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Ein Interview mit Sibylle Kurz
Professionalität, Kommunikationswille und -fähigkeit setze ich voraus

Sibylle Kurz
© Sibylle Kurz

Am 16. Februar 2023 findet das große Finale unserer Workshop-Serie PITCH_IT@Berinale statt: die Teilnehmer*innen präsentieren ihre Filmideen in Berlin der Öffentlichkeit, die sie im Laufe der Workshops ausgearbeitet haben. Sibylle Kurz, freiberufliche Kommunikationstrainerin, Autorin von mehreren Pitching-Ratgebern und international gefragte Pitching-Trainerin, war eine der hochkarätigen Mentor*innen, die für die Workshop-Serie gewonnen werden konnte. Sie beantwortet im Interview Fragen zu ihrer Karriere und zur Kunst des Pitchings und gewährt einen Einblick hinter die Kulissen von PITCH_IT@Berlinale, einem gemeinsamem Projekt des Goethe-Instituts, der Filmakademie Baden-Württemberg und der FAMU in Prag zur Unterstützung junger deutscher, tschechischer und ungarischer Filmemacher*innen bei der Ausarbeitung und dem Pitch ihrer Ideen.
 

Sie arbeiten seit 1994 als freiberufliche Kommunikationstrainerin und haben auch mehrere Ratgeber zum Thema Pitching publiziert. Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen?

Ich war über 15 Jahre im Bereich Acquisition & Distribution eines Medienunternehmens tätig, und wurde dort laufend „mässig bis schlecht angepitcht“. Das war sicherlich ein (egoistischer) Grund, aber der Hauptgrund war, dass ich als sogenannte Decision Maker dieses Unternehmens immer wieder zum Abschlussworkshop/Pitching Event des europäischen Produzentenprogramms EAVE (das übrigens dieses Jahr sein 35-jähriges Jubiläum feiert) eingeladen wurde.

Meine Rückmeldungen an die Teilnehmer*innen in Bezug auf Struktur, Passion, Professionalität und Kommunikationselemente eines Pitches kamen super an. Tja, und irgendwann sprach mich der Head of Studies, Raymond Ravar, an, ob ich mir vorstellen könnte, nicht nur Feedback als Decision Maker zu geben, sondern dem Trainingsprogramm als Expertin in Fragen der „Kunst des Pitchings“ zur Verfügung zu stehen. Dabei halfen natürlich enorm meine europäischen Marktkenntnisse, mein Studium der Kommunikationswissenschaften, Psychologie und Soziologie – und auch meine persönliche starke Affinität zu Kunst, Kultur und Kreativität im Allgemeinen.

Was ist für einen erfolgreichen Pitch besonders wichtig?
     

Eigentlich habe ich das schon in der letzten Frage angeschnitten. Der Aufbau braucht eine klare konkrete Struktur, die persönliche Motivation zum Thema, zur Idee erschaffen eine natürliche, authentische Passion, die enorm wichtig ist, diesen doch oft mühsamen Weg des Developments zu gehen. Professionalität, Kommunikationswille und -fähigkeit setze ich voraus.

Der Fokus eines Pitches sollte gerade zu Beginn der Entwicklungsphase und auch eines (fast jeden) Pitches auf einer dezidierten Erarbeitung und Formulierung des Themas liegen. Das bedeutet, sich als Kreativschaffende*r noch viel stärker damit auseinanderzusetzen „was ich WIRKLICH erzählen will“, und das meine ich im Sinne von WIRKEND, sprich, wer soll diesen Film, dieses Werk welchen Formats auch immer, anschauen und warum. Kreative Werke ohne Resonanz, ohne Publikum… wofür? Das Thema ist also die Intention zur Motivation!
Workshop in Budapest Sibylle Kurz während einem online-Workshop mit Popo Fan, einem PITCH_IT@Berlinale Teilnehmer. | © Goethe-Institut Welche Schwerpunkte setzen Sie in ihren Pitching Workshops? Womit brauchen die Filmemacher*innen ihrer Erfahrung nach am meisten Unterstützung und Training, wenn es zum Pitching ihrer Ideen kommt?
         

