Gemeinsam stark: Netzwerkarbeit in der Vorintegration
Die Goethe-Institute in Südostasien, Südosteuropa, Nordafrika/Nahost und Brasilien bündeln das Know-how ihrer unterschiedlichen Kooperationspartner, um potentielle Zuwander*innen optimal auf das Leben in Deutschland vorzubereiten.
Von Janna Degener-Storr
Mit einem Wohnortswechsel ist immer organisatorischer Aufwand verbunden und mit einem Umzug in ein anderes Land gehen zusätzlich meist sprachliche, kulturelle und bürokratische Hürden einher. Wer aus Südostasien, Südosteuropa, Nordafrika/Nahost oder Brasilien kommt und seinen Lebensmittelpunkt dauerhaft nach Deutschland verlegen möchte, bekommt bei diesen Schritten Begleitung und Unterstützung von den Goethe-Instituten vor Ort. Die Mitarbeiter*innen der Vorintegrationsarbeit müssen sich in den Ziel- und Herkunftsregionen auskennen, mit typischen Herausforderungen von Migrationsprozessen vertraut sein und die notwendigen Beratungskompetenzen mitbringen, um das Vertrauen der Zuwanderer*innen zu gewinnen.
Doch die Fragen, die im Rahmen der Vorintegrationsarbeit auftauchen können, sind vielfältig, komplex und teilweise auch sehr individuell. Um jeden einzelnen Migranten optimal auf seinem Weg begleiten zu können, setzen die Goethe-Institute auf eine Netzwerkarbeit, die im neuen Projekt „Vorintegration in den Regionen Südostasien, Südosteuropa, Nordafrika/Nahost und Brasilien“ weiter professionalisiert wird.
Jeder trägt seinen Teil bei
Beispielsweise an den Standorten in Südosteuropa stehen die Goethe-Institute in einer Kooperation mit der Diakonie, die seit 2009 im Projekt „Vorbereitet und erfolgreich nach Deutschland“ individuelle Migrationsberatung vor der Einreise durchführt. „Die Beraterinnen und Berater der Diakonie bringen ein fundiertes juristisches Know-how mit. Wenn die Zuwandernden sich mit spezifischen rechtlichen Fragen an uns wenden, die wir nicht beantworten können, profitieren wir also sehr von der Zusammenarbeit mit ihnen“, erklärt Andrea Hammann, Projektleitung Vorintegration in der Zentrale des Goethe-Instituts. Jürgen Blechinger, Jurist und Leitung der Stabsstelle Migration bei der Diakonie Baden, sagt: „Um in Deutschland erfolgreich zu sein, ist es wichtig, den Integrationsprozess frühzeitig vorzubereiten und viele Einzelfragen zu klären. Hier arbeiten unsere Beraterinnen und Berater in der Türkei, im Kosovo, in Albanien, Bosnien-Herzegowina, Russland, in der Ukraine, in Georgien und Armenien eng mit den Migrationsberatungsstelle am geplanten Zuzugsort in Deutschland zusammen und mit den Goethe-Instituten und privaten Sprachschulen in den Herkunftsländern. Ein gutes Deutschsprachniveau ist wichtig, gerade um beruflich erfolgreich im qualifizierten Bereich Fuß zu fassen“.Darüber hinaus bestehen an einigen Standorten weitere lokale Kooperationen. Das Goethe-Institut Bosnien und Herzegowina zum Beispiel wird bei allen Fragen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen von Mitarbeiter*innen des Projekts ProRecognition unterstützt. Projektmitarbeiterin Lejla Djelilovic erklärt: „Wir arbeiten in Sarajevo bereits eng mit unseren Anerkennungs-Teams zusammen. Diese Vernetzung möchten wir zukünftig auch nutzen, um in der Provinz aktiver zu werden.“ Und die Kolleg*innen im benachbarten Serbien realisieren viele kostenlose Angebote in Kooperation mit dem Deutschen Haus Montenegro, das vor Ort als Sprach- und Prüfungspartner fungiert.
