Das Goethe-Institut
Innen und Außen
Migration, Klimawandel, Globalisierung und nicht zuletzt die Pandemie haben die Arbeit des Goethe-Instituts in Deutschland verändert. Vom Webportal „Mein Weg nach Deutschland“ bis zum internationalen Austausch über Zukunftsvisionen: Wie die Arbeit des Instituts im Inland wirkt.
Foto: Jörg Gläscher
Wie die Arbeit des Goethe-Instituts im Inland wirkt
Etwas steif sitzt der Lehrer vor der Kamera und bindet sich eine große Serviette um den Hals. „Ich habe Hunger“, leitet er den Lehrfilm über Gepflogenheiten in deutschen Restaurants ein. Auf der Speisekarte stehen Gulasch, Kalbsschnitzel und gekochter Fisch. Die Essgewohnheiten in Deutschland haben sich seit den 1960er-Jahren geändert, als das Goethe-Institut den ersten Gastarbeiter*innen filmisch Sprachfertigkeiten für das Leben in Deutschland nahebrachte. Denn nicht zuletzt die Zugewanderten selbst haben eine gastronomische Vielfalt mitgebracht, wie es sie vorher nicht gab: Mittlerweile haben Pizza, Spaghetti oder Kebab längst Stammplätze auf den Esstischen erobert.
Gewandelt hat sich im Laufe der Jahrzehnte auch die Unterstützung für diejenigen, die nach Deutschland kommen. Aus Gastarbeiter*innen sind Migrant*innen geworden, hinzu kommt die seit 2015 stark gestiegene Migrationsbewegung aus Krisenregionen wie Syrien oder Afghanistan. Die Integration der Menschen, die nach Deutschland kommen, ist eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe geworden – auch für das Goethe-Institut.
Das Engagement des Goethe-Instituts reicht heute weit über das Sprachkursangebot hinaus. Bei der Bewältigung der vielen Klippen in der neuen Heimat hilft den Migrant*innen zum Beispiel das Webportal „Mein Weg nach Deutschland“, das bereits 2012 entwickelt wurde und jährlich etwa 700.000 Zugriffe verzeichnet. Das Portal, das in 30 Sprachen verfügbar ist, vermittelt unterschiedliche, für das Leben in Deutschland notwendige Kenntnisse wie zum Beispiel den Umgang mit verschiedenen Medien oder Orientierung für die erste Zeit in Deutschland etwa zu Behördengängen. Auch die App „Ankommen“, die 2016 vom Goethe-Institut gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit, dem Bayerischen Rundfunk und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erarbeitet wurde, hilft bei den ersten Schritten. Kulinarische Themen haben zwar immer noch ihren Platz – doch statt um Benimmregeln beim Gulaschverzehr geht es etwa darum, welches Essen halal ist und welche Lebensmittel Gelatine vom Schwein enthalten.
Das Engagement des Goethe-Instituts reicht heute weit über das Sprachkursangebot hinaus. Bei der Bewältigung der vielen Klippen in der neuen Heimat hilft den Migrant*innen zum Beispiel das Webportal „Mein Weg nach Deutschland“, das bereits 2012 entwickelt wurde und jährlich etwa 700.000 Zugriffe verzeichnet. Das Portal, das in 30 Sprachen verfügbar ist, vermittelt unterschiedliche, für das Leben in Deutschland notwendige Kenntnisse wie zum Beispiel den Umgang mit verschiedenen Medien oder Orientierung für die erste Zeit in Deutschland etwa zu Behördengängen. Auch die App „Ankommen“, die 2016 vom Goethe-Institut gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit, dem Bayerischen Rundfunk und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erarbeitet wurde, hilft bei den ersten Schritten. Kulinarische Themen haben zwar immer noch ihren Platz – doch statt um Benimmregeln beim Gulaschverzehr geht es etwa darum, welches Essen halal ist und welche Lebensmittel Gelatine vom Schwein enthalten.
