Ans Schwarze Meer auf einer Jawa 350
109 Tage, 10 Staaten, 12.700 Kilometer auf einer Jawa 350 (Baujahr 1991): 560 Liter Benzin und 11,5 Liter Öl.
„Du bist wahnsinnig!“ Das hörte ich am häufigsten von den Leuten in meinem Umfeld, wenn ich ihnen von meinem Traum erzählte: eine lange Reise auf dem Motorrad, auf der ich die Ukraine und Russland besuchen würde.
Ich habe fürsorgliche Freunde, von denen einige zur Sicherheit nachfragten, ob ich wüsste, dass in der Ukraine Krieg herrsche und mir Angst einjagten, man würde mich in Russland für einen westlichen Spion halten. Auf meinen Traum hatte das keinerlei Einfluss. Je besser ich mich aber technisch auf die Reise vorbereitete, desto schwächer wurde mein Selbstbewusstsein. Als mein Vater drei Tage vor meiner Abreise bat, ich möge „um Himmels Willen“ nirgendwo hinfahren („Wozu soll das gut sein? Wohin soll das führen? Was musst du dir beweisen?“), war meine Laune am Tiefpunkt angelangt.
Nach mehreren durchwachten Nächten setzte ich mich am 10. Juni 2015 auf mein Motorrad, dem ich für die Reise einen Namen gegeben hatte: Karolinka. Leise und demütig fuhr ich vorbei an dem Schild „Na shledanou – Kraj Vysočina“ („Auf Wiedersehen – Kreis Böhmisch-Mährische Höhe“) und redete mir ein, ich würde nur ein wenig spazieren fahren. An der slowakisch-ukrainischen Grenze aber funktionierte diese Selbsttäuschung nicht mehr. Während der slowakische Zollbeamte erstaunt war, dass ich alleine in die Ukraine reise und auch noch auf einer Jawa, machten sie mir auf der ukrainischen Seite der Grenze sofort viel bessere Laune. Ich wurde von einer Gruppe Grenzbeamter umringt, die Karolinka voller Interesse betrachteten. Es kamen die Fragen, die ich während der Reise noch Millionen Mal hören sollte: woher, wohin, so weit auf einer Jawa? Als sie alles nötige wussten, sagte einer der Grenzbeamten: „Komm mit nach vorne, ich klär das für dich mit den Zöllnern.“ So löste sich das erste der zahlreichen Vorurteile auf, die mir zuvor begegnet waren: „Die Zollbeamten nehmen dir sofort an der Grenze alles weg!“ Ich entfernte mich vom Zollhaus und fuhr auf einen Berg hinauf. Das erste postsowjetische Land und meine erste Begegnung mit ihm. Angst, Misstrauen gegen jeden und Befangenheit.
Westukraine: Uschhorod, Lwiw, Riwne, Schytomyr
Ich fuhr nach Uschhorod und irrte durch die Straßen. Es war Abend und ich hatte noch keine Ahnung, wo ich schlafen würde. Also betrat ich ein Café und erkundigte mich nach Unterkünften. Ein junger Typ mit langen Haaren bot mir an, ich könne bei ihm übernachten. Sascha ist seit zwei Jahren mit der Schule fertig, arbeitslos. Seine letzte Anstellung verlor er: Er hatte als Kellner im Restaurant gearbeitet und einen Gast darauf aufmerksam gemacht, er spreche unkorrekt Ukrainisch. Patriot, Mitorganisator des Majdan in Uschhorod, Teilnehmer der Demonstrationen in Kiew – auch während der blutigen Tage, als auf dem Majdan oder Platz der Unabhängigkeit geschossen wurde. In Uschhorod verbrachte ich meine erste Woche in der Ukraine. Angst und Misstrauen waren komplett weg. In Lwiw, der größten Stadt in der Westukraine, hatte Sascha mir eine Übernachtung organisiert bei seiner Freundin Sonja. Ich bewunderte den Mut und die Selbstverständlichkeit, mit der diese zarte junge Künstlerin mich einige Tage lang bei sich wohnen ließ. Sie machte mich mit ihren Freunden bekannt und ich stellte fest, dass Lwiw eine Stadt voller engagierter und bemerkenswerter Menschen ist. Es kam mir vor, als sei ich in Prag oder Krakau. Die Stadt entfaltete ein angenehmes Nachtleben, Straßenmusiker spielten, die Leute trafen sich und tranken.
