[0:28]
Turkana
Wenn Kreativität auf Chaos trifft: Einblicke in die pulsierende Musikszene Kampalas.
[0:40]
Nsasi
Wenn es die Sichtbarkeit und die Mittel zulassen, wird Kampala in einigen Jahren rasant an Bedeutung gewinnen. Schon heute gibt es viele große Namen aus der Stadt, die geniale Sachen machen. Es gibt so viel musikalisches Know-how, und die Szene ist unglaublich lebendig. Wir brauchen, so wie alle, eigentlich nur das nötige Kapital. Dann könnten sich alle selbst einen Eindruck davon verschaffen. Doch es fehlen die Mittel, beispielsweise für Computer, Equipment oder um einfach nur den Lebensunterhalt zu finanzieren. Das Leben von uns Kunstschaffenden wird überwiegend von Alltagssorgen bestimmt. Gleichzeitig weißt du, wofür du wirklich brennst, und du willst dich einfach nur deiner Musik oder einer anderen Kunstform widmen, an die du glaubst. Ich spreche aus persönlicher Erfahrung.
[1:43]
Rey Sapienz
Hi. Mein Name ist Rey Sapienz. Ich bin Musikproduzent aus dem Kongo. Ich lebe in Kampala in Uganda und mache Musik mit Bands mit elektronischen Instrumenten wie Gitarren, Keyboards und Klavieren. Bevor wir uns der Musikproduktion widmeten, habe ich mit Produzent*innen gearbeitet. Irgendjemand, der mit Produktion zu tun hatte, hat das für mich übernommen. Ich dachte, ich könnte das nicht, doch das stimmte nicht. Ein Freund arbeitete 2017 mit Nyege Nyege, sie riefen mich an, und er gab mir einfach einen Computer. Zuerst arbeitete ich mit der Software Fruity Loops (FL Loops). Sie sagten mir, so würde es gemacht. Und ich schaute mir ein paar Tutorials an. Dann probierte ich die ganze Nacht herum. Am nächsten Tag besorgte ich mir eine lizenzfreie Version von Ableton. Außerdem habe ich mit einem Produzenten namens Max Ledorn zusammengearbeitet. Er war bei der Nyege Nyege Residency dabei, und er schickte mir immer Beats. Er gab mir sein Ableton-Handbuch, das ich dann einfach durchgearbeitet habe.
[2:59]
Turkana
Manchmal mache ich mir Gedanken über die Bedeutung von Musikunterricht oder Geschichtsunterricht und über die Entscheidungen darüber, was uns als Kindern und Jugendlichen beigebracht wird. Dabei geht es nie um herausragende afrikanische Künstler*innen oder b*innen. Es begrenzt den Blick auf die eigenen kreativen Möglichkeiten, wenn du bestimmte Menschen nicht als erfolgreiche Akteur*innen in der Musikwelt siehst. Dabei reicht ein Blick in die Geschichte, um zu sehen, dass sehr viele Musikrichtungen von Schwarzen Menschen erfunden wurden. Doch es ist sehr schwer, denn in der Bildung oder in allgemeinen Informationen kommt dieser Aspekt nicht vor. Die Perspektive ist sehr westlich.
Bei herausragenden Künstler*innen aus Afrika denkt man sofort an Fela Kuti. Es gibt noch so viele andere, doch über einige von ihnen wird man nie etwas erfahren. Und wir werden in unseren kreativen Möglichkeiten und unserer Vorstellungskraft begrenzt, wenn wir uns nicht selbst in einem bestimmten Umfeld sehen. Diese Sache gefällt mir gut, weil wir Dinge hören, die etwas mit uns zu tun haben, uns aber auch weiter in unterschiedliche Richtungen bewegen, in denen wir experimentieren, von anderen Kulturen und anderen Menschen lernen. Genau darauf beruht für mich großartige Arbeit, wenn es nicht nur darum geht, was du weißt, sondern auch darum, dich mit anderen Dingen zu beschäftigen, die nicht einmal etwas mit dir selbst zu tun haben und die deine Inspiration und Kreativität fördern.
[4:41]
Rey Sapienz
Ich mache einfach ganz viel, und manchmal ist etwas Gutes dabei, an dem ich dann weiterarbeite. Jeden Morgen beim Kaffeetrinken habe ich das Gefühl, ich möchte die Musik zu etwas schreiben. In der Regel beginne ich mit einer Melodie, die ich dann mit Drums unterlege.