Das Goethe-Institut Istanbul kooperiert intensiv mit dem Projekt „Meine neue Heimat“ (MNH) der Alevitischen Gemeinde Köln, das wie die Vorintegrationsprojekte des Goethe-Instituts und der Diakonie durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der Europäischen Union gefördert wird. MNH-Koordinator Doğan Şengül erklärt: „Wenn Sprachkursteilnehmer oder andere Interessierte, die nach Deutschland auswandern wollen, sich mit ihren Fragen oder Problemen an das Goethe-Institut oder auch an Sprachschulen in anderen Teilen der Türkei wenden, können sie von den von uns ausgebildeten Mitarbeitern beraten werden. Darüber hinaus führen unsere Leute auch Tages- oder Zweitagesseminare bei Veranstaltungen durch, die vom Goethe-Institut organisiert werden. Diese Kooperation läuft schon seit über zehn Jahren, was für ein EU-Projekt ungewöhnlich ist, und hat sich wunderbar eingespielt.“ Auch Projektmitarbeiterin Gülseren Güleryüz sagt: „Wir profitieren schon seit einigen Jahren sehr von der engen Vernetzung im AMIF-Team, aber während der Corona-Zeit haben wir die Bedeutung der Zusammenarbeit noch einmal neu schätzen gelernt. In Kooperation mit den Kolleginnen und Kollegen vom Projekt ‚Meine neue Heimat‘ bieten wir zum Beispiel Online-Seminare an, mit denen wir jetzt Menschen in der ganzen Türkei erreichen können, für die unsere Präsenzangebote in Istanbul aufgrund der weiten Anreise keine Option wären.“
Ein Gewinn für alle Beteiligten
An Standorten in Südostasien fokussiert sich die Netzwerkarbeit auf die deutschen Botschaften. Die Goethe-Institute in Indonesien und Thailand laden regelmäßig Vertreter*innen der Visumsabteilungen als Referent*innen zu ihren Veranstaltungen ein, eine ähnliche Kooperation ist auch in Myanmar geplant. „Bei unseren Informationsveranstaltungen zum Leben und Arbeiten in Deutschland kommen zum einen Alumni zu Wort, die zur Eheschließung oder zur Arbeitsaufnahme ausgewandert sind und von ihren Erfahrungen berichten, zum anderen aber auch Vertreter und Vertreterinnen der Botschaft, die in einem Vortrag erklären, welche Schritte nötig sind, um das Visum zu beantragen und welche Dokumente dafür vorausgesetzt werden“, erklärt Sombatua Sihotang vom Goethe-Institut Indonesien. Das Interesse der potentiellen Migrant*innen an solchen Kooperationsveranstaltungen sei sehr groß. Das bestätigt auch der Arzt Hafid Zulfikar, der 2019 an dem Seminar teilnahm. Er wollte damals zu seiner Frau ziehen, die in Deutschland studierte: „Vom deutschen Kulturinstitut bekam ich viele hilfreiche Informationen zum Leben in Deutschland. Bei der Veranstaltung mit der deutschen Botschaft konnte ich dann auch fragen, welches Visum für mich geeignet ist und was ich außerdem für die Reise vorbereiten muss. Anschließend konnte ich im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland ausreisen“.Beratung für die Berater*innen
Eine besonders intensive und standortübergreifende Kooperation schließlich pflegt das Goethe-Institut mit den Jugendmigrationsdiensten, die auf ihrem Portal jmd4you neben Informationen auch Online-Beratungen auf Deutsch, Türkisch und Russisch zur Verfügung stellen. Die erfahrenen Berater*innen des JMD sitzen an verschiedenen Standorten in Deutschland und geben ihr Know-how regelmäßig in Beratungsschulungen an die Mitarbeiter*innen der Goethe-Institute weiter, zuletzt beim gemeinsamen Abschlussseminar des im Juli zu Ende gegangenen Projekts in Südostasien und Südosteuropa, das aufgrund der Corona-Pandemie online stattfand. Für Mitarbeiter*innen, die neu in die Vorintegrationsarbeit einsteigen, bieten die Berater*innen der Jugendmigrationsdienste auch die Möglichkeit, in den verschiedenen Beratungsstellen des Jugendmigrationsdienstes zu hospitieren. Darüber hinaus stehen sie im Arbeitsalltag als Ansprechpartner*innen für die Kolleg*innen im Ausland zur Verfügung.Ab Mitte November 2020 soll dafür das Online-Beratungstool „jmd4you“ genutzt werden, das den Berater*innen an den Goethe-Instituten ermöglicht, ihre Fragen direkt im Intranet des Jugendmigrationsdienstes zu stellen und so – datenschutzkonform – schnell kompetente Antworten zu erhalten. Özcan Ülger, Projektleiter der JMD-online-Beratung, hofft, in Zukunft noch enger mit den Goethe-Instituten und den anderen Akteur*innen der Vorintegrationsarbeit zusammenzurücken: „Mit unseren unterschiedlichen Angeboten tragen wir alle unseren Teil dazu bei, den Migranten und Migrantinnen auf ihrem Weg zu helfen. Doch bisher können wir den Beratungsbedarf nicht decken. Je besser wir kooperieren, desto mehr können wir schaffen.“
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