Goethe-Medaille
„Gutes tun für Menschen, die Gutes tun“
Wie jedes Jahr wird am 28. August die Goethe-Medaille in Weimar verliehen. Die Präsidentin des Goethe-Instituts Carola Lentz und der Vorsitzende der Kommission zur Verleihung der Goethe-Medaille Thomas Oberender sprechen über Geschichte und Wandel der Auszeichnung, über die Auswahl der Preisträger*innen und die Wirkkraft des offiziellen Ehrenzeichens der Bundesrepublik Deutschland.
Frau Lentz, als Präsidentin des Goethe-Instituts verleihen Sie jedes Jahr die Goethe-Medaille. Können Sie einmal näher erklären, was genau die Goethe-Medaille ist und warum es sie gibt?
Carola Lentz: Die Goethe-Medaille ist ein offizielles Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland und der wichtigste Preis ihrer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Seit 1955 zeichnet das Goethe-Institut mit ihr Persönlichkeiten aus aller Welt aus, die sich in besonderer Weise um die Vermittlung der deutschen Sprache oder den internationalen Kulturaustausch verdient gemacht haben. Die Kandidat*innen für die Goethe-Medaille werden von den Goethe-Instituten in aller Welt in Abstimmung mit den deutschen Auslandsvertretungen nominiert. Aus diesen Vorschlägen entwickelt die Kommission zur Verleihung der Goethe-Medaille eine Auswahl von Preisträger*innen, die das Präsidium des Goethe-Instituts bestätigen muss. Die Goethe-Medaille zielt vor allem darauf ab, global relevante und zukunftsweisende Themen und Akteure in Deutschland sichtbar zu machen und so auch die Internationalisierung der deutschen Kulturlandschaft voranzutreiben. Doch auch in den Herkunftsländern der jeweiligen Preisträger*innen erzielt die Auszeichnung oftmals eine positive Signalwirkung und kann dafür sorgen, dass die Arbeit der Preisträger*innen gestärkt wird.
Herr Oberender, Sie sind seit 2022 Vorsitzender der Kommission zur Verleihung der Goethe-Medaille. Was ist konkret Ihre Aufgabe?
Thomas Oberender: Meine Aufgabe ist vor allem das Sitzungsmanagement, die Berufung von Jury-Mitgliedern und die Abstimmung des Preisträger-Programms vor Ort und der Kommunikation.
Wie setzt sich die Kommission zur Verleihung der Goethe-Medaille zusammen?
Thomas Oberender: Wir versuchen, für die Jury verschiedene Expert*innen aus den Bereichen Musik, Film, Literatur, Journalismus und Theater zu gewinnen. In diesem Jahr wurde die achtköpfige Jury neu zusammengesetzt und besteht neben mir als Vorsitzenden für die kommenden drei Jahre aus René Aguigah, Olga Grjasnowa, Julia Grosse, Anna Henckel-Donnersmarck, Matthias Lilienthal, Antje Rávik Strubel und Andrea Zschunke. Darüber hinaus sind immer auch eine Vertretung vom Auswärtigen Amt, die Präsidentin und der Generalsekretär des Goethe-Instituts bei der Jurysitzung dabei. Da die Jury selbst keine Vorschläge einbringt, sondern die Nominierungen aus den weltweiten Regionalbereichen des Goethe-Instituts diskutiert, beschäftigen wir uns in der entscheidenden Sitzung Ende Oktober mit den vorliegenden Einreichungen und treffen daraus unsere Wahl.
Was schätzen Sie an Ihrer Aufgabe? Gibt es besonders einprägsame Momente aus Ihrer Zeit in der Auswahlkommission?