[5:03]
Nsasi
Es gibt so viel Respekt, so viele Künstler*innen, so viele junge Kreative mit völlig neuen Ideen. Deshalb ist es mir eine Ehre, zu diesen aufstrebenden Kulturschaffenden aus Kampala zu gehören. Mit den meisten von ihnen bin ich außerdem befreundet. Ich höre vollkommen neuartige Sachen, die mich in meiner Arbeit voranbringen. Es gibt alle nur erdenklichen Sounds. Sie sind überall zu hören! Sogar die Künstler*innen in Kampala ziehen daraus ihre Freiheit, die eigenen Grenzen auszuloten und einfach wild herumzuexperimentieren. Ich sehe es, ich höre es immer und überall, zufällig, und manchmal suche ich dann selbst nach Musik und aktualisiere mein Archiv. Also, Kampala, es gibt uns, wir sind da!
[6:07]
Rey Sapienz
Bei der elektronischen Musik begann alles mit
Boutiq Electronique, dem heutigen Nyege Nyege, und es gab einige wenige Elektronik-DJs. Alle anderen DJs spielten Mainstream-Musik in Clubs. Doch niemand legte mal Sachen auf, die es schon gab, und elektronische Versionen traditioneller Musik – nun, sie haben versucht, Techno daraus zu machen.
Es gibt eine spezielle musikalische Energie. Besonders inspirierend finde ich es auch, in Clubs zu gehen, einfach zum Tanzen oder um dort gute Musik zu hören. In der Musikszene in Uganda wird Musik aus aller Welt, aus ganz Afrika gespielt. Weil sich diese Szene erst spät entwickelte und es eine Mainstreamszene mit verschiedenen kulturellen Einflüssen ist. Das ist unglaublich inspirierend. Es macht die Musikkultur sehr vielfältig. Wenn du dort lebst, muss du dir auch deine eigene Kultur erschließen, und in Kombination mit Musik ist das einfach nur pure Magie…
[7:42]
DJ Flo
Du vergisst Raum und Zeit und hebst ab, du bist völlig high und verrückt, und du möchtest diesen einen Track hören, den Beat, immer wieder, bis dir einer abgeht, du willst nicht mehr aufhören. In ein paar Jahren wird die Musikszene in Kampala der absolute Wahnsinn sein. Sie ist schon jetzt vollkommen irrsinnig und unglaublich. Ich würde sagen, dass viele Produzent*innen diese wahnsinnig gute und tiefe Einstellung zu Musik haben...
[8:25]
Authentically Plastic
Ich bin gerne im Freien. Im Studio arbeite ich nicht so gern. Am liebsten bin ich draußen in der Natur, nur mit meinem Computer, um an Beats zu basteln. Ich arbeite meistens auf Ableton, also entweder mit einem Push oder direkt an meinem Computer. Komponieren gefällt mir, es gibt mir etwas mehr Kontrolle über mein Musikschaffen. Ich verfolge irgendwie eine doppelte Strategie. Zum einen ist da ein großes Kontrollbedürfnis, das ist meine erwachsene Seite, das Kontrollieren, und dann gibt es diese kindliche Seite, die gegen alle Regeln verstößt. Als ob ich Regeln schaffe und dann wieder breche.
Trotz dieses Kontrollbedürfnisses versuche ich, etwas Spielerisches in meinem Schaffensprozess zu bewahren. Ich liebe es beispielsweise, mit Wall of Sounds in Ableton zu experimentieren, mit meinem Computer oder dem Controller herumzuspielen. Erst schaffe ich all diese zufälligen Klänge, und später fügt sich alles irgendwie zu einem Endergebnis zusammen. Der Versuch, Ordnung ins Chaos zu bringen, aber nicht zu viel Ordnung, weil ich dieses Gefühl der nervösen Unruhe mag. Bei meiner Produktion spiele ich trotzdem mit dieser Spannung zwischen Chaos und Ordnung!
