Deutsch-Chinesische Beziehungen  Zwischen den Welten

Dagmar Schmidt
Dagmar Schmidt Foto (Ausschnitt): Dagmar Schmidt © Susanne Schleyer

Dagmar Schmidt, SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe des Bundestags hat ihr berufliches Zentrum in Berlin. Doch zu Hause, im Lahn-Dill-Kreis westlich von Gießen, findet sie es doch am Schönsten. Ihr Lieblingsort in Berlin ist die Reichstagskuppel. Hier holt sie zwischen vielen Sitzungen Luft und kommt zur Ruhe.

Das Paul-Löbe-Haus des deutschen Bundestags ist ein umtriebiger Ort. Am Eingang stehen Warteschlangen, Besucher*innen durchlaufen geduldig die Sicherheitschecks. Drinnen öffnet sich ein weiter, offener Raum, ein Atrium, mehrere Stockwerke hoch, durchzogen von Brücken von links nach rechts, gläserne Fahrstühle wie Säulen an den Seiten. Abgeordnete und ihre Mitarbeiter*innen sind schnellen Schrittes unterwegs, durchqueren die Flure und verschwinden hinter den Türen der Korridore, die vom Innenraum des Hauses hinweg führen.

Dagmar Schmidts Büro wirkt in der Emsigkeit des Hauses wie ein kleiner, einladender Rückzugsort. Durch die Vorzimmer ihrer Referenten gelangt man in ihr sympathisch-unaufgeräumtes Zimmer, in der Sofaecke hat ein großer Kuscheltier-Panda seinen Platz, die Wände zieren Mitbringsel chinesischer Delegationen – als Vorsitzende der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe im deutschen Bundestag hat Schmidt Kalligraphien, feine Teller und andere Kleinigkeiten in ihrem Fundus.

Seit 2013 vertritt Dagmar Schmidt den nördlich von Frankfurt gelegenen Wahlkreis Lahn-Dill als Abgeordnete des Bundestags. Schmidt wird 1973 im hessischen Gießen geboren. Im Alter von 16 Jahren beginnt ihre politische Karriere. „Ich stamme aus einer sehr politischen Familie,“ sagt Schmidt „und in der Schule gab es Menschen, die sich politisch engagieren wollten. Schnell war uns klar, dass die Werte der SPD und der Jusos am besten zu uns passten.“ Die Gruppe „schnippelte, klebte und kopierte eine Schülerzeitung zusammen, die Rote Tomate“, erinnert sich Schmidt mit einem Lachen. Schon bei den Jusos machte Schmidt internationale Arbeit, später wechselte sie in die Kommunalpolitik.

Als Vorsitzende der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe im deutschen Bundestag hat Schmidt Kalligraphien, feine Teller und andere Kleinigkeiten in ihrem Fundus.

Auch wenn sich ihr beruflicher Alltag in Berlin abspielt, verbringt die 46-jährige gern Zeit in ihrer Heimatregion: „Ich komme aus einer Gegend, in der andere Menschen Urlaub machen“, sagt Schmidt. Die Burgruine Greifenstein ist einer ihrer Lieblingsorte. Von hier aus kann man den Blick ins Tal schweifen lassen, der Fluss Lahn windet sich im Nachbartal durch die Mittelgebirge und die weichen Berge des Taunus und des Westerwalds zeichnen ein angenehmes Landschaftsprofil.

Im Kontrast dazu steht die Architektur der Regierungsgebäude: Beton, Glas, die Spree fließt zwischen Paul-Löbe- und Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, die Beschaulichkeit ist hier eher eine sachliche. Sozial- und Arbeitspolitik sind neben internationaler Politik seit jeher Dagmar Schmidts Themenfelder. Die ausgebildete Historikerin beschäftigte sich außerdem mit der Kolonialgeschichte in Afrika, China lernte sie über ihre Arbeit für einen ehemaligen Vorgesetzten kennen: „Mein Chef reiste oft nach China. Ich organisierte Delegationsreisen und begleitete ihn. Ich fand das Land politisch gleich sehr spannend.“ Als die SPD-Fraktionsspitze sie fragte, ob sie die Leitung der Deutsch-Chinesischen Parlamentariergruppe übernehmen wolle, nahm sie das Angebot gern an. 