Entzückt war ich von den dortigen Anti-Kreml-Souvenir-Artikeln: Toilettenpapier und Fußabtreter mit dem Bild des russischen Präsidenten. Auf dem Platz Rynok ist die Minibierbrauerei Pravda, wo ein Bier gezapft wird mit Namen Putin Chuilo, wobei „chuilo“ ein derber Ausdruck für die männlichen Geschlechtsteile ist.
Ich machte mich auf in Richtung Osten, in das Städtchen Riwne. Dort lernte ich den tschechischen Brauer Přemek kennen, Betreiber einer großen Bierbrauerei. Přemek gab mir eine private Führung durch die Brauerei und lud mich zu sich nach Hause ein, wo er noch eine Hausbrauerei hat. Als einer, der selbst zu Hause eigenes Bier braut, war ich hier im Paradies.
Als ich wieder einigermaßen gerade gehen konnte, fuhr ich weiter in Richtung Kiew. In Schytomyr, dem Zentrum der Oblast Wolhynien, kam ich mit einem Motorradfahrer ins Gespräch, der bei mir anhielt, als ich gerade Pause machte. Wieder: woher, wohin, auf einer Jawa? Aber auch: „Komm mit mir, ich hab hier eine Hütte, wir können was trinken und quatschen.“ Viktor, ein stattlicher Mann in den Sechzigern, lebt schon seit dreißig Jahren in Sankt Petersburg. In Schytomyr ist er aber geboren und hat ein Haus geerbt, das er versorgt, wenn er Urlaub hat. In Russland nennen sie ihn „Hekal“ (abwertender Ausdruck für Ukrainer), in der Ukraine wiederum „Moskal“ (abwertender Ausdruck für Russen).
Er stellte Wodka, Gurken, Salz und Speck auf den Tisch und wir begannen zu trinken. Schon bei der ersten Runde verkündete er, er sei gegen Putins Politik und für die Ukraine. Ich wurde immer weniger kommunikationstauglich, er wurde immer hitziger. Der Höhepunkt war, dass er sich erhob und mit ernsthafter Stimme sagte: „Ihr müsst uns helfen. Ihr Tschechen macht das beste Bier auf der Welt, aber wenn ihr uns nicht helft, wird Putin nach Prag kommen und für ihn müsst ihr dann euer Bier brauen!“ Seine Frau beruhigte ihn zum Glück schnell wieder und wir konnten weiter buchat (saufen).
Kiew: Pilgern soll man helfen
Endlich Kiew! Mir war sofort klar, wohin ich als erstes wollte. Zum Platz der Unabhängigkeit, Majdan. Ich irrte durch die Straßen von Kiew. Die, auf der ich gerade fuhr, wurde immer schmaler, die Autos bogen ab in andere Straßen, ich aber fuhr weiter geradeaus. Plötzlich erschien vor mir ein kleines Denkmal aus Pflastersteinen, darum herum Fotos von einigen, die auf dem Majdan gestorben waren in den Wintertagen des Jahres 2014, weil sie dagegen protestierten, dass der Präsident Janukowytsch das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine nicht unterzeichnen wollte.
Ein kleines Stück weiter war noch ein kleines Denkmal aus Blechschildern. Der Weg ging bergab. Ich parkte Karolinka und ging zu Fuß die Straße hinunter. Denkmäler auf Schritt und Tritt. Sie bestanden aus Fotos, Helmen, Schildern, umsäumt von Pflastersteinen, überall Kerzen. Ich ging bis ganz hinunter, da öffnete sich vor mir der Majdan. Hotel Ukrajina, die Säule der Unabhängigkeit, das Gewerkschaftshaus, das während der Revolution angezündet wurde und derzeit bedeckt ist von einer Plane in den Farben der ukrainischen Flagge. Der Krieg ist noch immer ziemlich weit weg, aber eigentlich ganz nah.