Thomas Oberender: Ja, ich habe gelernt, dass die Anerkennung des Werks bestimmter Preisträger*innen durchaus ein Empowerment ihrer Arbeit sein kann. Zugleich habe ich aber auch gelernt, dass in den Herkunftsländern, gerade wenn diese keine Vorzeigedemokratien sind, sehr empfindlich auf diese kulturpolitische Geste aus Deutschland reagiert wird. Insofern geht es nicht nur um die Zeremonie in Weimar, sondern auch darum, was diese Auszeichnung in den Heimatländern für die Geehrten bedeutet, und entsprechend sensibel müssen wir kommunizieren. Und unsere Werte sind ja auch nur unsere Werte – in Ägypten oder im Senegal stehen ganz andere Dinge im Vordergrund. Was ich persönlich an der Juryarbeit schätze, ist die Auseinandersetzung mit dem Werk so vieler kreativer Menschen, die in den Radar unserer Kandidat*innensuche treten. Der Findungsprozess macht jeden von uns klüger, öffnet Fenster in andere Kulturen, zeigt Kämpfe und Ideen auf.
Dieses Jahr geht die Goethe-Medaille an den Filmmanager Gaga Chkheidze aus Georgien, den Kurator und Dramaturg Yi-Wei Keng aus Taiwan und das Kuratorinnenkollektiv der OFF-Biennale Budapest aus Ungarn. Auf welche Kriterien haben Sie bei der Auswahl der Preisträger*innen besonders Wert gelegt?
Thomas Oberender: Mit der Goethe-Medaille wollen wir Gutes tun für Menschen, die Gutes tun – aus unserer Sicht bedeutet das, dass sie Liberalität verteidigen und durch ihre Arbeit ein Werk geschaffen haben, das exzeptionell ist und zugleich wirksam in den Kontexten ihres Schaffens. In der Regel ist dieses Schaffen nicht unpolitisch, aber eben nicht Politik im unmittelbaren Sinne, sondern eine Übersetzung in die Sprache der Kunst.
Carola Lentz: Ich möchte zu den Kriterien noch ergänzen, dass die Goethe-Medaille an Persönlichkeiten aus dem Ausland verliehen wird, egal welcher Nationalität. Hier achtet die Jury auf eine Ausgewogenheit von Länder- bzw. Regionenschwerpunkten. Auch wird auf eine gute Mischung verschiedener Generationen geachtet. Für die Institute ist vielleicht auch noch interessant zu wissen, dass bei den Vorschlägen Kandidat*innen aller Kultursparten berücksichtigt werden, also aus der Bildenden Kunst, Tanz, Choreografie, Musik oder Literatur, ebenso wie Persönlichkeiten aus dem Kulturmanagement oder dem Wissenschafts- und dem Sprachbereich.
Am 28. August findet die Preisverleihung der Goethe-Medaille in Weimar statt. Was, denken Sie, würde Goethe zu der Ehrung in seinem Namen sagen?
Carola Lentz: Unsere diesjährigen Preisträger*innen stehen exemplarisch für die Freiheit von Kunst und Kultur in illiberalen Kontexten. Sie finden Wege, um die unabhängigen Kulturszenen zu unterstützen und den internationalen Kulturaustausch trotz Repressionen, Zensur oder Nationalismen zu fördern. Daher könnte ich mir vorstellen, dass Goethe die hohe Relevanz von Freiräumen und Freiheit betont hätte, so wie er es in einem Brief an seinen Freund Carl Friedrich Zelter schrieb: „Die Freiheit ist das einzige Gut, für das es sich lohnt, alles aufzubieten.“
Thomas Oberender: Die Goethe-Medaille soll ja im Grunde nicht nur eine Leistung in der Vergangenheit ehren, sondern ein Zeichen setzen im Sinne einer wünschenswerten Zukunft. Goethe sagte einmal über das Märchen, dass es „uns unmögliche Begebenheiten unter möglichen oder unmöglichen Bedingungen als möglich darstellt.“ Unsere Preisträger haben den Verhältnissen in der wirklichen Welt diesen Dreh ins Mögliche geben und diese Magie hätte ihm wahrscheinlich gefallen.
Die Fragen stellten Miriam Gröning und Jutta Behnen.