[9:49]
Turkana
Schauen wir auf die Zeit, in der wir leben, und auf die Macht der Medien. Die Medien haben so viele Dinge schon immer auf unterschiedliche Weise dargestellt. Und wenn Menschen etwas schreiben, dann haben sie manchmal vielleicht noch keine Erfahrungen mit dem, worüber sie schreiben, oder sie haben sich noch nie in diesen Bereich begeben. Für mich haben die Medien einen wichtigen Einfluss auf die Verbreitung von Musik und auf die Art von Musik, die wir hören. Manchmal habe ich das Gefühl, einige Menschen wollen dich in einen Markt hineindrängen, der ihnen angenehm ist, oder du sollst irgendwie sein oder irgendwie klingen, um einen Gig zu bekommen, weil sich diese Menschen dann gut fühlen. Da fehlt dann der Blick für die Unterschiede. Ich komme nicht aus derselben Richtung, aus der du kommst, und meine Musik hat nichts mit dir zu tun. Und es ist wichtig, dass wir Kulturen miteinander in Kontakt bringen und verschiedene Klangwelten verstehen. Aber der Gedanke, dass du auf eine bestimmte Weise klingen musst, um an einem bestimmten Ort zu spielen, ist ziemlich absurd.
[11:07]
Authentically Plastic
Ausgehen in Kampala? Das hängt davon ab, wo du den Abend verbringst. Es gibt natürlich die Mainstream-Clubs in Bugolobi, wie Bandali Rise. Dort spielen sie vor allem Musik aus Niger, die wirklich großartig ist. Ich liebe Amapiano, eine populäre Musikrichtung, die ziemlich abgefahren ist mit ihren schrägen Mustern und Basslinien. Ich finde es interessant, dass diese Art von Musik so beliebt werden konnte. Es ist eigentlich total widersprüchlich, doch für mich zeigt es den Reichtum der südafrikanischen Kultur.
Am liebsten gehe ich zu Partys befreundeter Künstler*innen, die eher an geheimen Locations stattfinden. Allerdings ist es in letzter Zeit etwas schwierig geworden, solche Orte zu finden. Der Raum für Untergrund-Clubs scheint immer kleiner zu werden. Es ist auf einmal viel schwerer, Veranstaltungsorte für die Untergrund-Musikszene zu finden. Das hat etwas mit der Pandemie zu tun. Für mich macht es diese Partys aber noch magischer, wenn sie denn stattfinden, weil es so wenige Räume dafür gibt, dass es jedes Mal schon fast an ein Wunder grenzt, wenn wir zusammenkommen. Und das ist schön.
In Kampala gibt es Dinge, die meine Kreativität befeuern. Für mich ist es die Bewegungsfreiheit hier, die mich sehr inspiriert. Hier gibt es scheinbar auf allen Straßen unterschiedliche Geschwindigkeiten an einem Ort. Es gibt die Autos, die Passant*innen, die Bodaboda. Die Atmosphäre auf den Straßen ist etwas rau, was viele Probleme verursachen, aber auch sehr inspirierend sein kann, wenn man an einem Ort ist, an dem so viele verschiedene Formen der Fortbewegung gleichzeitig stattfinden.
Mich inspiriert das. Es gibt dort ein Maß an Simultanität, das ich mit verschiedenen parallelen Geschwindigkeiten und Rhythmen in meiner Musik nachempfinden möchte. Für mich ist das sehr typisch für Kampala, oder vielleicht sollte ich sagen für den Globalen Süden. Außerdem gefällt es mir, wie freundlich die Menschen in Kampala sind. Sie sind sehr entspannt. Du triffst Menschen und unterhältst dich nach kurzer Zeit schon mit ihnen. Das ist wirklich eine der Besonderheiten dieses Ortes – wie gastfreundlich und liebenswürdig alle hier sind.
[13:36]
Nsasi
Ich kenne nicht so viele Festivals hier außer dem Nyege Nyege Festival. Tatsächlich kenne ich nur dieses Festival. Sie präsentieren unterschiedliche Musik aus aller Welt, womit sie auf gewisse Weise die Nachfrage geprägt haben. Sie sind risikofreudig. Sie haben keine Angst vor rohen Sounds. Das alles wirkt sich für mich auf den Musikkonsum hier bei uns aus. Denn wenn ein Label wirklich sehr berechnend damit ist, wie weit du gehen kannst oder wie zurückhaltend du mit Experimenten sein solltest, zum Beispiel mit Sounds, dann hat das auch einen gewissen Einfluss auf die Verbreitung. Denn dann formst du nicht die Hörgewohnheiten eines Marktes, den du schaffen willst. Aus meiner Sicht leistet Nyege Nyege großartige Arbeit. Und es ist das einzige Festival, zu dem ich gehe...
