Von Essen und anderen Abenteuern

Von Essen und anderen Abenteuern © Moritz Kneuer

Eine Erkundung des reichen kulinarischen Erbes Old Dhakas

Dhakas Altstadt hat mich schon immer fasziniert. Das Geflecht aus engen Straßen, die kaum breit genug sind, damit Rikschas durchfahren können, die historischen Häuser, die stolz zwischen den modernen Bauklötzen stehen, und die Märkte, auf denen Kurkuma kiloweise verkauft wird machen den Charme von Old Dhaka aus. Sie waren es, die mich dazu brachten, mich in diese Welt vor meiner Haustür zu verlieben. Und natürlich war da noch etwas anderes. Das Essen. Nichts ist vergleichbar mit den riesigen silbernen Kesseln, die bis zum Rand mit dampfendem Biryani gefüllt sind, oder dem erfrischenden Geschmack eines frisch geschüttelten Lassis. Mit Hilfe der Old Dhaka Food Map habe ich mich auf meine jüngste Expedition begeben, um die kulinarischen Schätze aufzuspüren. Ich habe mich in die alteingesessenen Lokale begeben, in denen seit Jahrhunderten köstliche Gerichte serviert werden, und bin mit einer Fülle von Eindrücken und Erinnerungen aus Old Dhaka zurückgekehrt.

Old Dhaka Straße © Goethe-Institut/ Snigdha Sultana

Eintritt in eine neue Welt

Als ich die Autotür öffnete, wurde ich durch die sengende Hitze und das Hupen der Autos in die Realität zurückgerissen. Ein Teil von mir wollte sich in den Komfort meines klimatisierten Autos zurückziehen und wieder nach Hause fahren. Doch etwas hatte sich verändert, seit ich vor einer Stunde ins Auto gestiegen war. Anstelle der verstopften sechsspurigen Straßen sah ich nun bunte Rikschas durch die engen Straßen brausen. Obwohl ich nur 10 km zwischen meinem Zuhause in Neu-Dhaka und der Altstadt von Dhaka zurückgelegt habe, könnten die beiden Orte nicht unterschiedlicher sein.

Old Dhaka Straße © Goethe-Institut / Snigdha Sultana

​​​​​​​Während ich mich an meine neue Umgebung gewöhnte, musste ich lange darüber nachdenken, warum ich hierher gekommen war. Die drückende Hitze verlangsamte meine Gedanken. Mein knurrender Magen erinnerte mich daran, dass es das Versprechen des kulinarischen Erbes von Old Dhaka und die köstlichen Gerichte waren, die mich hierher gelockt hatten. Ein Händler, der mit prall gefüllten Säcken voller Zwiebeln und Knoblauch an mir vorbeirauscht, reißt mich aus meinen Fantasien über ein kühles Getränk und ein deftiges Mittagessen. Ich werde daran erinnert, dass ich das Privileg habe, hier zu sein, um neue Speisen auszuprobieren, anstatt unter der brennenden Sonne zu arbeiten. Ich gelobe, meine Mahlzeiten mehr zu schätzen und den immensen Aufwand anzuerkennen, der für die Herstellung der Zutaten betrieben wird, die ich konsumiere.

Obwohl ich die letzten sechs Monate in Dhaka verbracht habe, ist das alte Dhaka nach wie vor von Geheimnissen umgeben. Es gibt eine gewisse Aufregung, die mit einem Besuch in der Altstadt einhergeht, die von der Ungewissheit ausgeht, was einen erwartet. Sicher ist nur, dass es ein Fest für die Sinne sein wird. Wie die meisten war auch ich in der Altstadt von Dhaka gewesen, um einige der ältesten und schönsten Gebäude Bangladeschs zu besichtigen und über die Großmärkte zu schlendern. Ich war jedoch noch nie in Old Dhaka gewesen, um einfach nur die Lokale zu erkunden. Doch das sollte sich an diesem Tag ändern.

