Interview mit UBERMORGEN  NFT NFT NFT?!

The D1ck, UBERMORGEN
The D1ck, UBERMORGEN © UBERMORGEN

NFT NFT NFT?! Was das mit Kunst zu tun hat, wo die Kunst da stattfindet oder was Kunst in diesen neuen Kontexten überhaupt sein soll oder wird, ist völlig unklar, aber es lohnt es sich in dem Kontext zu den aktuellen AI/ML-Technologien (Künstliche Intelligenz und Machine Learning) zu schauen. Ein Gespräch mit den Künstler*innen hinter The D1cks und anderer Crypto-Kunst.

yì magazìn: Vielleicht starten wir mit Euren NFTs (Non-Fungible-Token), den D1cks, um uns dem Thema der NFTs anzunähern. Dicks und NFTs sind vorherrschende Dinge im Internet. Warum sind diese NFTs gerade der „Burner“?

UBERMORGEN: Ein NFT ist wie eine „einzigartige” Dollar-Note. Jede Dollar-Note hat eine eigene Seriennummer, und da NFTs aber sogenannte Non-Fungible Tokens (NFT) sind, besteht die Vorstellung, dass diese eben nicht austauschbar sind. Das stimmt aber aus meiner Sicht nicht wirklich, denn im Cryptospace verschwimmen diese Grenzen zurzeit.

Denn NFTs sind „The Currency” (vgl. Damien Hirst Projekt ‚The Currency’). Meine Partnerin im UBERMORGEN Artist-Duo, lizvlx (Liz Haas), veröffentlichte monatelang täglich „Do Not Buy This NFT” NFTs, die waren und sind quick and dirty Outputs von shit quality bis high-end, und das komplett random und unnachvollziehbar. Es ist also unklar, ob diese „Werke” wertvoll, trash oder irgendwo dazwischen anzusiedeln sind.

Was aufjedenfall passierte, wenn jemand was davon kauft, dann werden diese „Collectors” mit negativen Shoutouts bestraft, denn die Aufforderung diese NFTs nicht zu kaufen, ist im Titel der Serie eindeutig erkennbar und wir erwarten eigentlich, dass sich die Menschen daran halten. Eines dieser NFTs war dann zufälligerweise (oder nicht) ein D1ck. Dieser weist dieselbe Pixelanzahl und Farbpalette wie die CryptoPunks auf. Und auf einmal war das Interesse groß und viele Bestellungen sind reingekommen. Da unsere D1cks handmade sind und es einen ziemlichen Zeitaufwand bedingt, einen D1ck zu produzieren, ist die Anzahl äußerst limitiert.

Mittlerweile haben Institutionen und private Sammler schon zugeschlagen und sie werden auch in Auktionen angeboten. Die D1cks sind cross-chain zu haben, auf Bestellung, völlig undogmatisch aber auch unsicher, denn es ist nicht klar, ob du dann deinen D1ck auch wirklich bekommst oder nicht. The D1ck #1371, UBERMORGEN The D1ck #1371, UBERMORGEN | © UBERMORGEN Das Peng! Kollektiv wollte mit dem Verkauf von NFTs ein „golden visa“ für eine geflüchtete Familien auf Lesbos kaufen (Kapitalismus meats Nationalismus). Kunstauktion mit einem sozialen Touch also. Werden NFTs den Kunstmarkt demokratisieren und zugänglicher machen? Und wer oder was ist eigentlich genau dieser Kunstmarkt heute?

Es gilt zu unterscheiden zwischen objektbasierten NFTs, welche zurzeit den digitalen Kunstmarkt in einer Hybris überschwemmen, und einigen spezifischen digitalen Kunstformen, wie zum Beispiel „Generative Kunst”, diese gibt es seit den 1960er Jahren und hat bereits schon in den 1990er Jahren eine Neuorientierung gefunden. Heute ist diese Kunstform prädestiniert für den NFT-Markt und hat 2021 wie die Faust aufs Auge in die Kryptowelt der CryptoBros aber auch intelligenterer Sammler (kaum Frauen) gepasst.

Dazu kommen die ganzen Comic-, Illustration-, 3D-, Game- und weitere Designer, die durch den NFT-Markt plötzlich eine weitere finanzielle Einkommensquelle erhalten. Für radikalere Kunst, Konzeptkunst und subversivere Formen ist wenig bis gar kein Platz, oder besser gesagt, die Form und der Inhalt sind nicht mit den Sammlern und deren Ideologie, oder den Flippern und deren Spekulationsstrategien kompatibel. Glücklicherweise eigentlich, denn der Markt ist nach wie vor äußerst primitiv, direkt und brutal.

