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Berlinale-Blogger*innen 2024
Berliner Schule mal anders

Melia Kara in „Ellbogen“ (2024). Regie: Aslı Özarslan
Melia Kara in „Ellbogen“ (2024). Regie: Aslı Özarslan | Foto (Detail): © Haydat Tastan, Achtung Panda!

Übertrieben gut: „Sieger sein“ und „Ellbogen“, zwei sehr unterschiedliche Filme aus dem Berliner „Problembezirk“ Wedding, mit starken Protagonistinnen.

Von Philipp Bühler

„Diese Schule ist einfach eine Vollkatastrophe.“ Mona, eben erst aus Syrien nach Berlin geflüchtet, hat da eine klare Meinung. Vielleicht war es ja nach den gefeierten Schulfilmen der letzten Berlinalen an der Zeit, ein realistischeres Bild vom deutschen Schulwesen zu zeichnen. In Das Lehrerzimmer (İlker Çatak, D 2023), vom Wettbewerb schmählich übersehen und mittlerweile auf Oscar-Kurs, war doch alles ganz in Ordnung. Herr Bachmann und seine Klasse (Maria Speth, D 2021) präsentierte uns einen Vorzeigepädagogen, der aus Schülerinnen und Schülern verschiedenster Herkunft eine verschworene Gemeinschaft formte.

Genau das klappt in Sieger sein (D 2024), eine sehr lustige Schulkomödie von Soleen Yusef, überhaupt nicht. Obwohl es mit dem engagierten Lehrer Herr Che – er trägt einen ulkigen Anarcho-Ohrring und heißt natürlich nicht so – auch so einen Bachmann gibt. Aber der verzweifelt an denselben Dingen wie Mona: die bockigen Schüler, der Lehrkörper und dessen angestaubte Lehrmethoden – es ist einfach nur zum Weglaufen.

Schlichte Handlung, coole Sprache: Mona mischt den Wedding auf

Monas Schule liegt in Berlin-Wedding, ist migrantisch geprägt wie der ganze Stadtteil. Als „Flüchtling“ hat die 11-jährige Kurdin hier einen besonders schweren Stand. Da trifft es sich, dass Mona „übertrieben gut“ Fußball spielt. Eine zugegeben schlichte Handlung nimmt ihren Lauf, in der Trainer Che seine spinnefeinden Fußballerinnen am Ende doch zu einem funktionsfähigen Team macht. Gefallen hat mir an diesem Film die zweifellos authentische Jugendsprache. Safe! Cringe! Ich schwöre! „Mies gut“ ist aber auch Monas Botschaft, dass Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie nicht selbstverständlich sind. „Manche sterben dafür!“ Ihre Tante kämpft im kurdischen Widerstand, sie weiß, wovon sie spricht.

Ausgrenzung und Flucht nach Istanbul: Hazals Wut

Sieger sein eröffnete am Freitag die Kindersektion Kplus. In Generation 14plus, dem Segment für ältere Jugendliche, startete außerdem Ellbogen (D/TR 2024). Vielleicht ist es ja dem „Publikumsfestival“ geschuldet, dass viele deutsche Filme auch in diesem Jahr vor Ort angesiedelt sind. Aslı Özarslans Drama spielt sogar ebenfalls im Wedding, der hier wesentlich düsterer erscheint. Die Deutschtürkin Hazal scheitert an denselben Problemen, die den Mädchen in Sieger sein vielleicht noch bevorstehen: kein Zugang zur Ausbildung, kein Eintritt im Club selbst an ihrem Geburtstag, Ausgrenzung. Eines Nachts entlädt sich Hazals Wut in Gewalt, sie flieht nach Istanbul. Hier bemerkt man zwar ihren Akzent und die naive Haltung der „Deutschländerin“ zur Unterdrückung der Kurden. Dafür kennt sie Berlin („Wedding? Auch ein interessantes Viertel.“) nicht nur aus der Touristenperspektive.

Es spricht sehr für das migrantische deutsche Kino, dass es solch ambivalente und starke Heldinnen – die Hauptdarstellerin Melia Kara ist Teil eines großartigen Laienensembles – zulässt. Hoffentlich erfüllen die Erwachsenensektionen, was die Jugend verspricht.

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