Besser vorbereitet –
leichter integriert
Durch die verstärkte Zuwanderung nach Deutschland hat sich die innenpolitische Dimension der Arbeit des Goethe-Instituts erweitert: Denn je besser Zuwanderer*innen auf ihr Leben in Deutschland vorbereitet sind, desto leichter wird ihnen die Integration fallen.Heute und in Zukunft ist Deutschland auf Zuwanderung angewiesen, scheiden doch die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre allmählich aus dem Berufsleben aus. Der resultierende Fachkräftemangel zeichnet sich jetzt schon in einigen Berufen deutlich ab: Bis zum Jahr 2030 werden Schätzungen zufolge bis zu drei Millionen Fachkräfte benötigt, 2020 wurde die Zuwanderung aus Drittstaaten außerhalb der EU daher auch gesetzlich erleichtert.
In den Pflegeberufen etwa herrscht heute schon mit rund 30.000 unbesetzten Stellen ein eklatanter Personalmangel. Im Sommer 2021 hat das Goethe-Institut daher eine Kooperationsvereinbarung mit dem Arbeitgeberverband Pflege (AGVP) und der Bundesarbeitsgemeinschaft Ausländische Pflegekräfte (BAGAP) geschlossen, um gemeinsam eine gute sprachliche und interkulturelle Ausbildung der ausländischen Fachkräfte sicherzustellen – und zwar bereits vor deren Ausreise aus ihrem Heimatland. Das ist auch wichtig, wie Dien Ngoc Nguyen aus Vietnam betont, der in Berlin in der Pflege arbeitet und am Goethe-Institut Vietnam ein zwölfmonatiges sprachliches und interkulturelles Vorbereitungsprogramm für eine Ausbildung als Pflegekraft absolviert hat: „Nach vier Jahren in Deutschland habe ich eine wertvolle Lektion für die vietnamesischen Kursteilnehmer*innen gelernt“, so Dien Ngoc Nguyen. „Nehmt all die tollen Möglichkeiten des Vivantes-Programms in Vietnam wahr, um euer Deutsch zu verbessern. In der Ausbildung habt ihr wenig Zeit dafür.“
Weltweit erreicht das Goethe-Institut mit seinen Vorintegrationsangeboten wie Informationen zu Ausbildungsmöglichkeiten und dem deutschen Arbeitsmarkt, Bewerbungstrainings oder der Vermittlung von Kultur und Werten 16.000 Personen pro Jahr, die aus beruflichen oder privaten Gründen dauerhaft nach Deutschland migrieren möchten.
Auch als Sprachvermittler kommt den Goethe-Instituten im Ausland durch die geänderte Zuwanderungspolitik eine stärkere Rolle zu. Seit 2007 müssen zum Beispiel nachreisende Ehepartner*innen Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen, wenn sie in Deutschland leben wollen. Diese Regelung sorgte für einen sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach Kursen und Prüfungen, vor allem in den Goethe-Instituten in Südosteuropa und Südostasien. Legten etwa in Bosnien und Herzegowina zuvor nur durchschnittlich acht Kandidat*innen im Jahr die entsprechende Prüfung am Institut ab, waren es 2008 schon rund 800.
Austausch ist keine Einbahnstraße
Foto: Goethe-Institut Nairobi/Lameck Orina Die wachsende Mobilität in der Welt – sei es durch Flucht, Migration oder Fachkräftewanderung – bedeutet auch, dass Austausch keine Einbahnstraße mehr ist. Deutschland wird immer internationaler, und mit den Menschen sind auch andere Erinnerungskulturen, Wertehaltungen und Debatten gewandert.Anders ausgedrückt: Es sind nicht nur die Zugewanderten, die sich anpassen müssen. Auch die heimische Bevölkerung muss die Stimmen anderer Länder und Kulturen wahrnehmen und sich sozusagen der Welt stellen. Das Goethe-Institut übernimmt dabei die Rolle als Mittler. Einen „unschätzbaren Dienst“ nannte Alt-Kanzlerin Angela Merkel das Bestreben, die Innen- und Außensicht des Landes zusammenzubringen. Anlass ihres Plädoyers für mehr Gemeinsamkeit war die „Außenblick-Studie“, die das Goethe-Institut 2021 zusammen mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) erstellt hat. Dabei wurden die Einschätzungen Deutschlands der Menschen weltweit erfragt.
