Videoreihe #aboutbeuys
Über Beuys
In der Videoreihe #aboutbeuys des Goethe-Instituts beschäftigen sich Künstler*innen mit dem Erbe von Joseph Beuys. Darunter die amerikanische Künstlerin mit senegalesischen und mauretanischen Wurzeln Yacine Tilala und Marzia Farhana, Künstlerin aus Bangladesch.
Von Melda Akbas
Wenn Beuys heute noch leben würde und Sie mit ihm am Tisch sitzen würden: Was wäre Ihr Herzensthema, das Sie mit ihm besprechen würden?
Marzia Farhana: Ich würde mit ihm über virtuelle Räume sprechen wollen. Sein Handeln und seine Kunst übersetzt in eine digitalisierte Welt – das wäre äußerst spannend.
Yacine Tilala: Ich würde ihn fragen, welche Bedeutung der Körper in der Performancekunst heute trägt. Welche Verantwortung haben wir in der Performancekunst dem Körper und der Politik gegenüber?
Yacine Tilala, können Sie mir von Ihrer ersten Begegnung mit Beuys’ Werk erzählen?
Yacine Tilala: Für mich fand die erste Begegnung an der Universität statt, als ich Bildende Kunst an der Corcoran School of Art & Design studierte. Eine meiner Professorinnen zeigte mir sein Werk „I like America and America likes me“. Ich war erstaunt über das Maß an Anonymität, das er in dem Raum mit dem Element des Wilden aufrechtzuerhalten versuchte. Es hatte etwas so Unvorhersehbares an sich. Das ist es, was ich an Performancekunst liebe. Das war sehr inspirierend für mich.
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Das spannende an Beuys ist ja auch seine politische Kunst. Zur documenta 5 ging er, um mit den Menschen über Demokratie zu reden. Muss man als Künstler oder Künstlerin politisch sein?
Marzia Farhana: Kunst ist ein politischer Dialog. Produziert man ein Werk, hat es automatisch eine politische Wirkung. Ich habe durch Beuys gelernt, wie man über das konkrete Objekt hinaus denken muss. Die Politik folgt für mich seitdem aus dem Prozess. Das hat mich zum Beispiel inspiriert, mit gebrauchten Materialien zu arbeiten, als es 2018 eine Flut in Kerala, Indien, gab. Ich half der Gemeinde und nahm gleichzeitig ihre weggeworfenen Materialien, um sie für meine Kunst zu verwenden.
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Wenn man Ihnen zuhört, dann merkt man, dass Beuys viele Denkanstöße geliefert hat. Er hat ja aber vor allem auch das Publikum bewegt.
Yacine Tilala: Der pädagogische Aspekt ist nicht ganz zu vernachlässigen, das stimmt. Beuys betrachtete das Publikum als ein Medium. Es wird Teil seiner Arbeit. Das ist ein Gedanke, den ich auf meine Arbeit übertrage. Als schwarze Performancekünstlerin fordere ich in meinen Arbeiten den weißen Blick gerne heraus. Eine meiner besonders plastischen Arbeiten bestand aus einem riesigen Löffel, der an meinen Rücken geschnallt und mit Milch gefüllt war. Ich musste 45 Minuten lang in der Hocke sitzen und darauf warten, dass das Publikum die Milch austrinkt, um mich aus der Situation zu befreien.
Marzia Farhana: Ich erinnere mich, dass Beuys in einem Interview erzählte, wie er mit den Bäumen sprach und wie er glaubte, dass die Bäume höhere Kräfte anrufen und sich beschweren könnten. Für mich war das zunächst ein kindischer Gedanke. Aber dadurch schuf er eine Plattform nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Natur und die Tiere. Angesichts der Umweltkatastrophen, mit denen wir konfrontiert sind, denke ich, dass seine Kunst unter Einbeziehung des Publikums aktueller denn je ist.
Yacine Tilala: Ich stimme zu, dass jeder Mensch Künstler oder Künstlerin sein kann, aber nicht jeder Mensch kann ein Konzeptkünstler oder eine Konzeptkünstlerin sein. Warum haben manche Menschen das Bedürfnis, etwas Physisches oder Konzeptionelles zu machen? Nicht jeder Mensch setzt seine eigene Kreativität auch um.
Marzia Farhana: In den sozialen Medien sind heute gewissermaßen alle Schöpfer*innen. Aber im kulturellen Bereich gibt es immer noch eine bedeutende Distanz zu den sogenannten einfachen Leuten. Vielleicht werden alle als Künstler*in geboren, aber nicht alle haben die Möglichkeit, Künstler*in zu werden. Daran müssen wir definitiv noch arbeiten.