Türsteher*innen im Porträt
Daniel, Celeste (Wien)

Daniel, Celeste (Wien)
Daniel, Celeste (Wien) | Foto: Jonas Höschl

Das Celeste in Wien ist ein eher alternativer Club mit Garten. Daniel arbeitet bereits seit über 15 Jahren als Türsteher dort und in anderen Läden.

Von Sascha Ehlert

Sascha Ehlert: Was hat dich dazu gebracht, Türsteher zu werden? 

Daniel: Ich hatte gerade das Abitur beendet und nichts Besseres zu tun, als man mir diesen Job angeboten hat. Ich hatte gerade angefangen, zu studieren und war eh auf der Suche nach einem Nebenjob – und ein Türsteher-Job lässt sich da zeitlich gut unterbringen. Es hat sich also einfach so ergeben, aber ich hatte das Glück, eine wichtige Qualifikation mitbringen zu können: Ich war immer ganz gut darin, Konflikte gewaltlos zu lösen.

Wie sieht denn deine Strategie zum Lösen von Spannungen und Konflikten im Nachtleben aus?

Also meine maximale Gewaltausübung besteht darin, jemanden mal ein bisschen zu schieben. Weil das mein Grundsatz ist, gehe ich insgesamt anders an aggressives Publikum heran. Ich versuche in der Regel die Aggression gleich im Keim zu ersticken. In 15 Jahren in dieser Arbeit habe ich festgestellt, dass man sonst schnell in einer Spirale landet, in der es sich immer weiter hochgeschaukelt. Aber eigentlich passieren mir solche Situationen in den Läden, in denen ich arbeite, kaum. 

In der Zeit seit Corona ist die Clubszene relativ stark im Umbruch. Insbesondere im Bezug darauf, dass immer mehr Clubs Awareness-Teams einsetzen, um sicherzustellen, dass auch wirklich alle Menschen im Club eine gute Zeit haben können, ohne zum Beispiel Angst vor männlichen Gästen haben zu müssen. Wie hat sich deine Arbeitspraxis in den vergangenen Jahren verändert? 

Ich habe ja seit zehn Jahren immer im selben Club mitgearbeitet. Den Laden gibt es seit 30 Jahren, früher wurde er als Restaurant geführt. Vor zehn Jahren hat ihn dann der Sohn übernommen und zum Club umgebaut. Eigentlich hatte ich zu dieser Zeit bereits aufgehört, als Türsteher zu arbeiten. Ich hatte mein Studium beendet – aber dann hat mich der Kompagnon von dem, der diesen neuen Club aufgemacht hat, gefragt, ob ich nicht die Tür machen will. Er rief mich an, weil ich ihn mal aus einem anderen Club geworfen hatte – das hatte ihm scheinbar imponiert, wie ich mit ihm umgegangen war. 

Jedenfalls verfolgen wir, seitdem ich dort arbeite, eigentlich immer dieselbe Philosophie: das A und O ist, dass wir immer sofort reagieren, wenn sich jemand unwohl fühlt, und dass wir Menschen, die einem Probleme machen, ohne Umstände rauswerfen. Grundsätzlich haben wir aber ein eher einfaches Publikum. Zu uns kommen Leute, die wissen schon, was sie von dem Lokal zu erwarten haben, die also gezielt kommen, nicht so sehr die Laufkundschaft. Natürlich brauchst du als Türsteher*in viel Feingefühl, dennoch ist es bei uns eher leicht, wenn du gut im Kommunizieren bist.

Als Türsteher*in ist es eher leicht, wenn du gut im Kommunizieren bist.

Du machst deinen Job ja jetzt verhältnismäßig lange. Fragst du dich manchmal, aus welcher Motivation du weiter dabeibleibst? Geht es dir darum, das zu machen, solange du zufrieden und glücklich bist mit deinem Job? Und gibt dir der Job an sich dieses gute Gefühl, oder ist es bei dir das Gesamte, also der Umstand, dass du Teil des Nachtlebens bist? 

Da sind die Gründe mannigfaltig. Ich bin niemand, der privat ausgeht. Aber, was mir dieser Job mit seinen flexiblen Arbeitszeiten gebracht hat, ist eben ein fixes Einkommen und gleichzeitig eine soziale Absicherung im österreichischen System – was mir die Möglichkeit gegeben hat, mich beruflich in mehrere Richtungen gleichzeitig zu entwickeln. Ich kann mich darüber hinaus zum Beispiel um meine zwei Großmütter kümmern. Ich habe die Zeit, 20 Stunden die Woche für die beiden zu investieren, was in einem „normalen“ Job natürlich nicht möglich wäre.

Außerdem habe ich eine große Bastelleidenschaft: Ich restauriere gerne Dinge, so Fahrräder, Grammophone und Instrumente, die ich wiederum verkaufe. Außerdem hat die Arbeit an der Tür ja auch soziale Aspekte – du gehst sozusagen aus und wirst dafür bezahlt. Ich muss dort einfach ich sein und empfinde den Job kaum als stressig. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwartet mich an meinen Abenden vor der Tür nichts, womit ich nicht umgehen kann.

Du kommst in deinem Job mit unfassbar vielen Menschen in Kontakt. Gab es für dich im Laufe der Jahre vielleicht eine Begegnung, die für dich besonders einprägsam war, beziehungsweise durch die sich dein Denken in irgendeiner Weise verändert hat? Oder hast du vielleicht einfach vor der Tür mal eine Person kennengelernt, mit der du seitdem eng befreundet bist? 

Ja, mein direktes Umfeld hat sich schon ein Stück weit um den Club entwickelt. Viele meiner Freundschaften stammen zwar noch aus meiner Schulzeit, das sind meist also eher längere Geschichten. Aber meine Arbeit hat meine persönliche Entwicklung und meinen Umgang mit Menschen natürlich sehr geprägt. Jede soziale Interaktion, die du an der Tür hast, ist für mich immer ein bisschen ein Experiment. Wie gehe ich jetzt an die Sache ran? Wie beginne ich das Gespräch, um herauszufinden, ob jemand heute bei uns rein sollte oder nicht? Bin ich eher nett? Was hat es für Auswirkungen auf meine Interaktionen, wenn ich zum Beispiel mal schlechte Laune habe oder müde bin oder dieses oder jenes? Inwieweit hängt die Reaktion von meinem Gegenüber auch von meiner Wortwahl ab? Das ist schon super spannend. 

Ich bin meistens sehr ruhig – aber genau das kann manchmal auch falsch sein. Wenn ich bei der falschen Person zu ruhig bin, kann auch das eine Situation in die falsche Richtung bringen. Ich finde, man lernt als Türsteher sehr viel darüber, welches Bild man nach außen spiegelt und wie sich das, was die anderen dir entgegnen, verändert, wenn du an deinem Selbstbild etwas änderst, beziehungsweise damit spielst.

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