Vorträge mit anschliessendem Gespräch
Intelligenz im Dienste der Intelligenz

Visual 15a Edição Seminário Internacional Biblioteca Viva 2024
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Bibliotheken im Zeitalter der KI: ein Panorama aus Frankreich und Deutschland

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Nach zwei Impulsvorträgen von Anne Kasprzik (Deutschland) und Jean-Philippe Moreux (Frankreich) werden in dem von Pierre André Ruprecht (SP Leituras) moderierten Gespräch konkrete Beispiele für den Einsatz künstlicher Intelligenztechnologien in Bibliotheken und deren Dienstleistungen für das Publikum erörtert.

Anna Kasprzik: Zwischen Hype und heiligen Kühen – Künstliche Intelligenz in Bibliotheken am Beispiel der Inhaltserschließung

Mit dem Aufkommen von generativer KI und darauf aufgesetzten kommerziellen Anwendungen wie ChatGPT ist der Hype um die Künstliche Intelligenz in der Öffentlichkeit jüngst erneut in Schwung gekommen. Das Ende des letzten KI-Winters liegt jedoch schon über ein Jahrzehnt zurück, und in diesem Zeitraum sind auch im Open-Source-Bereich eine Vielzahl an implementierten Machine-Learning-Methoden entstanden, die tatsächlich einsetzbar sind – auch und gerade an Bibliotheken.
Ein Beispiel: Die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft betreibt seit 2016 eigene angewandte Forschung im Bereich Machine Learning mit dem Zweck, praktikable Lösungen für die Automatisierung der Inhaltserschließung zu entwickeln. 2020 begann ein Team an der ZBW die Konzeption und Implementierung einer Softwarearchitektur, die es ermöglichte, diese prototypischen Ansätze in einen produktiven Dienst zu überführen. Der AutoSE-Dienst läuft nun seit Mitte 2021 und wird kontinuierlich weiterentwickelt. Aus diesem Praxisbeispiel lassen sich bereits einige notwendige Bedingungen ableiten, um Machine-Learning-Lösungen für die Inhaltserschließung erfolgreich an einer Informationsinfrastruktureinrichtung einsetzen zu können.

Mit Blick auf die rasante Entwicklung im Bereich des Deep Learning in den letzten Jahren stellen sich allerdings eine Reihe spannender Fragen und Herausforderungen: Werden Large Language Models (LLMs) die Inhaltserschließung obsolet machen? Werden Metadaten insgesamt obsolet werden? Oder bietet sich gerade jetzt eine umso größere Chance, Bibliothekskernaufgaben wie Erschließung und Suche neu zu denken und nachhaltig mit diesen disruptiven Technologien zu verzahnen? Welche Voraussetzungen in Bezug auf Ressourcen, Kompetenzen, Workflows und Mindsets müssen wir dafür schaffen?

Anna Kasprzik promovierte in theoretischer Informatik und koordiniert die Automatisierung der Sachverschlagwortung mittels Methoden des maschinellen Lernens am ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. Studium der Computerlinguistik, Informatik und kognitive Psychologie. Mitarbeit an IT-Projekten für die Bayerische Staatsbibliothek und das Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften (TIB). Ihre Interessen umfassen verschiedene KI-Ansätze, semantische Technologien, Modelle des maschinellen Lernens und die Frage, wie diese beiden Zweige für Zwecke der Wissensorganisation sinnvoll integriert werden können.
 

Jean-Philippe Moreux: ANWENDUNGEN VON KI IM BEREICH des Kulturerbes, VON DER DIGITALISIERUNG BIS ZUR VERBreitUNG

Die Nationalbibliothek Frankreichs (BnF) begann Anfang 2010 im Rahmen europäischer Forschungs- und Entwicklungsprojekte, die sich hauptsächlich auf die Dematerialisierung von Kulturerbedokumenten konzentrierten, mit KI zu arbeiten. Doch das Aufkommen von Deep Learning hat das Panorama bezüglich des Potenzials, das diese neuen technischen Ansätze bieten, verändert und den Umfang der Geschäftsbereiche und Dienstleistungen für betroffene Benutzer erweitert. Derzeit experimentiert der Kulturerbesektor weiterhin mit diesem Ansatz und verzeichnet sogar einige konkrete Erfolge. Diese Präsentation bietet einen Überblick über die jüngsten Veränderungen in diesem Bereich anhand des Feedbacks einer Nationalbibliothek zu ihren eigenen Aktivitäten und denen ihrer Schwesterinstitutionen.

Jean-Philippe Moreux ist Leiter der KI-Mission der Abteilung Dienste und Netzwerke der französischen Nationalbibliothek.Nach seinem Abschluss als Ingenieur an der INSA Toulouse (IT) trat er 2012 als Spezialist für OCR und redaktionelle Formate für den Digitalisierungsdienst in die Nationalbibliothek ein. Im Jahr 2018 wurde er wissenschaftlicher Referent für Gallica in der Abteilung für Zusammenarbeit. Vor seinem Eintritt in die Nationalbibliothek war er IT-Projektleiter und Redaktionsleiter bei einem wissenschaftlichen Verlag und Berater (redaktionelle IT, wissenschaftliche Redaktion).Er arbeitet an Produktionsprogrammen und der Aufwertung des digitalen Erbes der BnF und beteiligt sich an Forschungsprojekten zu diesen Themen. Sein besonderes Interesse gilt den Anwendungen von KI in der Kultur- und Kreativwirtschaft, der Digitalisierung und Aufwertung historischer Ressourcen sowie Forschungsdienstleistungen für die Digital Humanities.

Details

Sprache: Deutsch, Französisch und Portugiesisch mit Simultanübersetzung


Diese Veranstaltung ist Teil der Veranstaltungsreihe Künstliche Intelligenz: Wege zu Innovation, Zusammenarbeit und Inklusion.

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