Nachdem ich die Atmosphäre des Platzes der Unabhängigkeit aufgesaugt hatte, brach ich auf um einen bewachten Parkplatz für Karolinka zu suchen und eine Übernachtungsmöglichkeit für mich. Ohne Erfolg. Es war halb neun Uhr abends und ich saß unglaublich müde am Bordstein und freundete mich mit dem Gedanken an, Karolinka einfach eine Nacht auf der Straße stehen zu lassen, auch wenn es gefährlich ist. Ich weiß nicht mehr warum, aber ich drehte mich plötzlich um und sah auf dem Gebäude hinter mir ein Schild mit der Aufschrift Tschechisches Zentrum und einer Telefonnummer. Die könnten mir vielleicht…… nein, so ein Quatsch, was haben die mit mir zu tun, widersprach ich mir selbst. Ich saß weiterhin herum und rauchte. Weil mir aber wieder nichts einfiel, nahm ich das Telefon und rief an. Es meldete sich die Leiterin des Tschechischen Zentrums und ich erläuterte ihr meine Situation. Sie sagte, sie komme zu mir raus. Da kam Lucie, die sichtlich überrascht war. Ihre Reaktion ist unvergesslich: „Wenn unser Zentrum hier allen Touristen helfen müsste... Aber du bist ein Pilger und Pilgern soll man helfen.“ So lernte ich also das Tschechische Zentrum in Kiew kennen und dank dieses Zufalls einige außergewöhnliche Menschen aus Tschechien.
Nach zwei Tagen traf ich in Charkiw ein, der zweitgrößten Stadt der Ukraine. Die Ukrainer beruhigten mich und sagten, in Charkiw sei vsjo spokojna – alles friedlich – ich solle bloß nicht nach Russland fahren, da seien die Leute eher „komisch“. Ich entgegnete, dass mir zu Hause dasselbe über die Ukrainer gesagt wurde. Der Grenzübergang flößte mir Respekt ein, die Tatsache, dass ich auf der Straße die Fahrzeuge sah vom Roten Kreuz, der OSZE, den Ärzten ohne Grenzen. Der Krieg war quasi vor der Tür – etwa 250 Kilometer entfernt. Die Frau an der Hostel-Rezeption setzte noch eins drauf, indem sie mich fragte, was wir in Tschechien über die die Situation in der Ukraine sagen. Ich antwortete mit meinem auswendig gelernten Satz, dass Präsident Zeman ein Idiot sei und wir natürlich für die Ukraine sind. Oha, anstelle von Lob und Sympathie ertönte ein Sturm von Phrasen aus dem Russischen Sender Rossija odin. Mir war klar, ich musste vorsichtiger werden.
Woronesch, Wolgograd, Elista und der Zenbuddhismus der Steppe
Als ich nach Russland fuhr, war ich angenehm überrascht (sogar nach sechsstündigem Warten an der Grenze). Die Straßen wurden besser, die Straßengräben hob man mit moderner Technik aus und nicht mit der Sense. Meine ersten Eindrücke waren gut. Ich war ein paar Tage in Woronesch und fuhr dann hinüber nach Wolgograd. Zum ersten Mal ein Lenin-Platz mit einer Statue von V. I. Lenin. Beide Städte haben mehr als eine Million Einwohner, aber mein Eindruck war, dass dort ungefähr so viel los ist wie in einer kleinen tschechischen Kreisstadt. Ein Junge erklärte mir später, wer in Russland Karriere machen wolle, der ziehe nach Moskau, und wer sich für Kultur interessiere, orientiere sich nach Sankt Petersburg.
Meine Erfahrung ist aber die, dass die unterhaltsamsten Dinge dort passieren, wo niemand und nichts ist. So auch auf der Fahrt von Wolgograd in die Republik Kalmückien. Das ist der einzige Ort in Europa, wo die Mehrheit der Menschen sich zum Buddhismus bekennt – das mongolische Volk der Kalmücken kam im 17. Jahrhundert hier her. Das Land ist arm, weil es in der Steppe liegt. Ich bretterte durch die leergefegte Landschaft, hier und da ein Lastwagen oder PKW, ansonsten nur Salzseen, trockenes Gras, weidende Kühe und Pferde.
