KI, maschinelle Übersetzung und kulturelle Vielfalt
Mensch gegen Übersetzungs­maschine

Logo der „Nacht der Wissenschaften“ 2020 in Helsinki/Finnland
Das Logo der diesjährigen „Nacht der Wissenschaften“ in Helsinki/Finnland. | Grafik: © Tieteiden yö

Welche Gefahren birgt die maschinelle Übersetzung? Und wie sieht ihre Zukunft aus? In der „Nacht der Wissenschaften“ diskutierten im Goethe-Institut Finnland Forscher*innen, Professor*innen und Übersetzer*innen über das Thema „Künstliche Intelligenz, maschinelle Übersetzung und kulturelle Vielfalt“.

Von Heidi Backström

Wenn es um künstliche Intelligenz geht, konzentrieren wir uns häufig auf bedrohliche Szenarien. Die „Nacht der Wissenschaften“ setzte den Schwerpunkt anders: Maschinelle Übersetzung beschleunigt die Übersetzungsarbeit erheblich und ermöglicht es, schneller auf Texte in mehreren Sprachen zugreifen zu können.

Maschinelle Übersetzung ist nichts Neues, auch wenn es im aktuellen Hype hinsichtlich künstlicher Intelligenz so scheint. 1954 gelang es der Georgetown University in Washington D.C., mehr als sechzig Sätze maschinell aus dem Russischen ins Englische zu übersetzen. Seitdem denkt man, dass Maschinen in Kürze den Menschen in der Übersetzungsarbeit ersetzen. In Wirklichkeit hat sich die maschinelle Übersetzung aber nur langsam entwickelt. Erst jetzt, in den 2020er Jahren, beginnt die Qualität der maschinellen Übersetzung ein wirklich nützliches Niveau zu erreichen.

Vier Referent*innen mit Publikum, an der Wand die Frage "How intelligent is machine translation?"
„Wie intelligent können Maschinen sein?“ war eine der Fragen bei „Künstliche Intelligenz, maschinelle Übersetzung und kulturelle Vielfalt" in Helsinki. | Foto (Zuschnitt): © Maarit Laitinen

Wie intelligent ist eine Übersetzungsmaschine?

In einem Projekt des Goethe-Instituts Finnland in Zusammenarbeit mit der Universität Helsinki wurde eine Übersetzungsmaschine für das Sprachpaar Finnisch-Deutsch speziell für den Eigenbedarf des Instituts entwickelt. Geleitet wird das Projekt von Professor Jörg Tiedemann. Im Herbst 2019 wurde in der finnischen Staatskanzlei eine neue Übersetzungsmaschine des gleichen Typs eingeführt. Ihre Qualität hat die Übersetzerinnen Päivi Creber und Alexandra Kellner, die beide an der finnischen Staatskanzlei tätig sind, positiv überrascht.

„Das Programm ist sogar erschreckend gut“, lacht Alexandra Kellner bei der „Nacht der Wissenschaften“. „Der erzeugte Text ist so fließend, dass man wirklich aufpassen muss, um eventuelle sachliche Fehler zu bemerken.“ Eine Übersetzungsmaschine unterscheidet beispielsweise ein Subjekt nicht immer von einem Objekt. Wenn man als Übersetzer*in einen solchen Fehler übersieht, kann dies peinlich oder sogar gefährlich sein. Die häufigsten inhaltlichen Fehler treten bei Sprichwörtern und Wortspielen auf. Spezielles Vokabular, wie zum Beispiel Vogelarten, bereitet der künstlichen Intelligenz ebenfalls Probleme.

„Maschinen denken nicht“

„Wir sprechen über künstliche Intelligenz wie über ein menschliches Wesen. Wir verwenden Wörter wie ‚denken‘ und ‚erfinden‘. Aber Maschinen denken nicht. Auf die Frage, ob Übersetzungsmaschinen intelligent sind oder nicht, könnte man die Gegenfrage stellen: Wenn sie ein Objekt nicht vom Subjekt unterscheidet, kann sie dann intelligent sein?“, meint die Forscherin Maarit Koponen, die sich intensiv mit maschineller Übersetzung befasst hat.

Bedrohung oder Erleichterung?

Für die beiden Übersetzerinnen ist die Übersetzungsmaschine ein gutes Werkzeug; sie sehen sie aber nicht als Bedrohung für ihre Arbeit. „Die Welt verändert sich, und die Aufgaben ändern sich ebenfalls", meint die Übersetzerin Päivi Creber. Die Maschine erstellt eine Grobübersetzung, aber die Übersetzer*innen spielen eine wichtige Rolle insbesondere bei der Überprüfung der Richtigkeit des Textes.
Die Maschine erleichtert die Arbeit vor Ort und bietet Raum für die Kreativität von Übersetzer*innen. „Die Entscheidungen trifft immer der Übersetzer, nicht die Maschine“, resümiert Creber. Menschliche Übersetzer*innen denken beispielsweise darüber nach, wer den Text liest und welche zusätzlichen Informationen der Empfänger möglicherweise benötigt. Maschinen verstehen die verschiedenen Zielgruppen nicht.

Sensibel und zuverlässig

Professor Jörg Tiedemann weist darauf hin, dass jede Übersetzung eine korrumpierte Version des Originaltextes ist. Bei Übersetzungen geht es daher immer um das Vertrauen in den Übersetzenden. Die Wissenschaftlerin Maarit Koponen legt Wert darauf, dass die Zuverlässigkeit und die Werte im Zusammenhang mit Übersetzungsmaschinen deutlich und in möglichst vielen Zusammenhängen diskutiert werden. Es gibt keine vollständig neutrale Datenbank und daher auch keine neutrale Übersetzungsmaschine.
Eine der Kernfragen des Projekts des Goethe-Instituts und der Universität Helsinki war, ob Maschinen geschult werden können, um kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen. Wie voreingenommen und polarisierend ist ein Text, der von einer Übersetzungsmaschine produziert wird? Kann er politisch korrekt sein? Definitive Antworten auf diese Fragen gab es in der „Nacht der Wissenschaften“ noch keine, aber die Frage hinsichtlich der Voreingenommenheit künstlicher Intelligenz ist eine brennende.

Die Zukunft der (maschinellen) Übersetzung

Der Bedarf an Übersetzungen nimmt in der globalen Welt zu. Tiedemann prognostiziert, dass es in Zukunft weitere Übersetzungsmaschinen geben wird, die sich auf bestimmte Zwecke spezialisieren. Das Projekt des Goethe-Instituts Finnland hat gezeigt, dass eine maßgeschneiderte Maschine, die nur begrenztes Quellmaterial verwendet, die üblichen Übersetzungsmaschinen schnell übertreffen kann.

Die Übersetzerin Päivi Creber glaubt, dass der Bedarf an Menschen für die Übersetzung bestimmter Textarten in weniger als zehn Jahren abnehmen oder sogar nicht mehr existieren wird. Weder Creber noch ihre Kollegin Alexandra Kellner denken jedoch, dass maschinelle Übersetzung jemals die Lösung für die Übersetzung von Texten aller Art sein wird. „Für bestimmte Bedürfnisse funktioniert die Maschine, für andere aber nur ein Mensch.“

Deutsche Übersetzung: Marjukka Mäkelä sowie das Übersetzungstool des Projekts
 
 

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