[14:58]
Authentically Plastic
Es ist so interessant, weil aus der Kombination all dieser Künstler*innen und Musikrichtungen aus ganz Afrika eine sehr reizvolle Mischung entstanden ist. Also meines Wissens hat vor Nyege Nyege niemand Musik auf diesem Level kuratiert.
Eine große Hilfe war auch ihr Raum für Kunstschaffende namens „the Villa“, denn viele gehen dorthin und nutzen das Studio. Die queere House-Party-Szene in Kampala hat großartige Dinge hervorgebracht. Es gab viele Crossovers zwischen Nyege Nyege und diesen Partys, die ich gemeinsamen mit meinen Freund*innen veranstaltet habe. Sie haben einfach eine Atmosphäre der Offenheit geschaffen, in der Queersein okay war. Und sie haben auch für andere heterosexuelle Kunstschaffende aus der Nyege-Szene einen Raum geboten und gezeigt, dass du hier tatsächlich wie in einem Freiraum und ohne Probleme auch mit Menschen anderer sexueller Orientierungen leben kannst. Wir alle sind einfach nur Menschen, und wir alle sind nur Künstler*innen.
Aus der queeren House-Partyszene habe ich gemeinsam mit einigen befreundeten Künstler*innen die Inspiration für unsere Veranstaltungen mit dem Titel „Anti Mass“ gezogen. Das sind queere Raves, die in ganz Kampala stattfinden. Mit Anti Mass war es ehrlich gesagt keine leichte Aufgabe, neue Orte zu finden, insbesondere nach der Pandemie. Zu Beginn waren viele Menschen in unserem Umfeld recht offen, uns ihre Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen; das war großartig. Mit der Zeit ist es etwas schwieriger geworden, es ist ja eine queere Party. Außerdem besteht das Risiko von Polizeirazzien bei den Veranstaltungen und einige Venues wollen vielleicht nicht die Verantwortung übernehmen. Oder sie verstehen nicht wirklich, was wir vorhaben. Wir leben mit diesen zahlreichen Ebenen der möglichen Sabotage und Polizeiintervention. Als queere Party-Veranstalter*innen lassen wir einfach nicht locker und suchen nach den richtigen Partner*innen für eine Zusammenarbeit. Und inzwischen haben wir Leute gefunden, die uns respektieren. „Die uns mehr oder weniger respektieren.“
Die Zusammenarbeit mit unseren Ton- und Lichtleuten war okay, die Lage hat sich mehr oder weniger stabilisiert. Unser Label wird größer. Wir haben gerade eine Veröffentlichung herausgebracht und planen für 2023 einige wenige weitere, denn wir sind nur ein sehr kleines Team. Es hat sich alles einfach ganz toll gefügt. Es kommt mir sogar etwas schräg vor, uns als Label zu bezeichnen. Das klingt so nach Industrie! Dabei treffen wir uns nur und machen Musik, die wir anschließend einfach veröffentlichen.
[17:52]
Authentically Plastic
An einem von Grund auf vergifteten Ort – damit meine ich einen Ort, an dem der Staat grundsätzlich gegen dich ist – war das keine leichte Aufgabe. Es hat Auswirkungen auf unsere mentale Gesundheit und auf unseren Einsatz für unsere Veranstaltungen. Doch wenn wir dann tatsächlich zusammenkommen und eine Veranstaltung organisieren, und es ist vorbei und war ein Erfolg, dann ist das ein großartiges Gefühl. Es fühlt sich immer wie ein Wunder an, wenn wir wieder eine erfolgreiche Veranstaltung organisieren konnten. Dafür bin ich sehr dankbar, und auch dafür, dass wir uns gegenseitig haben, um uns in diesem Prozess zu unterstützen.
Wir wollen unser Label mit neuen internationalen und lokalen Kollaborationen weiter vergrößern. Vor allem internationale Kollaborationen wären meines Erachtens eine tolle Gelegenheit, um unser Label über seine eigenen geografischen Grenzen hinaus bekannt zu machen. Für mich ist es sehr wichtig, diese musikalischen Verbindungen herzustellen, die über das total Lokale hinausgehen – diese Energien ändern sich spürbar, wenn sie mit anderen Energien von anderen Orten zusammentreffen. Welche Art von Kunst kann daraus entstehen?