Absichtlich Verloren

'Die Old Dhaka Food Map sollte mein erster Eintrittspunkt in eine Welt der Getränke, Gewürze und köstlichen Gerichte sein. Sie führt durch die verlockende Welt der Küche von Old Dhaka und stellt 20 der besten Lokale und Getränkeläden vor.'

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Old Dhaka Straße © Moritz Kneuer Ich war dankbar dafür, die Karte zu haben, denn bisher war die Entscheidung für eines der vielen Lokale in den Straßen reine Glückssache, die in Enttäuschung enden konnte. Nach einem kurzen Blick auf die Karte entschied ich Beauty Boarding als erstes anzusteuern, da es eines der wenigen Lokale ist, das vegetarische Gerichte anbietet.

Ich hatte es nicht besonders eilig und beschloss, zu Fuß zu Beauty Boarding zu gehen, was sich jedoch als viel schwieriger erwies als erwartet. Zumindest für einen Ortsfremden hat die Altstadt von Dhaka erschreckende Ähnlichkeit mit einem Labyrinth. Die zahllosen Abzweigungen, Seitenstraßen und Sackgassen konnten unmöglich von der Food Map erfasst werden, und so wurde es zur Gewohnheit, mich zu verlaufen.Meine anfängliche Frustration darüber wich bald der Akzeptanz und sogar der Freude. Jede falsche Abzweigung brachte neue Hindu-Tempel und alte Mogulgebäude zum Vorschein, die es zu bestaunen galt. Auch wenn letztere sichtlich in die Jahre gekommen sind, sind sie doch wunderschöne Zeugnisse vergangener Epochen.

So wie die Gebäude ihre Geschichten über die Menschen und der Altstadt zu erzählen haben, so ist es auch mit dem Essen.

'Hier ist Essen nicht nur Nahrungsquelle, sondern auch ein Spiegelbild der Kultur, der Geschichte und der Gemeinschaftswerte der Region. Die kulinarischen Traditionen des alten Dhaka tragen die unverkennbaren Spuren der Hindu-Könige und Mogul-Kaiser, die von 1095 bis 1793 regierten.'

Auf dem Gewürzmarkt © Moritz Kneuer Der opulente Lebensstil und der verfeinerte Geschmack der Moguln brachten ein reiches Repertoire an Gewürzen und Kochtechniken mit sich. Die hinduistischen Herrscher steuerten aromatische Reissorten und vegetarische Gerichte bei, so dass sich eine faszinierende Mischung von Geschmacksrichtungen und Aromen ergab.

Vor einem Teller Biriyani sind alle gleich

Beauty Boarding hätte ich vielleicht gänzlich übersehen, wäre da nicht der gute Wille einiger Ladenbesitzer gewesen, welche mir die Richtung wiesen. Versteckt hinter einem kleinen Tor war Beauty Boarding ein willkommener Zufluchtsort nach einer fesselnden, aber anstrengenden Reise. Während ich Minuten zuvor noch gefährlich schnellen Rikschas ausweichen musste, fand ich mich plötzlich in einem grünen und ruhigen Innenhof wieder.

Während ich mir eine Portion köstliches Khichuri mit schmackhaften vegetarischen Beilagen hingebe, beobachte ich ein ständiges Kommen und Gehen von Menschen aus aller Gesellschaftsschichten.

'Das unwiderstehliche Aroma von Biriyani oder Polao durchdringt zwangsläufig alle sozioökonomischen und religiösen Grenzen und lockt jeden tagein tagaus in dieselben Restaurants. Schließlich ist es nur Essen, das einen dazu verleiten kann, einen Tisch mit Menschen zu teilen, mit denen man sonst nicht zusammenkommen würden.'

