Seitdem Syrien vor über einem Jahrzehnt in Flammen aufging, zeichneten hunderte von Filmen auf großen Festspielen wie der Berlinale zwei Bilder der Syrer: Das Bild der Geflüchteten, sowie das Bild der verzweifelt Zurückgebliebenen. Der Dokumentarfilm „Under the Sky of Damaskus“ zeigt uns andere Facetten des Lebens syrischer Künstlerinnen.
Seitdem Syrien vor über einem Jahrzehnt in Flammen aufging, zeichneten hunderte von Filmen auf großen Festspielen wie der Berlinale zwei Bilder der Syrer: Das Bild der Geflüchteten, die auf der Suche nach einem besseren Leben aus der Heimat zu fliehen gezwungen waren; sowie das Bild der verzweifelt Zurückgebliebenen, die unter Bombardierungen und inmitten zerstörter Häuser und zertrümmerter Städte weiterleben.Beide Bilder sind real und schmerzhaft. Es sind Dramen par excellence, hinter denen sich weitere Bilder und Geschichten verbergen, die es verdienen, erzählt zu werden: Von Menschen, die Syrien nicht verlassen haben, die in der Hauptstadt oder in Regionen leben, die nicht als Folge der Schlachten in Schutt und Asche liegen, Menschen, die die Fassade eines normalen Lebens aufrechterhalten müssen, unter Umständen, die nicht weiter davon entfernt sein könnten. Sie verdrängen die Konfrontation mit dem, was sie an Willkür, Unterdrückung und Verletzung ihrer grundlegendsten Rechte erleiden müssen. Mal, weil sie sich für das Bleiben entschieden haben oder ohne dass sie sich dafür entschieden haben! Und mal mit dem berühmten Slogan: „Nichts ist lauter als der Ruf der Schlacht“.
In der Schlacht oder außerhalb davon?
Aber besteht überhaupt ein Widerspruch zwischen „der Schlacht“ und dem Streben der jungen Frauen nach einem Leben in Sicherheit, nach der Freiheit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und ihren künstlerischen Talenten Ausdruck zu verleihen, ohne sexueller Ausbeutung oder Drohungen durch die Akteure politischer oder künstlerischer Macht ausgesetzt zu sein? Das ist es, wovon der Film „Under the Sky of Damaskus“ uns erzählt, ein gemeinsamer Dokumentarfilm von Heba Khaled, Talal Derki und Ali Wajeeh in der Panorama-Sektion der Berlinale.Derki und Khaled leben seit Jahren in Deutschland. Die Rückkehr in die Heimat bleibt ihnen verwehrt. Wajeeh dagegen lebt in Damaskus. Die drei haben sich zusammengetan, um einen in der Form ungewöhnlichen, in seinem dramatischen Verlauf überraschenden und im finalen Ergebnis schockierenden Film zu erschaffen.
Ein Netz aus Beziehungen
Eine Gruppe junger Frauen versammelt sich für ein Theaterprojekt, dessen Ziel es ist, ihre Erfahrungen mit sexueller Erpressung und Diskriminierung sowohl im Rahmen ihrer künstlerischen Arbeit als auch im Leben allgemein offenzulegen. Die Arbeit an dem Theaterstück führt sie zu weiterreichenden Narrativen, die stellvertretend das stehen, was arabische Frauen durchleben müssen, um ihren um ihren Platz im Leben zu finden.Überraschend ist nicht nur die Authentizität der Protagonistinnen oder die Fähigkeit des Regie-Trios, einen derart konsistenten Film zu produzieren, obwohl zwei von ihnen Syrien nicht besuchen und die Personen nicht treffen konnten. Vielmehr überrascht die dramatische Entwicklung, die aus der Realität der Filmproduktion selbst entsteht, als alle mit zwei tragischen Tatsachen konfrontiert werden: Dass die Produktion eines feministischen Films nicht zwangsläufig ein sicheres Umfeld für Frauen darstellt und dass selbst diejenigen Frauen, die sich für das Thema einsetzen, unterwegs ins Straucheln geraten können und sich an die Mechanismen der Filmproduktion anpassen.
Wenn die Situation der Frauen in Haus, Gesellschaft oder Arbeitsumfeld stets eine Beziehung zum Anderen ist, so beruht „Under the Sky of Damascus“ in dramatischer Hinsicht auf einer interessanten Kette von Beziehungen: Die Beziehung der Regisseure zu den Protagonistinnen, die Beziehung der jungen Frauen untereinander und zur Crew, die Beziehung eines jeden Zuschauers zu dem, was er auf dem Bildschirm sieht und von dem er weiß, dass es eine getreue Spiegelung der Situation der Frauen innerhalb jedes Systems mit autoritär-patriarchalischen Tendenzen ist.
Februar 2023