden, um ihre Macht weiter zu festigen. Und Pioniere wie DJ Love scheinen solche Politiker*innen öffentlich zu unterstützen. Ändert sich das eines Tages und Budots wandelt sich zu einer Protestform? Ich für meinen Teil bin da jedenfalls skeptisch.

(1) OPM, oder Original Pinoy Music, ist eine schwammige Bezeichnung, die eine große Bandbreite philippinischer Popmusik umfasst. Unter den Genres, die klar als OPM gelten, sind „Manila Sound“ oder Disco-Pop aus den 1970ern, Folkrock, Easy Listening und andere zeitgenössische Genres, Alternativ-Rock der 1990er und 2000er, Akustik-Pop, HipHop und viele andere.

(2) Pogi Rock, von dem Wort „pogi“, „gutaussehend“, abgeleitet, ist eine spöttische Bezeichnung für Alternativ-Rock- oder Post-Grunge-Bands, die Mitte bis Ende der 2000er aktiv waren und von einigen abgelehnt wurden, weil sie lediglich aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung berühmt waren. Eine hasserfüllte Auslassung, die zur Hochphase des Pogi Rock geschrieben wurde, lässt sich hier lesen: https://twoisequaltozero.wordpress.com/2007/03/24/why-pogi-rock-is-even-more-awful-than-boybands/comment-page-1/.

(3) Bisaya ist der Name einer großen ethnolinguistischen Gruppe auf den Visayas- und Mindanao-Inseln und der umgangssprachliche Name für die Cebuano-Sprache.

(4) Michael L. Tan, „'Budots' and Filipino." Inquirer, 23. August 2019. Abgerufen am 25. Mai 2020, https://opinion.inquirer.net/123486/budots-and-filipino.

(5) Onyot, Ian. „Before ‘Dougie’ and ‘Gangnam Style,’ There is ‘Budots.’” MagWrite (Blog). 13. September 2012. Abgerufen am 22. Mai 2020. http://magwrite.blogspot.com/2012/09/befor-dougie-and-gangnam-stylethere-is.html-

(6)  Lex Celera. „The Origins of Budots, the Philippines' Catchiest Viral Dance Craze.” VICE, 10. September 2019. Aufgerufen 22. Mai 2020.https://www.vice.com/en_asia/article/xwewa3/the-origins-of-budots-the-philippines-catchiest-viral-dance-craze.

(7) Die Sama Dilaut, besser bekannt als Bajaus, sind eine indigene Gruppe, die vor sechs Jahrhunderten von Borneo aus auf den Philippinen eintrafen und sich entlang der Küste von Sulu, Tawi-Tawi und Zamboanga in den südlichen Philippinen niederließen. Sie werden oft als „Vagabunden des Meeres“ bezeichnet und sind bekannt für ihre Fähigkeiten im Tauchen und Fischfang. Ein großer Teil von ihnen wurde verdrängt und Bajaus sind heute dafür bekannt, überwiegend nomadisch zu leben. Viele treten in Jeepneys und auf öffentlichen Plätzen auf, um Geld zu verdienen. (siehe Lagsa, Bobby. „Plight of the Badjao: Forgotten, nameless, faceless.” Rappler, 5. Dezember 2015. Aufgerufen am 2. Juli 2020. https://www.rappler.com/nation/114975-badjao-nameless-forgotten-faceless und Soriano, Zelda. „The Badjaos: Cast Away From Mindanao To Manila." Bulatlat. Aufgrufen am 4. Juli 2020. https://www.bulatlat.com/archive1/006badjaos.htm.) Auch wenn Viele Ähnlichkeiten zwischen dem Tanz und der Musik des Budots und der Bajau-Kultur erkennen, konnte ich keine verlässlichen Quellen finden, die näher darauf eingehen. Ich schätze, dass andere, wenn sie diesen Vergleich anstellen, diesen Tanz und diesen Performance-Stil vor Augen haben. Es lässt sich nur schwer sagen, ob diese Kunstformen, die oft mit den Bajaus assoziiert werden, Budots beeinflussten oder nicht – oder gar selbst von Budots beeinflusst wurden.

(8) Jessica Soho. „Kapuso Mo, Jessica Soho: The Alimango Dance craze is in!" YouTube. Video. 26. August 2019. Aufgerufen am 3. Juni 2020. https://youtu.be/-AWbiVgg4x8.

(9) Flores, Fritz E. „Towards the Mainstream: A Case Study on the Budots Dance Craze.” Bachelorarbeit, University of the Philippines Mindanao, 2010.

(10) Celera, „The Origin of Budots.”

(11) Die Philippinen sind unterteilt in drei große Inselgruppen: Luzon, Visayas und Mindanao. Manila, die Hauptstadt des Landes, befindet sich auf Zentral Luzon, während sich Davao City (wo Budots herkommen soll) am südlichen Ende von Mindanao befindet. Im Großteil von Mindanao (inklusive Nordmindanao, der Zamboanga-Halbinsel und der Davao Region) wird Cebuano gesprochen, ebenso auf Zentral Visayas und den Inseln Cebu, Bohl und einigen Teilen von Negros und Leyte. Tagalog wird vor allem auf Luzon gesprochen, der größten der drei großen Inselgruppen der Philippinen. Neben der Hauptstadtregion, die auch Metro Manila genannt wird, wird Tagalog größtenteils auf Zentral Luzon (einigen Teilen von Region III) und Süd Luzon gesprochen (der Mehrheit von CALABARZON und MIMAROPA).

(12) Hernel Tocmo. „Why ‘Manila’? Sara Duterte questions entrance theme at SEA Games opening.” ABS-CBN News, 1. Dezember 2019. Aufgerufen am 10. Juni 2020. https://news.abs-cbn.com/news/12/01/19/why-manila-sara-duterte-questions-entrance-theme-at-sea-games-opening.

(13) Die Bedeutung von Mañanita in der philippinischen Kultur kommt aus Mexiko, wo das Wort die Feier eines Geburtstages beschreibt indem man ein besonderes Lied singt, um das Geburtstagskind nach Mitternacht oder zum Morgengrauen aufzuwecken. Im Gegensatz zu einer Geburtstagsfeier ist eine Mañanita eine sehr einfache Feier. In der Regel nimmt nur die nähere Familie daran teil. In den Worten von Innen- und Kommunalminister Eduardo Año: „Hindi talaga siya party.“ („Es ist keine richtige Party.“)