Geleitet von diesem Gemeinschaftssinn werden auf der Old Dhaka Food Map nur Lokale aufgeführt, die zum Gedeihen und zur Erhaltung des Viertels beigetragen haben. Sie ist eine Hommage an die kleinen Bakarkhani-Läden an der Ecke anstatt an die bekannten Restaurants, die quer durch die Stadt Filialen eröffnet haben.

Am Ende meines Essens hatte mich die Schönheit Beauty Boardings übermannt, und ich wäre gerne noch den Rest des Tages geblieben. Doch als ich die Food Map entfaltete, wurde mir klar, wie viel ich noch zu entdecken hatte. Ich würde noch viele Besuche brauchen, um alle Lokale auszuprobieren. Aber für den Moment würden ein Lassi und ein Süßwarenladen genügen müssen. Der Gedanke an einen kalten, wohltuenden Lassi machte den Abschied von der Ruhe des Innenhofs von Beauty Boarding erträglich.

Mann beim Curshen von Eis vor der Zubereitung von Lassi © Moritz Kneuer Nach ein paar weiteren Irrwegen kam ich gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein Kellner das Eis für meinen Lassi zerkleinerte. Das war keine Kleinigkeit, denn der Eisblock glich einem Schuhkarton, während sich das Eis in meinem Lassi wie flockiges Meersalz auf meiner Zunge auflöste. Als ich im hinteren Teil des Lassi-Ladens saß und die perfekte Mischung aus Joghurt, Eis und Gewürzen genoss, überkam mich ein Gefühl der Müdigkeit und Ruhe. Obwohl ich nur ein paar Stunden in Old Dhaka verbracht hatte, kam mir der Moment, in dem ich das klimatisierte Auto verlassen hatte, wie vor Tagen vor. Aber ich hatte den Drang, weiterzugehen, die Altstadt von Dhaka weiter zu erkunden.

Gedankenverloren schlenderte ich erneut durch die Straßen. Der Süßwarenladen meiner Träume offenbarte sich mit Regalen voller sirupgetränkter Jilapi und dekadenter Roshogolla. Die unvergleichliche Auswahl an Süßigkeiten zeugt von der Offenheit und Gastfreundschaft der Menschen, die Old Dhaka ihr Zuhause nennen. Ein Karton voller verschiedener Süßigkeiten ist das Mindeste, was man seinem Gast mitbringen kann, wenn man in sein Haus eingeladen wird. Und glaubt mir, man wird oft eingeladen. Sehr oft. Mit einer Sammlung meiner Lieblingssüßigkeiten in der Hand beschließe ich, dass es Zeit ist, nach Hause zu gehen.

Heimkehren

Vieles an diesem Tag fühlt sich verschwommen an und es kann eine Weile dauern, bis ich mich an alle Einzelheiten erinnere. Die Hitze und der Lärm trugen unweigerlich ihren Teil dazu bei, dass die Ereignisse des Tages ineinander übergingen. Doch viel wesentlicher waren die vielen Eindrücke, Erfahrungen und das Essen. Ich freue mich darauf, mich in den kommenden Tagen an meine Stunden in Old Dhaka zu erinnern und sie aufs Neue zu erleben. Es gibt noch unzählige Lokale und Orte, die es zu erkunden gilt. Jeder, der sich für gutes Essen und Kultur interessiert, kann dazu beitragen, das Bewusstsein und die Wertschätzung für die verschiedenen Geschmäcker von Old Dhaka zu fördern.


Autor

Moritz Kneuer © Moritz Kneuer
Moritz hat gerade seinen Bachelor in Internationalen Beziehungen abgeschlossen und absolviert derzeit ein Praktikum in Bangladesch. Seine Leidenschaft für Essen und neue Begegnungen hat ihn immer wieder nach Old Dhaka geführt. Die Reisen in diese einzigartige Welt haben ihn in neue Kulturen und Lebensstile eingeführt. Mit seinem Schreiben möchte Moritz etwas von der Essenz des alten Dhaka einfangen und es denjenigen zugänglich machen, die es noch nie besucht haben.


 

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