Inmitten der unbarmherzigen Wüste der Arabischen Halbinsel, deren Hitze und spärliche Wasservorkommen jegliches Leben erschweren, erheben sich die Wolkenkratzer der Vereinigten Arabischen Emirate. Um den Durst seiner Bevölkerung zu stillen, ist der Golfstaat auf die Entsalzung von Meerwasser angewiesen. Doch vor dem Hintergrund von Klimawandel und Bevölkerungsanstieg ist gewiss, dass nachhaltigere Lösungen gefunden werden müssen.
Modern und strahlend erheben sich die Wolkenkratzer der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) inmitten der Wüste. Sie sind ein Symbol des Erfolgs und Reichtums – und doch steht das Land vor einem ernsten Problem: Wasserknappheit. Die Emirate sind reich an vielen Dingen, nicht aber an Wasser. Fast trügerisch wirkt die Stärke ihrer Städte in einer Region, die keine Flüsse, Seen oder andere Süßwasserreserven aufweist. Im Wüstenklima der Arabischen Halbinsel regnet es nur selten; im Jahr fallen etwa 100 mm oder vielleicht etwas mehr im Norden. Deshalb sind die VAE von der Meerwasserentsalzung abhängig, um die meisten ihrer Bedürfnisse, besonders nach Trinkwasser, zu decken.
Weltweit sind die Emirate der zweitgrößte Markt für Entsalzungstechnologie. In ihrer Hauptstadt Abu Dhabi allein stehen neun Entsalzungsanlagen „mit einer Gesamtproduktionskapazität von etwa 960 Millionen Gallonen pro Tag“. Für Notfälle hat die Stadt das Aquifer Storage and Recovery Projekt geschaffen, bei dem genügend Trinkwasser für etwa drei Tage in der Wüste gelagert wird.
Derart begrenzte Wasserressourcen einerseits und das politische Versprechen, die Wüste ergrünen zu lassen, andererseits haben die VAE ins Rampenlicht großer Erwartungen gerückt. Es müssen Lösungen gefunden werden, um auf lange Sicht die Wasserversorgung für eine rapide anwachsende Bevölkerung zu garantieren. In der Zwischenzeit belegen die VAE nach Schätzungen des Water Resources Institute (WRI) Platz zehn von insgesamt 164 Ländern, deren Wasserversorgung überstrapaziert ist. Die Lage in den VAE ist, kurz gesagt, sehr ernst.
Auch sind die Emirate mit einem Durchschnitt von 550 Litern pro Person pro Tag eines der Länder mit dem höchsten Wasserverbrauch. Manche behaupten gar, der tägliche Bedarf steige mitunter auf 600 Liter pro Kopf. Zum Vergleich: Der weltweite Durchschnitt liegt zwischen 170 und 300 Litern. Dieser exzessive Verbrauch ergibt sich nicht nur aus dem erhöhten Bedarf nach Trinkwasser aufgrund der hohen Temperaturen, sondern auch aus intensiver Garten- und Landschaftspflege und der Landwirtschaft.
Manche Emirate haben ihren Konsum erfolgreich senken können. In Sharjah, zum Beispiel, ist Wasser rationiert worden und Dubai hat einen steigenden Blocktarif eingeführt, demzufolge sich der Preis des Wassers mit dem Verbrauch erhöht.
Alternativen zur Entsalzung
Die von den VAE so intensiv genutzte Entsalzungstechnologie stellt eine große Bedrohung für die Umwelt dar, weil sich dadurch der Salzgehalt im Meer erhöht. Alternativen zu findet ist deshalb eine Priorität für das Land. Bislang galt die sogenannte Wolkenimpfung (cloud seeding), eine Technologie, bei der Regenwolken produziert werden, als Teil der Lösung. Verschiedenen Experten zufolge hat dieses Programm insofern Erfolge erzielt, als dass es die Wahrscheinlichkeit auf Regen um 30 Prozent erhöht hat – wohlgemerkt, die Möglichkeit, nicht die Niederschlagsmenge an sich.
Im Jahr 2017 stellte der Minister für Energie die 2036 Water Security Strategy vor, mit der die langfristige Wasserversorgung in erster Linie durch eine Reduzierung der Nachfrage um 21 Prozent gesichert werden soll. Vor allem in der Landwirtschaft soll mehr Wasser eingespart werden. Dazu hat die Regierung neue Bewässerungstechniken, mit denen bis zu 46 Prozent weniger Wasser als mit traditionellen Methoden verbraucht werden, eingeführt, zum Beispiel die Tröpfchenbewässerung.