Die Ergebnisse sind zwiespältig: Sehr positiv werteten die Befragten die wirtschaftliche Stärke des Landes, das Gesundheitswesen und Deutschlands Rolle in den internationalen Beziehungen. Negativ fielen im Ausland dagegen extremistische Bestrebungen, Umweltskandale oder die mangelnde Digitalisierung auf.
Als weiterer Minuspunkt in der Wahrnehmung erwies sich die deutsche Haltung zum eigenen Kolonialismus. Das ist zugleich ein gutes Beispiel für die Rückwirkung der internationalen Stimmen auf den Diskurs im eigenen Land. In Deutschland gibt es eine anhaltende Debatte um die Rückgabe kolonialer Kulturgüter – sie durchzog landauf, landab die Museen. Das „International Inventories Programme“ der Künstler*innenkollektive The Nest (Kenia) und SHIFT (Deutschland/Frankreich) stellt die Frage nach der Rückgabe von Beutekunst und führt dabei die Positionen der Europäer*innen und der betroffenen Länder zusammen. An dem Projekt sind neben dem Goethe-Institut das National Museum of Kenya, das Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln, das Weltkulturen Museum in Frankfurt am Main und als Förderer der Ausstellungen die Kulturstiftung des Bundes beteiligt.
Als Hafenstadt war Hamburg ein Zentrum des deutschen Kolonialismus, die Spuren dieser Zeit haben sich in das Stadtbild eingeschrieben. Diese verdrängte Geschichte wieder sichtbar zu machen und so zur Dekolonisierung des öffentlichen Raums beizutragen, hat sich das Internationale Zentrum für Kulturelle Bildung des Goethe-Instituts in Hamburg mit dem Projekt „ReMapping Memories Lisboa – Hamburg“ zur Aufgabe gemacht.
Das Online-Projekt, das Informationen zu (post-)kolonialen Erinnerungsorten in Hamburg und Lissabon auf einer Webseite sammelt, ist ein gutes Beispiel für die Arbeitsweise der neugründeten Internationalen Zentren für Kulturelle Bildung an den Goethe-Instituten in Bonn, Dresden, Mannheim, Schwäbisch Hall und eben Hamburg. „Gefördert werden Initiativen oder Projekte, die eine plurale und diverse Gesellschaft in Deutschland stärken und mithilfe unseres weltweiten Goethe-Netzwerks um internationale Perspektiven ergänzen“, erläutert Schayan Riaz, Leiter des Zentrums in Hamburg, die Zusammenarbeit mit Partnern in Lissabon und Hamburg. „‚ReMapping‘ wird nun in weiteren Kontexten von uns eingesetzt. Zum Beispiel werden wir damit in Schulen gehen und mit den Inhalten des Projekts das Thema (Post-)Kolonialismus vermitteln.“
Stimmen von Außen nach Innen holen
Foto: Bernhard Ludewig An globalen Themen mangelt es derzeit wahrlich nicht – da ist das Thema Postkolonialismus nur eines von mehreren. Viele dieser Konflikte und Probleme lassen sich nur gemeinsam bewältigen, deshalb muss gemeinsam über Lösungen gesprochen werden. Das Goethe-Institut bringt dafür Stimmen aus anderen Ländern nach Deutschland. Das wiederum ist nicht ganz neu: Schon in den 1990er-Jahren organisierte das Institut mit dem Goethe-Forum Veranstaltungen in Deutschland, zu denen ausländische Künstler*innen und Intellektuelle eingeladen wurden. Doch der Ansatz erreicht heute neue Größenordnungen.Beim Kultursymposium Weimar treffen sich seit 2016 alle zwei Jahre internationale Expert*innen in der thüringischen Stadt und debattieren, wie wir uns in einer zunehmend komplexen Welt orientieren können. Über 70 Fachleute aus 35 Ländern waren es 2019, überraschend selbst für die Moderatorin Vivian Perkovic.
Innen und Außen, das Leben in Deutschland und die Welt da draußen: Diese Unterscheidungen gibt es in dieser Form nicht mehr. Kultur und gesellschaftliche Themen wirken weit über die Landesgrenzen hinaus und von dort wieder ins Inland zurück. Das gilt auch für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik – und damit für die Arbeit des Goethe-Instituts.
Text: Wolfgang Mulke