Gemeinsam Brücken bauen

In einem großen Raum sieht man Leute, die mit Projektmitarbeiter*innen der Vorintegration ins Gespräch kommen
Die Messe zu den Vorintegrationsmaßnahmen in den teilnehmenden Weltregionen | © Bernhard Ludewig

Seit jeher unterstützt das Goethe-Institut Menschen bei ihrer Migration nach Deutschland. Wie sieht die Unterstützung aus? Was läuft gut? Was muss noch getan werden?

Darum ging es bei der Veranstaltung „Entdecken. Aufbrechen. Ankommen. Ergebnisse der Vor- und Erstintegrationsprojekte des Goethe-Instituts und Potentiale für die Fachkräfteeinwanderung“.

Von Janna Degener-Storr

Menschen aus aller Welt wagen den Schritt ins Ausland, um neue Erfahrungen zu sammeln und neue berufliche Perspektiven zu finden. Ihnen gegenüber steht die deutsche Wirtschaft, die einen großen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften meldet. Die Bundesregierung versucht, beide Seiten zusammenzubringen. Und Institutionen wie das Goethe-Institut leisten einen erheblichen Beitrag. Wie gut das gelingt und welche Herausforderungen damit einhergehen, das war Thema der Veranstaltung Entdecken. Aufbrechen. Ankommen. Ergebnisse der Vor- und Erstintegrationsprojekte des Goethe-Instituts und Potentiale für die Fachkräfteeinwanderung, die am 11. und 12. Mai 2022 in Berlin stattfand.

Chancen und Herausforderungen der (Vor-)Integration

Wie gelingt es, ausländische Arbeitskräfte in deutschen Betrieben und in der deutschen Gesellschaft so vorzubereiten, dass sie gut in Deutschland ankommen und dauerhaft bleiben? Welche landeskulturellen Kenntnisse sind notwendig und wie gut müssen die Bewerber*innen Deutsch sprechen, um sich hier zulande wohl zu fühlen und beispielsweise als Pfleger*in in einem Krankenhaus oder als Ingenieur*in in einem Unternehmen arbeiten zu können? Wie kann sich die deutsche Wirtschaft im internationalen Wettstreit um gute Arbeitskräfte behaupten? Das sind nur einige Fragen, die diskutiert wurden.

Dabei wurde deutlich: Auch beim Thema Fachkräftezuwanderung sind die Corona-Pandemie und der aktuelle Krieg in der Ukraine zu spüren. Michael Kellner vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz kündigte eine schnellere Visavergabe für Fachkräfte und ihre Familien an: „Es gab in den Koalitionsverhandlungen eine große Einigkeit zwischen allen drei regierungstragenden Parteien, dass da etwas geschehen muss. Ich denke, dass wir bis 2023 gravierende Reformen in unserem Land sehen werden.“ Und Dr. Martin Wansleben vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag sagte: „Wir brauchen Arbeitskräfte aus dem Ausland, bestimmt 300.000, 400.000. Wir brauchen Leute aus dem Installationsbereich, aus dem Dachdeckerbereich, aus dem Baubereich. Und wir müssen uns verdammt anstrengen, um diese Arbeitskräfte zu bekommen“.

Menschen begleiten: Von der alten in die neue Heimat

In weiteren Diskussionsrunden kamen unter anderem Vertreter*innen der Integrationslandschaft in Deutschland, Beratungsstellen und Migrantenorganisationen sowie Wissenschaftler*innen zu Wort. Im Zentrum der Veranstaltung stand die Arbeit des Goethe-Instituts mit seinen Projekten Vorintegration und Ankommen in Deutschland, die durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union kofinanziert werden und deren Laufzeiten in diesem Jahr enden. Mit unterschiedlichsten kostenfreien Angeboten der Vorintegration – von persönlichen Beratungen bis zu interkulturellen Kompetenztrainings – richten sich die Goethe-Institute an vielen Standorten der Welt an Menschen, die nach Deutschland migrieren möchten. Projektmitarbeitende aus dem Ausland standen bei einer veranstaltungsbegleitenden Messe bereit, um über ihre Arbeit zu sprechen. Katharina Karpa koordiniert das Vorintegrationsprojekt in Kairo und berichtet: „Die Besucher*innen der Messe zeigten großes Interesse an unseren Angeboten und suchten das Gespräch mit uns. Wir hatten die Möglichkeit, von unserer täglichen Arbeit vor Ort zu berichten und uns mit möglichen Kooperationspartnern zu vernetzen.“

Von der Heimat aus, aber auch in Deutschland und vor allem während des Übergangs können Zuwandernde zudem auf das Webportal Mein Weg nach Deutschland zugreifen, das im Projekt Ankommen in Deutschland angesiedelt ist. Darüber hinaus hat das Goethe-Institut in unterschiedlichen ländlichen Regionen Deutschlands so genannte Infohäuser aufgestellt, die Zugewanderten Zugang zu weiteren, auch nicht-digitalen, lokalspezifischen Ressourcen bieten. Kommunale Vertreter*innen diskutierten die Bedeutung dieser Infohäuser. Ein Infohaus war in den Veranstaltungsräumen aufgestellt, so dass die Teilnehmenden das Angebot selbst erkunden konnten.

Input von Expert*innen und Zugewanderten

Der Sozialwissenschaftler Wolfgang Bosswick präsentierte die Evaluation „Den Übergang erfolgreich gestalten. Evaluationsbericht zum Projekt Vorintegration in den Regionen Südostasien, Südosteuropa, Nordafrika/Nahost und Brasilien“ des Vorintegrationsprogramms und lobte unter anderem, wie die Projektmitarbeitenden im Ausland die pandemiebedingten Herausforderungen gemeinsam geschultert und in kürzester Zeit digitale Angebote geschafft haben, die zwar durchaus Barrieren mit sich bringen, aber gerade im ländlichen Raum auch eine höhere Reichweite erzielen. Die Leiterin der Abteilung für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Naika Foroutan, stellte die Ergebnisse der Vorintegrationsarbeit in Bezug zur Situation von Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland. Die deutsche Gesellschaft gehe noch nicht entschieden genug gegen Diskriminierung und Ausschluss vor – trotz der hohen Einwanderungszahlen und aller diversitätspolitischen Bemühungen, sagte die Expertin und wies auf eine aktuelle Entwicklung hin: „Tatsächlich ist der Großteil der Migrant*innen, die hier sind, aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks. Das wird die kommenden Jahre eine große Herausforderung werden. Wir prognostizieren, dass wir es mit unterschiedlichen neuen antislawischen Einstellungen zu tun haben werden, aber auch mit Konflikten innerhalb dieser Gruppen“.
Von Hoffnungen und Enttäuschungen, aber auch von glücklichen Begegnungen und persönlichen Erfolgen berichteten schließlich Zugewanderte aus erster Hand. David Aboudi aus Kamerun zum Beispiel dachte anfangs noch, mit hundert Euro in der Hand werde er in Deutschland weit kommen – und schaffte es schließlich tatsächlich irgendwie, sein Studium zu finanzieren. Sinenhlanhla Buthelezi aus Südafrika erinnert sich noch gut daran, wie sie anfangs in einem deutschen Supermarkt angeschrien wurde, weil sie an der Kasse zu langsam war – und fühlt sich heute in Deutschland zuhause. Sanja Kitic aus Bosnien und Herzegowina wurde zunächst von ihrem deutschen Arbeitgeber ausgebeutet und leitet heute einen Wohnbereich eines Münchner Seniorenheims. Alle drei erzählen ihre Geschichte in einer Videoblog-Reihe auf dem Webportal „Mein Weg nach Deutschland“.




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