Flipping the odds Treibende Kraft für gesellschaftlichen Zusammenhalt
Am 28. und 29. Januar fand im Brüsseler Creative Hub „La Vallée“ eine Konferenz an der Schnittstelle von Kultur, Recht und Wirtschaft statt. Die Veranstaltung wurde organisiert vom EU-Projekt „Creative FLIP“ und der Europäischen Kommission. Mehr als 230 Stakeholder*innen und Entscheidungsträger*innen aus dem öffentlichen und privaten Sektor aus ganz Europa sowie Akteur*innen der Kultur- und Kreativwirtschaft nahmen daran teil.
Von Tanya Wittal-Düerkop / Benjamin Panten
„Europas Kultur- und Kreativwirtschaft steht auf meiner politischen Agenda ganz oben“, sagte die EU-Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend, Mariya Gabriel, auf der „Creative FLIP“-Konferenz. „Creative FLIP“ startete im Februar 2019 mit dem Ziel, Wachstumspotenziale für die europäische Kultur- und Kreativwirtschaft zu erschließen sowie angemessene und nachhaltige Rahmenbedingungen in den Bereichen Finanzen, Lernen, Innovation und Patentierung für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Europa zu schaffen. Wachstums- und Entwicklungskapazitäten sollen durch einen verbesserten Zugang zu Finanzmitteln und Rechten am geistigen Eigentum gestärkt werden. Die Konferenz bot Gelegenheit, die Fortschritte auf diesen Gebieten seit 2019 nicht nur politischen Gremien, sondern auch einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und weitere gemeinsame Schritte abzustimmen. Der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Johannes Ebert, betonte die Bemühungen, sich weiterhin für den Ausbau eines gemeinsamen kulturellen, europäischen Raumes einzusetzen: „Für uns ist Kultur- und Kreativwirtschaft nicht nur unter ökonomischen Aspekten wichtig, sondern vor allem auch mit Blick auf ihre gesellschaftliche Wirkung als treibende Kraft für gesellschaftlichen Zusammenhalt in einem modernen und innovativen Europa.“
Standort- und Zukunftsfaktor
Darin sind sich alle einig: Der Kultur- und Kreativsektor erlebte in den letzten zehn Jahren einen unglaublichen Boom. Die Erwartungen an die Branche sind hoch. Ihr sektorübergreifendes Potential soll Synergieeffekte und positive Impulse für nachhaltige Jobs, soziale Kohäsion und Innovation erwirken. Daher spielt sie auch für die Politik eine immer wichtigere Rolle, wie die europäische Kulturagenda 2018 oder Programme wie „Kreatives Europa“ zeigen. Hier setzt „Creative FLIP“ mit vielfältigen Sensiblisierungs-, Vernetzungs-, Kompetenz- und Qualifikationsmaßnahmen an, die vom Creative Hub Netzwerk sowie vom Goethe-Institut implementiert werden. Die Konferenz fungierte als Halbzeitbilanz der noch bis Mitte 2021 laufenden Programme, bot vertiefte Einblicke in konkrete Praxisbeispiele sowie Kompetenz- und Methodentransfer und schaffte zudem eine kreativ-freigeistige Atmosphäre für proaktives Networking.
Vielfalt, Fragmentierung, Konzentration
Dass die europäische Kreativ- und Kulturbranche boomt, belegen Statistiken und Studien. Dennoch leidet sie mehr als andere Wirtschaftszweige unter Restriktionen in ihren besonders stark fragmentierten Handlungsfeldern. Eine vielfach auf der Konferenz problematisierte Thematik war daher die Kleinteiligkeit des Sektors, die für eine organisierte und konzertierte Interessensvertretung EU-weit hinderlich ist. Auf der anderen Seite ist die Branche starken Konzentrationsphänomen und einer ständigen Veränderung der Märkte ausgesetzt, vor allem im Bereich der Plattform- und Streamingdienste. Dies ist eine große Gefahr für ihren eigenen Aktionsrahmen sowie allgemein für die kulturelle Vielfalt in der EU.
Finanzierungsumfeld und neue Geschäftsmodelle
Ebenfalls präsentiert wurden die Ergebnisse zweier Umfragen zu geistigem Eigentum sowie zum Zugang zu Finanzmitteln im Kultur- und Kreativsektor. Obwohl die Branche als Innovationsverstärker schlechthin gilt, sieht sie sich immer noch mit lähmenden Finanzierungsengpässen konfrontiert. Dank der jüngsten Initiativen der EU, aber auch auf Länder- und auf regionaler Ebene, werden derzeit neue und alternative Geschäftsmodelle sowie neuartige Finanzierungformen für die Kultur- und Kreativbranche erprobt. Dennoch – so berichteten viele Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer – gibt es immer noch zu viele Kultur- bzw. Kreativbetriebe, die von Investoren zurückgewiesen werden.