Seit Jahren erregt China international Aufsehen mit seiner One Road One Belt Initiative. Die infrastrukturelle Erschließung neuer Handelswege vom sogenannten Reich der Mitte bis ins Herz Europas hinein gilt heute als eine der größten geopolitischen Unternehmungen und wird nicht nur mit Freuden beobachtet.
Dagmar Schmidt © Susanne Schleyer Doch auch der Wachstum in Chinas Innern scheint von außen betrachtet in unfassbarer Geschwindigkeit abzulaufen. Schmidt: „In Chongqing, zum Beispiel, dreht man sich einmal um und plötzlich steht da ein neues Haus. In China herrscht teilweise so ein Urbanisierungsdruck, dass ganz einfach neue Städte gebaut werden müssen.“ Doch auch wenn von außen oft die Nachhaltigkeit solcher Entwicklungen hinterfragt wird, gibt es immer wieder Beispiele, die für andere Industrienationen richtungsweisend sein können. „Der Deutsch-Chinesische Ökopark in Qingdao, zum Beispiel, ist nach höchsten ökologischen Anforderungen gebaut worden,“ sagt Schmidt.

In Deutschland hingegen, so Schmidt, habe man bei manchen Bauvorhaben gleich eine Bürgerinitiative auf der Matte stehen, weil eine Bushaltestelle um ein paar Meter verlegt werden soll. Die Abgeordnete sieht hier ein etwas schief geratenes Verständnis von Demokratie, das sich in solchen Situationen in einem Minimalbereich bewege, dem „eigenen Karo, wobei man natürlich auf die eigenen Belange zuhause achten muss“, wie sie sagt. An dieser Stelle könnten China und Deutschland voneinander lernen: „Bei uns könnte man die Planung beschleunigen, in China könnte man künftig rücksichtsvoller vorgehen,“ sagt sie.

Abgesehen von den Ebenen der internationalen Politik, von der großen Diplomatie, sind es immer noch die persönlichen Beziehungen der Menschen untereinander, die den Austausch zwischen Deutschland und China befruchten. Schmidt berichtet vom Gespräch mit einem chinesischen Freund, der von neuen Möglichkeiten schwärmte. Duisburg ist heute ein wichtiger Knoten auf den Strecken der „Neuen Seidenstraße“, wie die One Road One Belt Initiatvie auch genannt wird. Jede Woche kommen hier unzählige Züge mit Waren aus China an. „Mein Bekannter sagte, dass es doch toll sei, wenn man mit einem Hochgeschwindigkeitszug in 36 Stunden von Peking nach Duisburg fahren könne,“ erinnert sich Schmidt. „Auf dem Weg könnte man dann vielleicht mal in Usbekistan aussteigen. Das wäre doch super, oder?“ 

Bei uns könnte man die Planung beschleunigen, in China könnte man künftig rücksichtsvoller vorgehen.

Es sind Sitzungswochen im Bundestag. Das heißt, die Termine sind eng getaktet. Deswegen laufen auch alle Menschen im Paul-Löbe-Haus so schnell. Dagmar Schmidt lässt sich aber keinerlei Stress anmerken. Sie spricht ruhig und bedacht und dann fällt ihr ein, dass wir noch ihren Berliner Lieblingsort besuchen könnten. Praktischerweise ist der direkt nebenan: die Reichstagskuppel. Wir überqueren die Brücken im Atrium des Paul-Löbe-Hauses, verschwinden hinter Türen, die zu Fahrstühlen führen, durchqueren einen Tunnel, sind schnell unterwegs. Wir durchqueren Bereiche, zu denen nur Abgeordnete und ihre Gäste Zutritt haben, wir halten über dem Plenarsaal, schauen kurz herunter und keine Sekunde später ist Schmidt schon zwanzig Schritte weiter.  Dann geht es nochmal in einen Fahrstuhl, dann hoch zur Reichstagskuppe. Hier kommt Dagmar Schmidt her, wenn sie eine kleine Pause braucht: „Die Frische Luft um die Nase wehen lassen, ein Eis essen und dann geht’s weiter,“ sagt sie. Hier oben wuseln die Besucher*innen umher, die Fahnen wehen im Wind, der Blick reicht weit über die Stadt. Vielleicht kommt Schmidt hier diesem Gefühl am nächsten, das sie von zu Hause kennt, wenn sie vom Mittelgebirge in die Landschaft blickt.

Diese Perspektive, diesen weiten Blick, den bekommt man in Berlin selten. Dagmar Schmidt weiß um das „Privileg“, wie sie sagt, hier oben uneingeschränkten Zugang zu haben. Der nächste Termin wartet schon. Runter, zurück, durch den Tunnel, durch das Atrium, vielleicht ein halber Kilometer Fußmarsch und gleich wird sie sich mit einer Arbeitsgruppe treffen und darüber sprechen, wie Angehörige von pflegebedürftigen Menschen finanziell entlastet werden können. Sie wird pünktlich wieder in ihrem Büro sein.
 

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