In der Hauptstadt Elista lernte ich in einem Hotel Jegor und Marie kennen. Wir kamen ins Gespräch und stellten fest, dass wir eigentlich einen gemeinsamen Weg haben und dass wir zusammen nach Sotschi fahren können und auf die Krim. Das Wissen, dass ich auf der Krim in russischer Gesellschaft sein würde, beruhigte mich, denn ich hatte über die Krim gehört, dass dort Menschen gefressen werden, vor allem solche aus dem „Westen“.
Jegor und Marie waren freundliche Leute, aber wir unterhielten uns nur recht allgemein. Ich wollte nicht sofort eine Diskussion über Putin anfangen, aber eines Abends tranken wir gemeinsam und wieder hörte ich diese Stories aus dem Sender Rossija odin. Wir stritten ziemlich und ich hatte Angst, dass sie mir am nächsten Tag dosvidanja – Auf Wiedersehen – sagen würden. Aber noch am selben Abend einigten wir uns darauf, dass man zusammenhalten sollte und wir blieben Freunde. Das passierte mir in Russland einige Male. Es gab viele Leute, die mir halfen, und sie waren meistens Putin-Anhänger. Wir tauschten Meinungen aus, aber nie war jemand wegen meiner Putin-Kritik auf mich böse.
Die Krim und Grosny
Auf der Krim nahm Jegor mich mit in alle möglichen Militärstützpunkte und er lauschte immer sehr aufmerksam den Erläuterungen des Guides über das Heldentum des sowjetischen Volkes und seine technische Fortschrittlichkeit beim Bau aller dieser militärischen Objekte. Nach dem Vortrag fragte er mich immer überaus stolz, wie ich das fände. Ich wollte sein patriotisches Ego nicht noch mehr streicheln und sagte mit größtmöglicher Gelassenheit, ja, ganz gut. Zum Beispiel dieser U-Boot-Stützpunkt, der in einen Felsen gehauen wurde und wirklich faszinierend war.
Die Sache ist nämlich die: Es ist schwierig, als Russe nicht stolz auf sein Land zu sein, besonders wenn man tagtäglich nur an die Vorzüge der Sowjetunion und des heutigen Russlands erinnert wird, gänzlich unkritisch gegenüber Vergangenheit und Gegenwart. Man spricht über den Ruhm der Sowjetunion, aber von den Grausamkeiten erzählen nur die, die sie am eigenen Leib erfahren haben oder sie aus den Erzählungen von Verwandten kennen.
Musterbeispiel für so einen selektiven Blick auf die Geschichte ist die Hauptstadt von Tschetschenien, Grosny. Ich zögerte, ob ich überhaupt hinfahren soll, nachdem es vor sieben Jahren hier noch extrem gefährlich war und Krieg herrschte. Die Russen jedoch versicherten mir, dass dort inzwischen alles in Ordnung sei. Dank Putin selbstverständlich, der den famosen Ramsan Kadyrow auf den Präsidentenstuhl gesetzt hatte.
Grosny ist eine relativ kleine Stadt, dennoch sieht das Zentrum aus wie die Downtown einer US-amerikanischen Millionenstadt. Neben Wolkenkratzern liegt die riesige Residenz von Kadyrow, die man nicht fotografieren darf, aus keiner Perspektive. Das Einhalten des Verbots wird von einer Wache kontrolliert, die um das ganze Gebäude herum postiert ist, sogar auf dem Dach eines der Wolkenkratzer. Insgesamt bemüht sich die Stadt den Eindruck zu erwecken, dass es hier nie einen Krieg gegeben hat. Zerstörte Häuser wurden dem Erdboden gleich gemacht und an ihrer Stelle werden neue megalomanische Gebäude errichtet.
Im Museum der Tschetschenischen Nation erstreckt sich über zwei Stockwerke eine Ausstellung über die Rolle des tschetschenischen Volkes in den zwei Weltkriegen, kein Wort über die jüngere blutigste Etappe seiner Geschichte. Im Museum von Achmad Kadyrow, dem ehemaligen Präsidenten und Vater des derzeitigen Präsidenten Ramsan, wird ausführlich sein Leben dargestellt: von der Kindheit an über die Studienjahre und seinen Weg zum Islam bis hin zu seiner kurzen Präsidentenschaft und dem tragischen Tod, als ein Attentäter aus den Reihen der radikalen Tschetschenen ihn tötete. Es fehlen nur die Jahre 1990 bis 1995, in welchen er zusammen mit seinem Sohn auf der Seite der tschechischen Separatisten gegen die russische Armee kämpfte.