Hier schließt für mich auch Peng! mit dem „Golden NFT/Visa” Projekt an, auch dieses primitive und brutale Projekt macht wenig Sinn, außer die Peng! Brand zu pushen mit dem Versuch sich im Crypto-Kontext zu positionieren und den 2021er Hype zu nutzen. Ich hoffe, es glaubt nicht ernsthaft irgendjemand, dass das irgendwas bringt. Fuck Charity Tournament Competition White Savior Complex! Anyway, zurück zum Kunstmarkt. Die Gatekeeper haben sich in dem Feld etwas geändert, die prozentuale Verteilung kaum, aber auch im objektbasierten Kunstmarkt ist nicht viel Neues los, im Gegenteil, es scheint so, als würde das Schisma dazu führen, dass der konventionelle Kunstmarkt konservativer denn je geworden ist und heute sind nur Skulpturen und Malerei auf den Messen. Vor zehn Jahren waren noch viel mehr Videos, digitale Kunst und Installationen zu sehen.

Im Kryptobereich passieren zur Zeit radikale Veränderungen, wir verstehen sie nur teils noch nicht. Smart Contracts sind die Grundlage all dieser Innovationen, eben NFTs, vor allem aber DAOs (Decentralized Autonomous Organization, wobei das D für dezentral eigentlich zu streichen ist, da es unzutreffend ist), und auch eigene Coins and Currencies (Währungen) werden unsere Welt nachhaltig verändern. Mächtige „Cryptoorganisationen und -strukturen” werden die Macht von Google, Apple, Facebook und Amazon beschneiden und mittelfristig auch übernehmen. Was das mit Kunst zu tun hat, wo die Kunst da stattfindet oder was Kunst in diesen neuen Kontexten überhaupt sein soll oder wird, ist völlig unklar, aber es lohnt es sich in dem Kontext auch direkt zu den aktuellen AI/ML-Technologien (Künstliche Intelligenz und Machine Learning) zu schauen.

Crypto ist kontra-intuitiv, gerade im Kontext zum abgespaltenen konventionellen Kunstmarkt, in dem es oft um Geldwäsche, Steuerflucht und sicheres parkieren von Geld geht. Dieser Kunstmarkt mag Transparenz überhaupt nicht, im Gegenteil.

Bei den NFTs ist ja alles trackable, rekonstruierbar, kollektiv einsehbar, dezentral. Ist das eine Art und Weise, über uns als Individuum und Gesellschaft nachzudenken und zu reflektieren?

Crypto hat nichts mit Dezentralität zu tun, das ist eine Mär, eigentlich eine Lüge, da diese initial mit Intention verbreitet wurde. Denn bei und hinter allem stehen Gatekeeper, Plattformen und Räume, bei denen du dich anmelden musst, die Softwaresnipplets und Frameworks im Rennen haben. Und auf diesem Secondary Market geht es primär darum, spekulatives Investment mit Kunst zu machen. Das kann dem Markt zuträglich sein, für die Künstler:innen (im Cryptobereich sind es vor allem weiße Dudes) kreiert das aber ungewollte Volatilität. Crypto ist kontra-intuitiv, gerade im Kontext zum abgespaltenen konventionellen Kunstmarkt, in dem es oft um Geldwäsche, Steuerflucht und sicheres parkieren von Geld geht. Dieser Kunstmarkt mag Transparenz überhaupt nicht, im Gegenteil. Zudem sind NFTs die logische Konsequenz von Social Media, ohne Instagram und TikTok gäbe es diese Märkte überhaupt nicht. Dort findet also die nächste Stufe der Kommerzialisierung von Social Media statt.

Nur als Beispiel, die NBA (National Basketball Association) macht da bereits viel und nutzt deren Reichweite, um NFTs zu verkaufen. Sie bringen Editionen von Kobe Bryants Dunks heraus, die teilweise bis zu 300.000 Euro kosten. Trotzdem werden hier alle Käuferschichten angesprochen und es gibt auch große Auflagen bei dem einzelnen NFTs sehr „affordable” sind.

