Internationaler Hilfsfonds 2020
Den Funken überspringen lassen
Die Outreach Foundation in Johannesburg leistet Quartiersarbeit im Zentrum der Stadt. Mit Mitteln aus dem Internationalen Hilfsfonds des Goethe-Instituts, des Auswärtigen Amts und weiterer Stiftungen und Kulturmittlerorganisationen konnte ein generationenübergreifendes Theaterprojekt fortgesetzt werden.
Von Kwanele Sosibo
Von der Pietersen Street im Herzen von Hillbrow aus übersieht man das Gebäude der Outreach Foundation, selbst wenn man weiß, wo man suchen muss. Bei meinem Besuch an einem Samstagmittag Anfang November eskortieren mich zwei Eis essende Halbwüchsige an mein Ziel. Sie waren nicht einmal selbst auf dem Weg dorthin, aber offenbar genießt die zwischen Hochhäusern und Bürogebäuden auf einem alten Kirchenareal gelegene Outreach Foundation eine gewisse Wertschätzung und Bekanntheit unter Jugendlichen.
Das dem Hillbrow Theatre angegliederte Performance Arts Programme von Outreach ist am südlichen Ende des Grundstücks untergebracht, unmittelbar an die Edith Cavell Street angrenzend. Es umfasst eine Gruppe historischer Gebäude, die von einem aus Backstein errichteten Altenheim-Komplex überschattet werden. Einmal in dem versteckten Hof angelangt, gehe ich über eine Treppe hinauf zum Proberaum. Dort begegnet mir eine Gruppe von etwa einem Dutzend maskentragender Kinder, die eine sehr dynamische Choreografie von Big Boy Ndlovu proben. Ndlovu, selbst Absolvent des Programms für darstellende Künste, gehört mittlerweile zu dessen Lehrern. Er steht vorn und zählt die Schritte einer sich wiederholenden Übung. Ab und an geht er nach hinten und beobachtet, kommt wieder zurück. „Fünf, sechs, sieben, acht ... “ Nach einer Weile halten die Kinder inne, um Luft zu holen.
Während Denyschen spricht, organisiert sich Gcebile Dlamini, ebenfalls Tutorin, mit einer anderen Gruppe von Schüler*innen via Zoom. Nach den Dreharbeiten werden die Schüler*innen abwechselnd eingeschätzt. Sie ist entweder mit den Ergebnissen zufrieden oder äußert leichte Kritik. Nach der Sitzung beenden die Schüler*innen ihren Tag mit einer R&B-gefärbten Version von „Nkosi Sikelel' iAfrika“ (politische Hymne wie auch Teil der Nationalhymne Südafrikas, Anm. der Red.).
Als sie zusammenpacken, ist Qhama Olivia Jack die erste Studentin, die ich interviewe. Sie ist Schülerin der nahegelegenen St. Endas Secondary School in Hillbrow. „Ich bin 2018 wegen der Schauspielerei hierher gekommen“, sagt sie, „aber ich wusste nicht, dass sie auch Tanz anbieten. Zuerst dachte ich, ich bin nicht hier, um zu tanzen, sondern um zu schauspielern. Aber dann habe ich mich eingewöhnt und mich gezwungen, zu tanzen. Ich liebe es wirklich und ich lerne hier einfach so viele verschiedene Dinge.“
Rozelle Philander, die früher am Nordkap lebte, schloss sich der Gruppe an, nachdem sie ihre Großmutter verloren hatte, die im Gegensatz zu ihren Eltern ihre Bestrebungen in der darstellenden Kunst stets mit Begeisterung unterstützt hatte. „Ich konnte nie richtig um sie trauern“, sagt sie auf dem Hof außerhalb des Proberaums. „Wenn ich auf der Bühne stehe und das tue, was ich liebe, habe ich das Gefühl, sie zu ehren. Ich fühle eine Art Frieden.“
Dlamini, die das Projekt seit 2012 leitet, erklärt, dass sie persönliche Geschichten als Mittel einsetzt, um ihre Schüler*innen dazu zu bringen, sich zu öffnen. „Wenn sie über ihr Leben in der Stadt, in den Wohnungen sprechen, kann ich ihnen erzählen, wie ich aufgewachsen bin, sie fragen, was sie darüber denken. Dann wird debattiert und geredet, und der Funke springt über.“
Dlamini versucht, das Programm dynamisch zu halten. Die Kinder sehen sich regelmäßig Theateraufführungen an (die sie rezensieren), reisen und haben Auftritte oder veranstalten Gespräche und Aufführungen mit anderen Theatergruppen. Abgesehen von den Herausforderungen streitlustiger Eltern, die ihre Kinder plötzlich aus dem Programm nehmen, und einer Abbruchquote, die sie den Launen des Erwachsenwerdens zuschreibt, sieht sie, wie die Kinder ihre Schüchternheit ablegen und selbstbewusster werden.
Für Projekte wie das generationenübergreifende Programm, das sie mit dem nahegelegenen Altenheim (einer Tochtergesellschaft der Outreach Foundation) durchführen, kam in diesem Jahr der Ungewissheiten und finanziellen Instabilität der Internationale Hilfsfonds 2020 wie eine unerwartet zugeworfene Rettungsleine.
„Es kommt sehr selten vor, dass man einen Anruf erhält, in dem man aufgefordert wird, einen Vorschlag einzureichen“, bekräftigt er. „Es war eine wunderbare Anerkennung der Arbeit, die wir mit dem lokalen Goethe-Institut geleistet haben, und Ausdruck ihres Vertrauens in das, was wir tun. Corona hat das Jahr 2020 in ein Jahr extremer Verluste, Störungen und Unsicherheit verwandelt. Der Hilfsfond hat uns dabei unterstützt, Projekte zu überdenken, die wir in diesem Jahr durchführen wollten. Projekte, die es sonst nicht gegeben hätte.“
Nachdem dieser Dorn vorerst gezogen ist, kehrt Besters verschmitztes Lächeln zurück. Er richtet seine Aufmerksamkeit auf die lebendige Geschichte Hillbrows. Möglicherweise sein Lieblingsthema.