„Decolonising classical musics?“
Klassik und Kolonialismus
Beim Symposium „Decolonising Classical Musics?” des Goethe-Instituts diskutierten die Teilnehmer*innen über kolonialistische Aspekte klassischer Musik.
Von Hannah Schmidt
Ludwig van Beethoven interessierte sich für Exotismen, für andere Kulturen als die ihm vertraute europäische und deren Repräsentation in der Kunst. Damit war er in der Tradition der klassischen Musik nicht alleine. Das Goethe-Institut hat in einem Symposium im Rahmen von „The other Beethoven(s)“ nun den Fokus auf diesen genuin europäischen, oft kolonialistisch geprägten Blick auf andere Kulturen gerichtet – und zwar speziell im Bereich der klassischen Musik. Unter dem Titel „Decolonising Classical Musics?“ diskutierten am Sonntag im Berliner radialsystem Musiker*innen, Komponist*innen und Wissenschaftler*innen Fragen zu transtraditioneller Musik, postkolonialen Perspektiven und zeitgenössischem Komponieren.
Die Rolle der afrikanischen Kunstmusik in der Klassik
In seiner Keynote sprach der Musikwissenschaftler Kofi Agawu von der City University of New York (CUNY) über afrikanische Kunstmusik und ihre Rolle in der klassischen Musik. Am Beispiel verschiedener Werke des African Pianism aus dem 20. Jahrhundert zeigte Agawu einerseits die Einflüsse des Kolonialismus auf das musikalische Bewusstsein der Komponist*innen auf und verdeutlichte andererseits die davon unabhängigen spezifischen Besonderheiten des Genres. „Immer wieder gibt es Kritiker*innen, die meinen, afrikanische Komponist*innen reproduzierten die europäische Entwicklung“, sagt Agawu. „Doch wir müssen uns abgewöhnen zu glauben, dass die europäische Geschichte linear verlaufen sei. Manche Stile wie Minimalismus oder Post-Minimalismus können schwerlich als komplex bezeichnet werden.“Zahlreiche Werke afrikanischer Klassik könnten demgegenüber den beginnenden Avantgarden der 1920er Jahre entsprungen sein – wurden aber Jahrzehnte früher komponiert. Dennoch sind Namen afrikanischer Komponisten wie Joshua Uzoigwe, Akin Euba, Ayo Bankole, Emmanuel Gyimah Labi oder Olufęlá Şowándé nach wie vor wenig populär, was laut Agawu verschiedene Gründe hat. Einen dieser Gründe sieht er in dem weißen „Skeptizismus bezüglich der Fähigkeiten Schwarzer und People of color.“ Doch: „Weißsein oder Europäischsein sind keine selbstwirksamen Kategorien, wenn es um Kreativität geht. Afrikanische Kunstmusik beschreibt eine Modernität, die eine konstante Redefinition mit sich bringt – sie ist dynamisch.“