In einem Internetforum wurde sogar empfohlen, mit den Tschetschenen überhaupt nicht über den Krieg zu sprechen, und weil ich Respekt vor diesem Land hatte, hielt ich mich an diese Empfehlung. Trotzdem war ich überrascht, dass auch die Einwohner von sich aus darüber nicht redeten. Kam es auf das Thema, schwenkte man schnell auf ein anderes um. Nicht mal über den Präsidenten Kadyrow kann man sich unterhalten: Die Locals vermieden das Thema entweder, oder sie sagten, dass er ein großartiger Präsident sei und dass sie ihn liebten.
Tbilisi, Berkasovo/Bapska … und Dehtáře
Ich fuhr weiter nach Süden, nach Georgien. Am Grenzübergang wehte die Flagge der Europäischen Union, die ich nach zwei Monaten nun zum ersten Mal wiedersah. Ich begann langsam an den Heimweg zu denken. Ich hatte aber noch ungefähr 5000 Kilometer vor mir. Nach einigen Tagen, während derer ich durch das Kasbek-Gebirge geirrt war, begab ich mich in die Hauptstadt Tbilisi. Diese Stadt gefiel mir. Im Verhältnis zu den Erfahrungen mit russischen Städten war in dieser Stadt sehr viel los.
Nach Tbilisi besuchte ich noch einige weitere großartige Orte, aber ich war von meinem Herumreisen einigermaßen erschöpft und konzentrierte mich immer mehr auf die Heimfahrt. Diese sollte durch die Türkei führen, mit kurzem Aufenthalt in Istanbul, durch Bulgarien und Serbien.
Den ganzen Sommer über verfolgte ich im Rahmen des Möglichen die Geschehnisse rund um die Flüchtlinge, die nach Europa kamen. Als ich dann begann über die Heimfahrt nachzudenken, kam ich auf die Idee, dass ich einen Zwischenhalt an der serbisch-ungarischen Grenze machen könnte um den Menschen dort bei der Flucht zu helfen. Auf meiner Reise haben mir so viele Menschen geholfen und ich wollte diese Hilfsbereitschaft nun weitergeben.
Gemeinsam mit einer Gruppe von etwa 25 tschechischen Freiwilligen war ich Zeuge, wie sich etwa 3000 Menschen auf der schmalen Straße zwischen zwei Grenzübergängen drängten. In schrecklicher Hitze bei Tag und im Regen bei Nacht. In der unaufhörlichen Erwartung, dass „schon sehr bald“ der Autobus käme und sie endlich wegführen. Die Notdurft verrichtete man auf dem Feld, jedoch nicht mehr als zehn Meter von den Polizeiwachleuten entfernt. Vor aller Augen. Es war mir eine Ehre, dass ich so viele großartige Menschen aus unserem Land treffen durfte, die dort eine unglaubliche Arbeit leisteten, quasi 24 Stunden am Tag, um die unerträgliche Umgebung etwas menschlicher zu gestalten.
Schließlich bin ich durch Kroatien, Ungarn und die Slowakei nach Hause gefahren. An einem Samstagnachmittag erreichte ich mein Heimatdorf Dehtáře auf der Vysočina, wo mich eine Willkommensdelegation erwartete mit Slivovice, Brot und Salz. Zudem wurde ich auf die Hütte bestellt, wo gerade meine Freunde zusammen saßen und das neue Erzeugnis der Hausbierbrauerei Frňák kosteten. Als ich am Montag so langsam wieder ausnüchterte und mir alle Mühe gab, die Schmerzen in meinen Unterkiefergelenken zu überstehen, wurde mir klar, dass ähnlich der Abfahrt auch die Ankunft nicht einfach sein würde und dass ich noch sehr viele Liter Bier trinken werden muss. Aber solche Qualen sind schlichtweg angenehm.
Übersetzung: Lena Dorn