Ausstellungsserie „Invisible Inventories“
Den Diskurs dekolonialisieren
![Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März im National Museums of Kenya in Nairobi | Foto (Ausschnitt): © Lamek Orina / Inventories Programme Ausstellungseröffnung „Invisible Inventories“ am 18. März im National Museums of Kenya in Nairobi.](/resources/files/jpg1031/national_museums_of_kenya-formatkey-jpg-w320m.jpg)
Die Ausstellungsserie „Invisible Inventories“ zeigt die Ergebnisse eines internationalen Forschungsprojekts zur Erfassung kenianischer Kunstobjekte in Museen in Europa und Nordamerika. Kurz vor der digitalen Ausstellungseröffnung sprechen Clara Himmelheber vom Rautenstrauch-Joest-Museum und Frauke Gathof vom Weltkulturen Museum mit „Goethe aktuell“ über die Arbeit an der Etablierung einer gleichberechtigten Beziehung.
Die Ausstellungsserie „Invisible Inventories“ stellt ein konkretes Ergebnis der kollaborativen Forschung durch Kulturerbe-Expert*innen aus Kenia und Deutschland dar. Sie bietet gleichzeitig eine solide Basis für die Forderung nach Rückgabe kolonialer Raubkunst an Kenia. Was ist Ihre Meinung dazu?
Frauke Gathof:
Inwiefern trägt das „International Inventories Programme“ zum offenen Dialog bezüglich des Umgangs mit Raubkunst aus kolonialen Kontexten bei?
Clara Himmelheber:
Im Projekt selbst stand fest, dass hier jede Stimme gleich gehört wird und bei Entscheidungen alle einbezogen werden. Die unterschiedlichen Perspektiven und Meinungen sollen anerkannt und erhalten werden, nicht eingeebnet und gleichgemacht. Dies wollen wir auch in der Ausstellung „Invisible Inventories“ darstellen. Doch auch trotz dieser Form der partizipativen Organisation müssen wir uns stets selbst reflektieren, unsere eigenen Ansichten, Arbeitsmethoden und Kommunikationsweisen. Das ist ein wichtiger Teil dieses Dialogs.
Der Dialog über die Rückgabe von Beutekunst aus der Kolonialzeit ist ein wichtiger Schritt bei der Versöhnung zwischen einstigen Kolonialmächten und Unterdrückten. Was wäre aus Ihrer Sicht ein idealer Abschluss des Prozesses?
Frauke Gathof: Ich glaube nicht, dass dieser Prozess so schnell abgeschlossen sein wird. Es ist ein fortwährendes Arbeiten an der Formung einer gleichberechtigten Beziehung zueinander. Dafür muss eine Kommunikation etabliert werden, die aufdeckt und thematisiert, welche Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten es bisher in Bezug auf Macht und Selbstbestimmung gab und immer noch gibt. Eine Anerkennung der Gewalt und des Unrechts, die in Verbindung mit der Bewegung der Objekte in Museen des Globalen Nordens stehen, ist nur der Anfang. Auch Restitutionen können nur ein Puzzleteil des Versöhnungsprozesses sein, kein Abschluss.
Gemeinsam konnten wir einen Beitrag zum Diskurs um Restitution machen und neue Perspektiven aufzeigen. Wir möchten eben mithilfe des Projektes und der Ausstellung diesen Diskurs dekolonialisieren. Den Herkunftsländern und -communitys muss endlich mehr Eigenverantwortung in Bezug auf die Objekte, deren Präsentation, Wahrnehmung und vor allem Aufenthaltsort zugestanden werden.
Inwiefern trägt die Ausstellung zu mehr Wissen in Kenia und in Deutschland über die Kulturen der Herkunftsgesellschaften bei?
Clara Himmelheber: Im Rahmen der Forschung interviewten die Kolleg*innen der National Museums of Kenya Mitglieder der Communitys, aus denen die Objekte ursprünglich kamen, und laut eigenen Angaben erweiterten sie dadurch auch ihren eigenen Wissenshorizont – und unseren natürlich sowieso. Umgekehrt erfuhren die Interviewten durch die Forschung, wo sich einige ihrer Objekte befinden und konnten etwa anhand der Fotos vergessenes Wissen über die Objekte auffrischen. Auf deutscher Seite wurden Kölner*innen kenianischer Herkunft mit in die Diskussionen über die Objekte einbezogen, was eine weitere spannende Perspektive eröffnete.
Mit der Eröffnung der Ausstellung ist das Projekt bestimmt nicht abgeschlossen. Gibt es schon konkrete Pläne für die nächsten Schritte?
Frauke Gathof: Die Ausstellung selbst wandert ja noch weiter ans Weltkulturen Museum (6. Oktober 2021 bis 9. Januar 2022). Gemeinsam mit der digitalen Eröffnung der Ausstellung in Köln am 27.5. um 19 Uhr findet auch der offizielle Launch der Datenbank statt, das heißt die ersten Daten werden online gestellt. Die Datenbank soll auch in Zukunft weiter wachsen und wir hoffen, auch von weiteren Museen die Erlaubnis zu erhalten, ihre Daten online stellen zu dürfen. Außerdem haben wir mit „Shifting Grounds“ (gefördert durch die Gerda Henkel Stiftung) schon ein weiteres Forschungsprojekt angestoßen, im Rahmen dessen unter Ägide der National Museums of Kenya kenianische und deutsche Wissenschaftler*innen in beiden Ländern zu weiteren Objekten der Sammlungen des Rautenstrauch-Joest-Museum und Weltkulturen Museum forschen werden.
Das Interview führte Eliphas Nyamogo