Türsteher*innen im Porträt
Hanna Teglasy, petersplatz.eins (Wien)

Hanna Teglasy, Türsteherin beim petersplatz.eins, Wien
Hanna Teglasy, Türsteherin beim petersplatz.eins, Wien | Foto: Jonas Höschl

Das petersplatz.eins ist ein junger Veranstaltungsort im Zentrum von Wien, unweit vom Stephansdom gelegen. Unsere Interviewpartnerin Hanna Teglasy arbeitet dort seit über einem Jahr.

Von Sascha Ehlert

Sascha Ehlert: Wie bist du vor der Clubtür gelandet, und was machst du dort eigentlich? 

Hanna Teglasy: Ich bin bei dem Laden, bei dem ich mitarbeite und der seit Silvester 2022 existiert, ein bisschen mehr involviert als ausschließlich vor der Tür – ich mache auch beim Booking mit und in Sachen Social Media. An sich mache ich an den Abenden aber die Kasse, ich lasse also die Leute rein und mache den Eintritt. Dadurch, dass ich in vielerlei Hinsicht mitarbeite und mich von daher in einer gewissen Machtposition befinde, habe ich mich bewusst dazu entschieden, auch an der Kasse zu arbeiten. Nur am Computer zu sitzen und E-Mails zu schreiben und zu telefonieren, ist irgendwie nicht das Wahre. Außerdem bekomme ich so viel mehr mit, ich lerne unsere Gäste kennen und kriege direkt mit, wie die sich bei uns fühlen.

Du bewegst dich also auf Augenhöhe. Bist du denn auch selbst Clubgängerin, also wärst du eigentlich selbst auf diesen Partys, wenn du nicht an der Tür sitzen und kassieren würdest?

Ja, eindeutig. Auch wenn das natürlich abgenommen hat, seitdem ich im Club arbeite. Aber ich habe eh schon lange Freund*innen, die Partys veranstalten, die Musik machen oder DJs sind, war also schon immer relativ tief drin und sehr interessiert.

Was hat dich denn dazu bewogen, im Club mitzuarbeiten? 

Das Team. Das ist für mich ein bisschen Familie. Wir reden sehr offen miteinander, ich kann den anderen auch sagen, wenn es mir mal nicht gut geht – und dann springt eben jemand anderes für mich ein. Ich muss mich nicht erklären, wir helfen einander ganz selbstverständlich. Diese Art von familiärer Zusammenarbeit ist für mich sehr wertvoll. Ich fühle mich sehr wohl mit den anderen. 

Was machst du, damit sich die Leute, die zu euch kommen, bei euch auch wohlfühlen? 

Ich versuche vor allem erstmal, sehr offen zu kommunizieren. Wenn jemand vor mir steht und ich das Gefühl habe, der oder die hatte schon ein bisschen zu viel, dann versuche ich mit der Person Kontakt aufzunehmen. Ich frage, warum sie hier ist, lass sie sich hinsetzen und gebe ihr erstmal ein Wasser. Und zu den Leuten, bei denen ich glaube, dass sie nicht passen, bin ich einfach sehr ehrlich. Ich sag dann so: „Nicht, dass ihr dann in fünf Minuten wieder hochkommt und euer Geld zurückwollt“. Ich habe das Gefühl: Wenn ich aufrichtig zu ihnen bin, sind sie auch sehr ehrlich zu mir – im Guten wie im Schlechten. Also natürlich gibt es auch immer wieder Vorfälle, bei denen wir jemanden rauswerfen müssen – und darauf reagieren die wenigsten, vor allem Männer, positiv. 

Clubs sind traditionell Orte, die auch dazu da sind, Menschen die Chance zu geben, mal für ein paar Stunden die Kontrolle über sich selbst abzugeben, es sind Räume der Entgrenzung gewesen, in denen die Konventionen der Gesellschaft für ein paar Stunden weniger wichtig erscheinen. Ist das eine Vorstellung, die für dich persönlich noch zeitgemäß ist? 

Ich würde mir wünschen, dass das möglich ist, aber dafür passiert in unserer Gesellschaft im Kontext von Partys noch zu viel sexualisierte Gewalt. Deshalb braucht es von unserer Seite, also als Club, schon ein gutes Kontrollsystem, damit sich am Ende der Nacht auch alle auf der Party wohlgefühlt haben.