Ich sehe den Prozess des Pitchens als einen organischen Prozess, deshalb sage ich gerne „Pitching = Development, bzw. der Kommunikationsprozess während der Projektentwicklung – man tauscht Daten aus zwischen Personen, die doch eigentlich ein gemeinsames Interesse haben – gute Projekte herzustellen". Insofern verändert sich auch ein Pitch laufend in dieser Phase und ist immer wieder an die Gegebenheiten anzupassen. Und schon wieder habe ich einen Teil Ihrer Frage zuvor schon beantwortet. Es fehlt meiner Erfahrung nach just an dieser Arbeit am Thema. Ich höre immer wieder Thema-Definitionen als ein Hinwerfen von Substantiven: in meinem Projekt geht es um Freundschaft, Ohnmacht, Versagensängste etc… – damit kann niemand etwas anfangen. Hier muss ich von den Kreativschaffenden in einem Pitch hören und fühlen, wie sie sich thematisch zu diesen Begriffen positionieren, was sie und welche neue Perspektive sie in Bezug auf „Freundschaft, Ohnmacht, Versagensängste etc.“ in dem aktuellen und/oder historischen Geschichtenkontext über die Welt erzählen wollen.

Und dann beobachte ich doch leider immer noch zu oft, dass viel zu viel Angst vor einer Präsentation im Raum herrscht. Das hat sehr viel mit dem Selbstwert zu tun, der in diesem Kontext oft in den „Keller rutscht“. Da scheint es noch viel schlechte Erinnerungen und Erfahrungen, auch falsche Vorstellungen von einem doch eigentlich wichtigen Miteinander auf Augenhöhe von „Pitchenden und Be-Pitchten, also den Entscheider*innen“ zu geben. Das allerdings liegt leider auch an nicht so guten Feedback-Kompetenzen.

Der Umgang mit analytischem Feedback ist so hilfreich und maßgeblich wichtig für die Entwicklung der Stoffe, der Netzwerke, der eigenen Persönlichkeit, das sollten wir viel mehr pflegen und verbessern – auf beiden Seiten. An dieser Stelle kommt dann in meinen Workshops und auch Einzel-Coachings sehr viel Psychologie und Eigenanalyse ins Spiel: wie denke ich als Pitchende*r über die Situation, wie spreche ich zu mir selber darüber, wie genau bereite ich mich vor oder eben auch nicht; …ach, ich könnte noch so viel erzählen…

Sie waren ja bei der ersten Etappe unseres Workshop Programms PITCH_IT@Berlinale in Budapest online dabei, bei dem Sie mit den Teilnehmer*innen one-on-one online-Trainings geführt haben, und Sie haben sie auch beim letzten Workshop in Prag getroffen. Konnten Sie Veränderungen in den Filmideen der Teilnehmer*innen feststellen, bzw. inwiefern sind die Ideen gereift? Und wie war es für Sie, diese Entwicklung der Projekte mitzuerleben?
  

Ja, natürlich haben wir eine Reifung, Klärung und Vertiefung des Verständnisses für die eigenen Stoffe bei den Teilnehmer*innen festgestellt. Es macht wahnsinnig viel Spaß, diese AHA-Momente initiieren und miterleben zu dürfen. Damit einhergehend auch das Selbstverständnis über die Ideen auch in einem formelleren Rahmen, wie wir ihn ja schon in Prag hatten, zu sprechen.

Es war wunderbar zu sehen, wie positiv und interessiert die eingeladenen Gäste bei unserer Abschlusspräsentation auf die Teilnehmer*innen mit ihren tollen Projekten reagiert haben. Ein Dank an dieser Stelle an die Jury, die die Auswahl getroffen hat. Eine Freude für mich, dabei zu sein, bei PITCH_IT@Berlinale. Und auch Stolz, denn der Titel meines Buches zum Thema Pitching ist ja just PITCH IT! und entsprechend Namensgeber dieser Workshopreihe.

Gab es etwas, das ihnen aus unserer PITCH_IT@Berlinale Workshopreihe besonders im Gedächtnis geblieben ist?
         

Besonders toll ist, wie sich die Gruppe in kurzer Zeit so zugewandt und kooperativ zusammengefunden hat. In Netzwerken und gemeinsam verantwortungsvoll, kreativ und mit neuen Perspektiven die Zukunft zu gestalten, das ist doch das Recht und die Pflicht von uns allen, speziell aber die der Kultur- und Kreativschaffenden (auch wenn es ihnen oft nicht einfach gemacht wird)… 

Deshalb wünsche ich allen Teilnehmer*innen, dem ganzen Team der Organisation, der Jury und unseren Gästen, die sich am 16.2. die tollen Präsentationen anschauen, ganz viel Freude und ein neugieriges Miteinander! Danke, dass ich Ihre Fragen beantworten durfte.

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