[19:06]
Nsasi
Ich liebe es viel mehr, außerhalb von Kampala kreativ zu sein. Für mich liefert die Stadt keine wirkliche Inspiration für meine Arbeit, weil ich hier gleichzeitig lebe. Natürlich inspirieren mich vor allem in Kampala verschiedene Alltagserlebnisse, doch kreativ bin ich am liebsten außerhalb der Stadt. Allerdings gestalte ich manchmal Moodboards von bestimmten Alltagssituationen. Meine Inspiration ziehe ich vor allem aus Spaziergängen außerhalb der Stadt, wo es ruhig ist und ich meinen Blick weiten und verschiedene Klänge aus der Natur entdecken kann. Es können auch Gerüche sein, Erlebnisse auf der Fahrt aus der Stadt heraus. Alles Mögliche kann in mir diese wunderbare Inspiration auslösen, die ich dann an meinem Computer umsetze. Ich habe immer meinen Computer dabei, um Skizzen zu machen, wenn mich etwas inspiriert. Manchmal mache ich mir einfach nur kurze Notizen.
[20:24]
Nsasi
Wir wollen mehr Musik veröffentlichen und mit so vielen anderen Künstler*innen zusammenarbeiten und die Zahl der grenzübergreifende Kollaborationen steigern – wir müssen unsere Möglichkeiten neu ausloten und 2023 an größeren Projekte arbeiten.
[21:03]
Rey Sapienz
Es gibt viele neue Produzent*innen und DJs, die sich gegenseitig inspirieren. Viele Künstler*innen versuchen sich an neuen Sachen, und Menschen wie beispielsweise DJ Kampire haben auch eine wichtige Funktion. Sie ist Hardcore. Viele Frauen arbeiten als DJs. Davor war die Szene ganz schön patriarchalisch organisiert. Es war nicht leicht, eine Frau für einen Gig zu buchen, weil alles ganz anders war. Mittlerweile hat sich die Situation total verändert.
Alle wollen sich davon inspirieren lassen, wie es die Pionier*innen gemacht haben. Sie konzentrieren sich einfach auf ihre Arbeit, und es ist ihnen egal, ob sie für zwei oder drei Leute bezahlen. Doch mit der Zeit gefällt es den Menschen, weil es egal ist, wer da vorne steht, und weil sie eigentlich sogar besser sind, sie sind die besseren DJs. Nyege Nyege gibt allen die Gelegenheit aufzutreten, auch mit traditioneller Musik, die wir auch schon bei unseren Veranstaltungen hatten… Elektronische Musik kommt im Club ziemlich druckvoll rüber. Alle können dazu tanzen in den Clubs, aber niemand könnte es spielen. Doch die neuen DJs legen alle Arten von Musik und jede neue Musikrichtung auf.
[23:21]
Martin Kanja
In der Regel beginnt meine Arbeit mit einem Konzept oder einer Idee, mit der ich mich auseinandersetzen möchte – wie ich mich fühle oder was mich im Moment bewegt. Dann entwickle ich Sounds, die dieser Stimmung entsprechen, und Texte, die meine Botschaft noch deutlicher machen. Wenn ich eine Idee habe, arrangiere ich zunächst die Klänge verschiedener Instrumente. Ich spiele alles selbst, also beginne ich einfach mit Gitarrensounds oder Drums und baue darauf auf. Manchmal verwende ich sogar meinen Gesang als Hauptinstrument. Dann entwickle ich ausgehend von meinem Gesang und dem Konzept die Sounds und den Aufbau. Wenn das Konzept also eher dunkel oder futuristisch ist, und ich damit Zukunftswünsche verbinde, dann gehe ich es auch so an und lasse es wie einen Soundtrack klingen.