Die Transaktionen, die Ledger-Speicherung kann nicht umgeschrieben werden, ist für immer festgehalten. Ist das als Gegentrend zu Social Media zu sehen: Posts, die verschwinden, kurzlebiger sind?

Das ist eine Fiktion des Digitalen, dass alles permanent ist. Es stimmt, es ist permanent, und schwierig, Zeug zu entfernen. Es gibt ja auch das Recht auf Vergessen und das Recht zu sterben, was Menschenrechtler:innen eben auch im Digitalen fordern, denn das Leben ist nun mal vergänglich. Da sprechen wir dann schnell von Regulierung des Marktes. Schauen wir auf den NFT-Markt und die Blockchains, dann sehen wir keinerlei Regulierung. Anders aber auf dem chinesischen Markt.

Was ist dort passiert?

China hat den größten Teil des weltweiten Bitcoin Minings beherbergt. Von Zentralchina (Kohlekraftwerke) sind die Mining Facilities weitab jeglicher sonstiger Infrastruktur weit oben in den tibetanischen Bergen ansässig geworden, da der Strom aus Wasserkraftwerken ein paar fēn günstiger waren. Ganze Fabriken wurden so transferiert.

UBERMORGEN hat 2015 dazu das Projekt „Chinese Gold” gemacht, da ging es um die gigantischen Bitcoin Mining Fabriken und diese Migrationsstorys.

2021 hat dann die chinesische Regierung mit harten Mitteln durchgesetzt, dass jegliches unreguliertes Crypto Mining aufhören muss. Der Markt ist dann zum Teil nach Kasachstan umgezogen. Dort hat die Regierung mit billigem Öl aus Russland die durch das Mining verursachten Probleme im nationalen Stromnetz auszugleichen versucht. Eine komplett krank-absurde Idee der kasachischen Politik war es dann vor kurzem, ein Atomkraftwerk zu bauen, um den Energiebedarf von Crypto zu decken und gleichzeitig damit die Stromversorgung zu stabilisieren.

Eines der größten Probleme in diesen technologischen Ökosystemen ist die fehlende staatliche oder supranationale Regulation.

Warum?

Wir müssen im Hinterkopf behalten, dass der Großteil der Crypto-Szene rechts libertär bis rechtsextrem ist. Das sind dann faschistische white-supremacy nerds, weirde betrügerische Investoren. CryptoBros. Achtung, natürlich gibt es auch verschiedene wirklich coole und intelligente Cryptoart-Szenen, die sich austauschen und kollektiv produzieren, sich vernetzen und neue Räume und Konzepte schaffen.

Eines der größten Probleme in diesen technologischen Ökosystemen ist die fehlende staatliche oder supranationale Regulation. In allen möglichen Feldern der Biotechnologie und Mobilität wird national äußerst hart reguliert, sinnvollerweise. Nur Social Media, Mobile Apps, Crypto und verwandte Bereiche praktizieren einen Level an Laissezfaire, der an Dummheit und Verantwortungslosigkeit kaum zu übertreffen ist. Es scheint so zu sein, dass wir uns weniger bedroht fühlen von AI, Crypto und Social Media als von Stammzellenforschung, pränataler Diagnostik und Cloning. Das ergibt keinen Sinn, denn die globalen Kommunikationssysteme (Internet) sind Ökosysteme, an die ein großer Teil der Menschheit direkt angeschlossen ist (Mobile Phones etc.). Dadurch machen wir uns extrem verletzbar und sind auch schon teils Opfer von außer Kontrolle geratenen Technologien. Nur sehen wir das nicht. 

Können wir die digitalen Strukturen ins Physische übertragen?

Wir leben nicht in einer gespalteten Welten, sondern in einer Welt. Es gibt keine Alternative zur kognitiven Ebene, es gibt nur eine Schnittstelle in unsere Körper hinein, alles andere ist eins. Das müssen wir dringend verstehen! Digitale Objekte sind dasselbe wie physische Objekte, sie sind nur in anderen Räumen angesiedelt.
UBERMORGEN (AT/CH/US, 1995) artist duo: Autistic actionist lizvlx & pragmatic visionary Luzius Bernhard are net.art pioneers, recognized for Haute Couture NFTs, Dark Tech, Binary Primitivism & Conceptualism; Artfacts calls them ‘Ultra Contemporary’.
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https://www.ubermorgen.com/UM
Die Fragen stellte Silvan Hagenbrock.

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