Katholischer Gesellenverein „Kolping” in Bukarest – ab 1859

Ehemaliges Bistumzsitz in der Calea Călărașilor „Reședința episcopală din București. O contribuțiune la istoria archidiocezei“, București, Atelierele Grafice Socec, 1923

Anfang 1859 gründete sich in Bukarest ein katholischer Gesellenverein. Initiator war Augustin Walter. Walter war seit 1854 Mitglied des Gesellenvereins in Köln, wo der katholische Priester Adolph Kolping (1813-1865), der Begründer des Gesellenvereinswesens und heutigen Kolpingwerks, tätig war. Auf Fürsprache des späteren Erzbischofs und Kardinals Anton Gruscha (1820-1911), Präses des Wiener Gesellenvereins und enger Vertrauter Kolpings, wurde der Bukarester Verein vom dortigen Bischofsamt unterstützt. Der bischöfliche Sekretär Dr. Franz Joseph Richter wirkte unmittelbar an seinem Aufbau mit und vermittelte Räumlichkeiten in einem Anwesen des Erzbistums in der Calea Călăraşi.

Diese Unterstützung war keineswegs zufällig, wie die auf Deutsch verfassten Vereinsstatuten vom 23. Januar 1859 deutlich machen. Die Statuten, die sich heute im Archiv des römisch-katholischen Erzbistums Bukarest befinden, beinhalten Hinweise auf eine gute („tadellose”) Lebensführung der Vereinsmitglieder; auf ihre soziale Absicherung, vor allem im Falle von Krankheit und Arbeitsunfähigkeit; sowie auf ihre Aus- und Weiterbildung. Dabei hatte religiöse Unterweisung aufgrund der engen strukturellen Anbindung an die Amtskirche einen herausgehobenen Stellenwert – der Präses eines Gesellenvereins musste immer ein katholischer Geistlicher sein. Demgemäß nahmen die Vereinsmitglieder regelmäßig an Gottesdiensten in der Bukarester Bărăţia-Kirche teil. Gleichzeitig orientierten sich die Aktivitäten des Vereins an dem Bedürfnis und Wunsch der Mitglieder nach Zusammenkunft, Unterhaltung und Geselligkeit.

Allerdings existierte der Bukarester Verein nur kurze Zeit. Ein „Wanderbüchlein für das Mitglied der katholischen Gesellenvereine“ von 1869 führt ihn zwar noch auf, in folgenden Auflagen aber findet er keine Erwähnung mehr. Zum schnellen Verschwinden des Vereins trug zum einen der Verlust der Vereinsräume um 1863 bei, zum anderen aber der nicht datierbare Weggang von Augustin Walter als treibende Kraft. Zudem waren die übrigen Gründungs- und Vereinsmitglieder wie Walter selbst vornehmlich Zugezogene aus dem deutschsprachigen Raum und hielten sich nur zeitweise in Bukarest auf.

Erschwerend für die Etablierung des Gesellenvereins war, dass im agrarisch geprägten Rumänien gut 80% der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig waren; darüber hinaus lebten im Land wie in der Hauptstadt nur wenige Katholiken. Demnach liefen die zentralen Ziele der Gesellenvereine, ledige Handwerksgesellen im katholischen Glauben zu festigen und ihre im Zuge der Industrialisierung entstandenen Nöte abzufedern, in mehrfacher Hinsicht ins Leere. In der Konsequenz ist für die Zeit bis 1918 über die Gründung katholischer Gesellenvereine an anderen Orten in Rumänien nichts bekannt.



Quellen:
Archiv des römisch-katholischen Erzbistums Bukarest: Archivum vetus (Inventar-Nr. 13), Societates 1849-1896, Fila I: Statutele asociaţiei catolice din Bucureşti.
Gabor, Iosif (2009): Asociația ucenicilor și calfelor catolice din București. In: Pro Memoria. Revistă de istorie ecleziastică 8, S. 125-143.
Kolping, Adolph (1924): Der Gesellenverein und seine Aufgabe. hrsg. von Johannes Nattermann. Köln (Der katholische Gesellenverein, 1).
o.A. (1859): Bericht vom Gesellenverein Bukarest. In: Rheinische Volksblätter 6/8 vom 19.02.1859, S. 127.
Walter, Augustin (1858): Bericht von den Vorbereitungen des Aufbaus eines Gesellenvereins in Bukarest. In: Rheinische Volksblätter 5/47 vom 20.11.1858, S. 749.
Walter, Augustin (1859): Bericht vom Gesellenverein Bukarest. In: Rheinische Volksblätter 6/15 vom 09.04.1859, S. 238-239.
Wanderbüchlein für das Mitglied der katholischen Gesellenvereine, Münster 1869.

Autor: Dr. Martin Jung, Jena
 

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