In der Serie "Mutter* und andere Zustände - Ein Mikro-Fokus auf aktuelle Kunst zum Thema Mutterschaft" stellen wir Ihnen 3 Künstlerinnen vor, die aus unterschiedlichen Perspektiven und mit verschiedenen Materialien ihre Sicht und ihr Erleben von Mutterschaft in ihrer Kunst zeigen, Tabus brechen und so gleichzeitig mit veralteten Geschlechterrollen aufräumen.
------
Untitled (Feeding Through Space and Time) (Detail), 2022, Image Credit: Ani Liu
Ein rhythmisches Geräusch erfüllt leise den Raum, eine helle Flüssigkeit bewegt sich im stetig gleichen Rhythmus durch Plastikschläuche. Es ist eine handelsübliche Milchpumpe, wie sie unzählige Frauen weltweit täglich verwenden, um ihren Babys Milch geben zu können, wenn sie selbst gerade nicht anwesend sind. Diese Arbeit der amerikanischen Künstlerin Ani Liu trägt den Titel „Untitled (Feeding through Space and Time)“ aus dem Jahr 2022 zeigt zum einen die schiere Menge an Milch, die der Körper der Künstlerin in den Monaten nach der Geburt in einem Monat produzierte. Zum anderen thematisiert die Ani Liu damit auch die widersprüchliche Freiheit, die Frauen durch die Erfindung der Milchpumpe zuteilwurde. Denn die Pumpe ermöglich es früher wieder zu arbeiten, früher das Kind in die Obhut anderer zu geben. Diese Möglichkeit ist für viele ein zweischneidiges Schwert, denn häufig stehen im Alltag, im Büro und in der Öffentlichkeit keine guten Infrastrukturen zur Verfügung, um abzupumpen.
Ani Liu hat sich in einer Reihe von Arbeiten mit dem Thema Schwangerschaft, Stillen und Care-Arbeit auseinandergesetzt. Besonders prägnant ist die Installation „Labor of Love“. Hier schafft es die Künstlerin auf einen Blick die erdrückende Last der aufgewendeten Arbeitszeit zu visualisieren, die es braucht sich um ein Neugeborenes zu kümmern. So gelingt es Liu die alte Mär von der ruhigen, erholsamen, urlaubsgleichen Zeit des Mutterschutzes zu demontieren. Die Künstlerin sagt in einem Interview: „Wir leben in einem gesellschaftlichen Mythos, demzufolge der Wert einer Person an ihrem wirtschaftlichen Wert gemessen wird. Meine Mutterschaft hat mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, wie die historische Abwertung der Arbeit von „Frauen“ eine weitere Form der kapitalistischen, biopolitischen Kontrolle ist. Die Arbeit der Mutterschaft ist sehr real und wesentlich für das Wohl des Kindes, der Familie, der Wirtschaft und der Gesellschaft.“
Ani Liu ist eine international arbeitende Künstlerin, die an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft arbeitet. In ihren Arbeiten untersucht Ani Liu die wechselseitigen Beziehungen zwischen Wissenschaft und Technologie sowie deren Einfluss auf Kultur und Identität. Zu den wiederkehrenden Themen ihrer Arbeit gehören Geschlechterpolitik, Biopolitik, Arbeit, Reproduktion, Simulation und Sexualität. Ani hat international ausgestellt, unter anderem auf der Venedig Biennale, auf der dArs Electronica, der Queens Museum Biennale, im Kunstmuseum Basel, dem MIT Museum, Mana Contemporary, der Harvard University und der Shenzhen Design Society. Anis Arbeiten wurden in der New York Times, Art in America, National Geographic, VICE, Mashable, Gizmodo, Hyperallergic, TED, PBS, FOX und WIRED veröffentlicht. Ani hat einen B.A. vom Dartmouth College, einen Master of Architecture von der Harvard Graduate School of Design und einen Master of Science vom MIT Media Lab.
