ACTOPOLIS – Wanderausstellung
Künstlerischer Aktivismus für die Stadt von morgen
Welche Möglichkeiten zur Gestaltung und Veränderung von Städten gibt es? Auf der Suche nach urbanen Alternativen wurden Handlungsstrategien getestet: Kuratorin Angelika Fitz über Erkenntnisse und Strategien zwischen Kunst, Stadtplanung und Aktivismus.
ACTOPOLIS ist ein Aufruf zum Handeln und Mitgestalten der Stadt. Künstlerinnen, Urbanisten und Aktivistinnen aus Athen, Belgrad, Bukarest, Ankara/Mardin, Oberhausen, Sarajevo und Zagreb sind in einem über drei Jahre angelegten transnationalen Produktionslabor zusammengekommen; nicht nur, um den Blick auf aktuelle urbane Fragestellungen zu schärfen, auch wurden Orte in Spielplätze des Möglichen verwandelt. Erkenntnisse werden im Rahmen einer Wanderausstellung präsentiert, die nach ihrem Auftakt in Oberhausen am 19. März 2017 in insgesamt neun Städten Südosteuropas und Wien Station macht.
Was ist das ACTOPOLIS und wie ist das Projekt jetzt auf Wanderschaft?
Angelika Fitz: ACTOPOLIS ist ein virtuelles Territorium, eine Idee von einer Stadt: Was macht eine Stadt aus? – Nicht nur das physisch Gebaute, sondern ebenso die Menschen und die Dinge in dieser Stadt und die Beziehungen, die diese zueinander haben. Diese Ebene der Beziehungen und des Handelns in der Stadt, sind Themen von ACTOPOLIS. Das Projekt ist nicht als Ausstellung zu verstehen, sondern es bildet eine transnationale Plattform, auf der sich Menschen zwischen Städten treffen, über einen längeren Zeitraum zusammenarbeiten und intensiv in einen Dialog treten.
Was waren Erfolgserlebnisse der künstlerischen Interventionen, die 2016 stattgefunden haben?
In allen Städten haben wir lokale Projekte und Interventionen im öffentlichen Raum durchgeführt. In der Ideenfindung und Entwicklung der Projekte haben wir uns sehr intensiv über die Städte hinaus ausgetauscht: Was sind aktuelle Themen? Dazu gehören Migration, Bildung, Nationalismus, aber ganz stark auch Fragen wie Selbstorganisation, Fremd- und Eigenbilder. Gibt es unterschiedliche Konzepte und Wahrnehmungen von öffentlichem Raum in Deutschland, Athen, Bukarest, in Belgrad oder in der Türkei? Mit welchen Methoden möchte man handeln? – Diese Ebene ist mindestens genauso wichtig wie die Projekte selbst.
Hat sich ein neuer Blick auf die Strukturen unserer Städte eröffnet?
Wir erleben eine Renationalisierung. Wir erleben aber auch Stadtgesellschaften, die divers und bunt sind. Ich glaube, dass das Thema einer internationalen Stadtbürgerschaft interessanter ist als das der Staatsbürgerschaft. Das ist in einem Projekt wie ACTOPOLIS erfahrbar. Ein weiterer Aspekt ist, dass sich in der Region Südosteuropa und darüber hinaus eine Schwäche von demokratischen Institutionen abzeichnet. Marktkräfte werden stärker, sogar in der Krise. Welches Vertrauen haben Menschen noch in Verwaltungs- und Regierungsinstitutionen? In Projekten wie ACTOPOLIS geht es nicht darum, dass die Zivilgesellschaft alles selber machen soll. Die ist bereits aktiv und nicht mehr zu bremsen. Wichtig ist, dass es zukünftig mehr Schnittstellen gibt zur Verwaltung und Politik.
Welche Handlungsmöglichkeiten haben sich eröffnet?
In Bukarest zum Beispiel ging es stark darum, die Möglichkeit zu eröffnen: „Ich bin auch Stadtbürgerin, ich kann handeln“. Im Rahmen der Installation „Be a Mayor for 10 minutes“ wurden die Rollen gewechselt und Vorbeikommende zu Bürgermeisterinnen. Das ist ein schönes Spiel mit einem ernsten Hintergrund, nämlich dem Wechsel vom Protest ins Mitgestalten. Während es in Athen reflexiver um die „Exotisierung des Südens“ gegangen ist. „Athen ist arm, aber sexy“ – Was heißt das für die Menschen, die dort arbeiten? Wie kann man den mitteleuropäischen Projektionen etwas Resilientes gegenüberstellen? Alles spannende Themen, die lokal entstanden sind, aber überregionale Relevanz haben.
Ergebnisse wurden in Oberhausen und in Bukarest gezeigt - und nun auch in Belgrad. Wie wurden komplexe Ergebnisse in ein Ausstellungsformat gefasst?
In einer Ausstellung kann immer nur eine Momentaufnahme abgebildet werden. Wichtig war, dass die Ausstellung keinen Städtevergleich darstellt, sondern Verschränkungen, gemeinsame Themen und Methoden aufzeigt. Wir arbeiten mit Bild, Text und Videos der Künstlerinnen, Kuratoren und Architektinnen nur im Originalton. Statt Beschreibungen werden Stimmen aus den einzelnen Projekten gezeigt. Darüber hinaus bilden sich im Ausstellungsraum selbst öffentliche Räume, die lokal in den einzelnen Orten bespielt werden: Ob durch Installationen, Performanz, Workshops oder Symposien – die Ausstellung ist eigentlich erst dann fertig, wenn sie bespielt und zum öffentlichen Raum wird.
Im Laufe des Jahres wird die Ausstellung Station in weiteren Städten machen. Ist das Projekt danach abgeschlossen?
Abgeschlossen ja. Aber was wichtig ist, sind die professionellen und persönlichen Netzwerke. Wir haben ein wichtiges Format entwickelt in diesen drei Jahren. Das sind Micro-Residenzen, in die die jeweilige Gruppe in jeder Stadt zehn Künstler und Aktivistinnen aus anderen Städten einlädt. Dadurch hat sich ein Schneeballsystem, ein Netz von Reisen und Besuchen über die ganze Region gespannt. Über Monate hinweg wurden gemeinsame Arbeitsbeziehungen entwickelt. Das sind Dinge, die bleiben werden.