In Kampala tritt an jedem Abend jemand auf. Zum Beispiel kann man an einem Mittwoch zu einer Show gehen und einen guten Abend haben. Die Atmosphäre ist gut und entspannt hier. Die Menschen haben viel Energie, die sie loswerden wollen, und sie sind sehr offen gegenüber allem, das ihre Körper in den Bann zieht und in Bewegung bringt, damit sie Party machen können. Für mich ist die Musikszene in Kampala sehr authentisch, offen, freundlich, und sie ist sehr vielfältig…
[24:53]
Martin Kanja
Kampala als Ort beflügelt meine Kreativität, weil es hier sehr grün ist, und der See ist nicht weit entfernt. Es ist schön hier, und es gibt viele Orte, an denen du meditieren, entspannen und die Seele baumeln lassen kannst. Die Lebenshaltungskosten und Mieten sind auch erschwinglich. Künstler*innen brauchen vor allem ein Dach über dem Kopf und regelmäßige Gelegenheiten für Partys und etwas zu essen und zu trinken. Kampala selbst ist sehr reizvoll, es ist sehr grün und hügelig. Es gibt sehr viele schöne Orte mit Bäumen und Tieren, und der See ist nicht weit. Dort kann ich meditieren, was mir sehr gut tut, weil ich das als Künstler brauche. Ich mache Metal, und Metal braucht Orte in der Natur, fern von den Menschen. In der Umgebung von Kampala gibt es auch Inseln, auf denen man entspannen und in die richtige Stimmung kommen kann.
[25:56]
Martin Kanja
Die Stimmung ist hier wie in Elon Musks SpaceX, denn es ist im Moment auf gewisse Weise das musikalische Zentrum von Afrika. Die Atmosphäre ist sehr offen, und die Menschen sind freundlich und aufgeschlossen gegenüber neuen Musikrichtungen und Experimenten mit neuen musikalischen Ausdrucksformen und der Energie verschiedener Künstler*innen, die hier ein- und ausgehen. Kampala ist auch gut mit dem Flugzeug zu erreichen. Ich denke, in den nächsten Jahren wird die Musikszene in Kampala noch internationaler sein als sie es heute schon ist.
Das Umfeld ist hervorragend, weil immer mehr Menschen und Musikproduzent*innen hier zusammenkommen und miteinander kooperieren. Außerdem werden hier Festivals veranstaltet, die wirklich international sind. Verschiedene Studios bieten Residenzen und viel Unterstützung für junge aufstrebende Künstler*innen, weil die Szene immer frisches Blut und neue Ideen braucht. Außerdem braucht es nicht so viel Überzeugungskraft wie in anderen Szenen, weil sich hier alle von allein an die Arbeit machen. Es ist also immer gut, an dich zu glauben, du machst es und musst dich dafür nicht ändern, und du bekommst es immer noch so hin, wie du es dir wünscht. Und es ist eine schöne Art, dich mit anderen Künstler*innen in der Welt, mit der internationalen Szene zu vernetzen, weil es hier schon eine gute Infrastruktur mit Studios und Festivals gibt. Das Umfeld ist sehr motivierend. Du nimmst etwas auf und spielt es in der nächsten Woche oder am nächsten Wochenende irgendwo und kannst sehen, wie das Publikum reagiert. Es ist eine gute Möglichkeit für Künstler*innen, zu wissen, was sie tun, und du kannst am System und seinen Prozessen teilhaben.
[28:09]
Turkana
Schauen wir auf die Zeit, in der wir leben, und auf die Macht der Medien. Die Medien haben so viele Dinge schon immer auf unterschiedliche Weise dargestellt. Und wenn Menschen etwas schreiben, dann haben sie manchmal vielleicht noch keine Erfahrungen mit dem, worüber sie schreiben, oder sie haben sich noch nie in diesen Bereich begeben. Für mich haben die Medien einen wichtigen Einfluss auf die Verbreitung von Musik und auf die Art von Musik, die wir hören. Manchmal habe ich das Gefühl, einige Menschen wollen dich in einen Markt hineindrängen, der ihnen angenehm ist, oder du sollst irgendwie sein oder irgendwie klingen, um einen Gig zu bekommen, weil sich diese Menschen dann gut fühlen. Da fehlt dann der Blick für die Unterschiede. Ich komme nicht aus derselben Richtung, aus der du kommst, und meine Musik hat nichts mit dir zu tun. Und es ist wichtig, dass wir Kulturen miteinander in Kontakt bringen und verschiedene Klangwelten verstehen. Aber der Gedanke, dass du auf eine bestimmte Weise klingen musst, um an einem bestimmten Ort zu spielen, ist ziemlich absurd.