New Stages South East
Etwas, das andauert

Fünf Frauen performen auf einer Theaterbühne in pinkem Licht.
Das serbische Regie-Duo Vladimir Aleksić und Olga Dimitrijević zeichnet mit dem „Lepa Brena Projekt“ sensibel ein Stück Zeitgeschichte in Europa. Fünf Schauspieler*innen erkunden das Show-Business-Phänomen Lepa Brena mit Schauspiel und Musik und lassen so die Geschichte Jugoslawiens Revue passieren. | © Lukas Diller

Zwischen Krieg und Krise, Aufbruch und Zusammenhalt bildet Europa heute ein komplexes Mosaik. Junge Autor*innen aus Südosteuropa haben in den letzten Jahren im Rahmen des Projekts „New Stages South East“ Texte für ein Theater der Zukunft geschrieben. Im Frühjahr 2023 präsentierte das Theater Oberhausen elf dieser Texte bei einem Festival. Wir sprachen mit Laura Mangels, Dramaturgin und künstlerische Leiterin des Festivals am Theater Oberhausen.

Von Alexander Behrmann

Was war für Ihr Theaterhaus die Motivation, das Projekt „New Stages South East“ aus Südosteuropa nach Oberhausen zu holen?

Laura Mangels: Wir richten am Theater Oberhausen unter der Leitung von Kathrin Mädler einen starken Fokus auf zeitgenössische Dramatik. Uns hat an „New Stages South East“ interessiert, dass die politische Wirkmacht des Theaters ernst genommen und im Bereich der Dramatik Sprach- und Ländergrenzen überwunden wurden. In den mehrmonatigen Schreibworkshops sind Texte entstanden, die den existenziellen Fragen unserer Zeit folgen. Die der komplexen Krisenhaftigkeit etwas entgegenstellen und dabei sehr unterschiedliche inhaltliche und formale Herangehensweisen wählen. Und es sind Texte, die auf die Bühne drängen! Oberhausen ist außerdem eine sehr diverse Stadt im Ruhrgebiet. Hier leben viele Menschen, deren Geschichte mit Südosteuropa eng verbunden ist. Wir waren sofort entschlossen, den durch „New Stages South East“ entstandenen Texten hier im Rahmen eines Festivals eine Sichtbarkeit verleihen zu wollen und mit unserem Publikum neue Autor*innen zu entdecken, die bisher noch nicht in der deutschsprachigen Theaterlandschaft vorgekommen sind.

Wie haben Sie die Zusammenarbeit erlebt?

Im Rahmen der mehrmonatigen Schreibworkshops in der Region, angeleitet von internationalen und deutschsprachigen Mentor*innen, sind insgesamt 33 Texte entstanden. In Oberhausen haben wir im Anschluss an die Workshops der Goethe-Institute eine Jurysitzung einberufen, um insgesamt fünf Texten eine besondere Sichtbarkeit zu verleihen. Weil die Texte so unterschiedlich und gut waren, haben wir während des Festivals insgesamt elf Texte als Werkstattinszenierungen, szenische Lesungen oder als Installation präsentiert. Gerahmt wurde die Werkschau mit Gastspielen aus Serbien, Rumänien und Deutschland. Es gab ein Konzert von Bulgarian Cartrader, unterschiedliche Diskursformate zur Theaterlandschaft Südosteuropas, zum Verhältnis von Theater und Politik – und natürlich auch Partys. Zum Festival waren viele der Autor*innen in Oberhausen zu Gast, Künstler*innen der Gastspiele, Studierende der Folkwang Universität der Künste, die unser Ensemble erweiterten, und Regisseur*innen wie Magdalena Schönfeld, Katerina Giannopoulou oder Niko Eleftheriadis, die in die künstlerische Einrichtung der Texte involviert waren.

Die Festivaltage waren sehr besonders und ich habe das Gefühl, dass an diesen vier Tagen etwas entstanden ist, das andauert. Neue Verbindungen, die die Theaterlandschaft weiter prägen werden. Besonders froh sind wir, dass sich auch unsere Zusammenarbeit mit den Autor*innen fortsetzt. In unserem Haus kommt „Sauer“ von Asja Krsmanović in der Regie von Niko Eleftheriadis zur Uraufführung, zeitgleich ist am Nationaltheater Mannheim die deutschsprachige Erstaufführung von „Generation Lost“ von Greg Liakopoulos. Dann inszeniert unsere Intendantin Kathrin Mädler Dario Bevandas Text „Darkness on the Edge of Town“ am Nationaltheater in Sofia. Und so verbreiten sich die Texte immer weiter, hoffentlich durch ganz Europa.

Inwiefern schwingen Herkunft und Hintergründe der Kunstschaffenden in ihren Werken und Theaterproduktionen mit?

Natürlich bedingen die individuellen Hintergründe und Perspektiven der Autor*innen ihre Texte. Versucht man aber zu manifestieren, welches Thema aufgrund einer spezifischen Herkunft in einem Text landet, stößt man vielleicht eher an die Grenzen der eigenen Projektionen. Trotzdem gab es Linien, die mehrere Texte miteinander verbunden haben: die Dekonstruktion von Geschlechterrollen oder queere Ermächtigungsmomente, die sich an einer patriarchalen und häufig orthodox geprägten Gesellschaft abarbeiten, überhaupt die Familie als eine Kern- und Keimzelle von Schmerz und Zusammenhalt und natürlich die Erinnerungen an Kriege und ethnische Konflikte in der Region, die noch präsent sind und durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wieder Teil einer brutal veränderten Gegenwart sind.

Inwieweit können deutsche Theaterhäuser von der Zusammenarbeit mit Künstler*innen aus anderen Ländern und Kulturen profitieren?

Kunst ist immer ein Austausch von Gedanken, Ideen, Zeichen. Deswegen glaube ich daran, dass das Theater von der Zusammenarbeit mit Künstler*innen aus anderen Ländern nicht nur profitiert, sondern schon immer von genau dieser Zusammenarbeit lebte. Die Arbeit des Goethe-Instituts ist an dieser Stelle unglaublich wichtig für die deutschsprachige Theater- und Festivallandschaft – sowohl für die Mobilität ins Ausland als auch für das Einladen von Künstler*innen aus der ganzen Welt oder durch das Initiieren von Projekten wie „New Stages South East“. Schwindet die Möglichkeit internationaler Zusammenarbeit, schadet dies der Kunst und ihrer demokratischen und partizipativen Wirkungskraft. Im Schauspiel geht mit der konzentrierten Arbeit an Sprache im internationalen Kontext auch häufig eine Sprachbarriere einher. Auch hier ist das Goethe-Institut ein wichtiger Partner, um fruchtbare Zusammenarbeiten zu ermöglichen.
 

Laura Mangels steht auf einer Bühne.

Laura Mangels ist Dramaturgin und künstlerische Leiterin des Festivals am Theater Oberhausen. | © Lukas Diller


„New Stages South East“ ist ein mehrjähriges internationales Projekt des Goethe-Instituts, das die Entstehung neuer Stücke unterstützt und junge Autor*innen und Theaterbesucher*innen aus Südosteuropa und Deutschland zusammenbringt, um Erfahrungen zu aktuellen Themen auszutauschen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Teilnehmende Länder: Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Rumänien, Republik Moldau, Serbien, Zypern. In den Spielzeiten 2023/2024 und 2024/2025 fanden und finden Ur- und Erstaufführungen am Theater Oberhausen, am Theater Essen und am Nationaltheater Mannheim statt.

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