Gehst du, seit du selbst im Club arbeitest, auch noch in anderen Städten und Ländern feiern? 

In Wien geh ich privat, wie gesagt, nur noch wenig aus, aber in Budapest mache ich das sehr gerne. Dort komme ich auch eigentlich her, weshalb ich jeden Monat einmal dort bin. Natürlich ist das ein zweischneidiges Schwert, wenn man sich anschaut, was in Ungarn gerade politisch abgeht. Aber wie das eben so ist, wenn der Staat versucht, starke Kontrolle über die Menschen auszuüben, da entsteht dann gleichzeitig eine sehr starke Underground-Kultur, die eine Alternative anbieten will. Während die Pride in Wien mittlerweile gefühlt vor allem ein weiterer Anlass ist, an dem Hetero-Männer rausgehen und sich einen niedersaufen, werden die queeren Partys in Budapest von einer starken Community organisiert. Man merkt dort einfach die Liebe und die Dringlichkeit, die dahintersteckt, und das Ganze ist oft ausschließlich durch Spenden finanziert. Ich finde, wir in Wien sind ganz schön heuchlerisch geworden, was das Feiern betrifft – dann gibt es einen Rave fürs Klima, und am Ende liegen auf dem Boden überall die Blechdosen verteilt.

Ich habe mit meiner letzten Frage auf eine Anschlussfrage abgezielt – und zwar möchte ich gern von dir wissen, ob du definieren kannst, was die Wiener Clubkultur ausmacht? Ist die anders als in anderen, vor allem deutschsprachigen, Großstädten?

Eine Sache, die schon an Wien besonders ist: es gibt so viele Outdoor-Sachen, zum Beispiel auf der Donauinsel. Man kann im Sommer wirklich überall feiern – das habe ich bisher in keiner anderen Stadt so gesehen. 

Alles ist politisch, auch das Feiern.

Auch wenn in der Hinsicht in Budapest mehr möglich zu sein scheint: Denkst du denn, dass es in Wien überhaupt potenziell noch möglich ist, im Nachtleben Orte aufzubauen, die quasi utopische Fluchträume sind, die sich von dem abgrenzen, was in der Mehrheitsgesellschaft herrscht? 

Also es gibt diese Orte schon hier. Auf der anderen Seite gibt es natürlich aber auch Veranstaltungen, bei denen du vielleicht denkst, okay, hier gehen auf jeden Fall alle miteinander respektvoll um, aber dann passiert trotzdem etwas Unangenehmes. Und dann ist es natürlich auch nochmal ganz anders in den Mainstream-Clubs. Mein Problem mit dem Wiener Nachtleben ist eben das: Es gibt zwar Safe Spaces, aber sobald du aus denen rausgehst und dich durch die Öffentlichkeit bewegst, bist du als FLINTA*-Person automatisch wieder gewissen Gefahren ausgesetzt. Ich bin ja der Meinung: Alles ist politisch, auch das Feiern.

Du arbeitest vielleicht noch nicht allzu lange im Nachtleben, dennoch möchte ich dich noch fragen: Denkst du, dass dieser Job dich zum Beispiel bis in deine nächste Lebensphase hinein begleiten wird – oder denkst du, dass das eher ein Übergangsjob ist? 

Ich denke eher letzteres. Dieser Job ist schon einer, der viel von meiner Energie zieht. Ich mein: Egal, wie toll die Partys, die Menschen dort sind – diese Nächte bestehen ja immer daraus, dass ich mit 300, 400 Leuten rede. Und dann kommt dazu, dass ich schnell festgestellt habe, dass es am Ende des Tages im Nachtleben dann meistens doch wirklich eigentlich nur ums Geld geht. Auf der anderen Seite steht natürlich aber eine Menge Positives. Ich habe extrem viele tolle Leute kennengelernt. Und trotzdem muss ich mich ab und an aus diesem Leben rausziehen, einfach, um meine soziale Batterie aufzuladen. Aber ich werde sicher immer noch etwas mit dem Clubleben zu tun haben. Vielleicht aber eher hinter den Kulissen. Dort sehe ich mich langfristig eher.

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