Seit kurzem wird auch in sogenannte „Smart Farms“ investiert. Hier werden Nahrungsmittel in einem geschlossenen und streng kontrollierten Umfeld angebaut, sodass das Recycling von überschüssigem Wasser effektiver ist. Ein wohlbekannter AgTech-Führer in diesem Bereich ist Badia Farms. Mit Technologien wie Hydroponik und Wasserrecycling leistet die Firma einen wichtigen Beitrag zu landwirtschaftlicher Nachhaltigkeit und Nahrungsmittel-Diversität.
Infolge einer enormen Expansion verlegt Badia Farms im zweiten Viertel von 2020 ihre „vertikalen Hightech-Farmen“ in die Dubai Industrial City. Die dort entstehende Riesenfarm hat das Potential, bis zu 90 Prozent Wasser beim Anbau einzusparen, da wirklich nur verwendet wird, was die Pflanzen absorbieren.
Badia Farms' Geschäftsführer, Omar Al Jundi, glaubt, dass die Lösung für das Ende der Wasserknappheit in dieser Form des Anbaus liegt, und viele andere Experten sind derselben Meinung. Sajid Maqsood, Dozent an der Fakultät für Nahrungsmittel und Landwirtschaft der United Arab Emirates University, betonte in einem Interview, dass „[u]rbane und vertikale Landwirtschaft ein wichtiger Bestandteil der Strategie“ für den ressourcensparenden Anbau sind. Und doch ist der Erfolg des Hightech-Farmings auch abhängig von der Bereitschaft und Fähigkeit der Farmer, diese Technologien zu integrieren. Vor den VAE liegt daher wohl noch ein weiter Weg, in der Bevölkerung sowohl Bewusstsein als auch Fertigkeiten für diese Neuerungen zu schaffen, ehe sich wirklich etwas ändern kann.
Dr. Khalil Ammar, Leiter der Abteilung für die Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen am International Center for Biosaline Agriculture (ICBA), berichtet, dass sein Forschungszentrum bereits mit 120 Farmen in Abu Dhabi und Umgebung zusammenarbeite. Dort habe sich die Verwendung von behandeltem Abwasser beim Anbau durchgesetzt, wodurch die Farmer den hohen Druck auf die Trinkwasserressourcen verringern konnten.Bedrohte Existenz
Die Wasserknappheit stellt nicht nur ein Problem für alltägliche Aktivitäten und Nahrungsmittelsicherheit dar, sondern bedroht geradezu die Existenz der Emirate. Von dieser Bedrohung sind sehr viele Menschen über die Grenzen der VAE hinweg betroffen, da ausländische Arbeits- und Fachkräfte, die ihre Familien weltweit unterstützen, einen Großteil der Bevölkerung ausmachen.
Masdar City, ein Flaggschiff-Projekt zur Förderung von Innovation und Entrepreneurship, hat verschiedene „Smart Home Farming“ Lösungen entwickelt, die sie in ihrer Ausstellung namens „Bustani“ vorstellen. Bei diesen steht die Selbstversorgung der Bevölkerung der VAE im Mittelpunkt: alltägliche Nahrungsmittelbedürfnisse sollen selbst erfüllt und Importe dementsprechend gesenkt werden. „Bustani“ ist eine Kollaboration mit den AgriTech-Spezialisten von Madar Farms.
Im Rahmen von Masdars Entsalzungsprogramm, das auf erneuerbaren Energien basiert, werden derzeit verschiedene Studien durchgeführt. Darunter ist die solarangetriebene umgekehrte Osmose, bei der mit speziellen Membranen kleinste chemische und biologische Partikel aus dem Meerwasser gefiltert werden können, um Trinkwasser zu gewinnen.
Die Suche nach nachhaltigen Lösungen für die Trinkwasserknappheit läuft in den VAE also auf vollen Hochtouren und an allen Fronten. Dabei wurde sogar schon der Transport von Eis aus der Antarktis nach Dubai in Erwägung gezogen – und schnell verworfen. Im Vergleich schienen Wolkenimpfung und nachhaltige Landwirtschaft einfach realistischer. Ganz klar sehen Experten vor Ort die Lösung im Rationieren von Wasser, Innovationen in der Landwirtschaft und dem Umstieg auf Wind- und Solarenergie sowohl im Anbau als auch bei der Entsalzung.
Da der Wassermangel über Leben und Tod der Emirate entscheiden könnte, wird die Suche nach Lösungen so schnell nicht von der Prioritätenliste verschwinden. Diese Herausforderung ist zukunftsweisend für das Wüstenland der Wolkenkratzer.
August 2020