Street Art Museum St. Petersburg
Russische Revolution an Wänden
2017 feiert Russland das 100-jährige Jubiläum der russischen Revolution. Das Goethe-Institut St. Petersburg hat diesem Ereignis ein großes Kulturprojekt (bestehend aus einer Ausstellung und einem performativen Programm) gewidmet; in Zusammenarbeit mit zwei deutschen Kuratoren. Yasha Young ist Leiterin des Urban Nation Museums in Berlin und Co-Kuratorin einer Ausstellung im Street Art Museum St. Petersburg. Dramaturg, Kurator und Autor Florian Malzacher ist künstlerischer Leiter des Impulse Theaterfestivals in Köln, Düsseldorf und Mülheim an der Ruhr. Sein Kulturprogramm entwickelt er in einer weiteren Kunstinstitution St. Petersburgs – dem The Access Point Sommerfest der Künste. Beide berichten hier über ihre Arbeit.
Wie kam es zu Ihrer Beteiligung am Projekt?
Yasha Young: Das Urban Nation Museum in Berlin, das ich leite, war für das Goethe-Institut St. Petersburg von Interesse, weil hier die Form von Kunst gezeigt wird, die aktuell in Russland gesucht wurde. Ich habe viele Künstlerinnen und Künstler mobilisieren können, mit denen ich schon seit einiger Zeit zusammenarbeite.
Florian Malzacher: Das Thema „russische Revolution“ ist ein herausforderndes und wichtiges. Es gibt uns Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie wir Utopien und politische Bewegungen in der Vergangenheit, aber auch in Zukunft betrachten müssen. Es ist immer wieder beeindruckend, wie zeitgenössisch viele künstlerische, philosophische und politische Ideen wirken – und wie weit wir noch immer von ihrer Verwirklichung entfernt sind. Das war der Ausgangspunkt unseres Projekts. Ich habe dann mit vielen verschiedenen Theaterschaffenden, Autorinnen, Künstlern –
hauptsächlich aus dem postdramatischen Theater – gesprochen, um neue Arbeiten oder Aktionen zu erschaffen, die an verschiedenen Orten der Stadt stattfinden werden. Diese Orte stehen sowohl künstlerisch als auch historisch in Verbindung mit dem Nachlass der Zeit der Revolution. Besonderes Augenmerk wird auf den weiblichen Protagonistinnen liegen. Die rumänische Choreographin Alexandra Pirici kreiert beispielsweise im russischen Staatsmuseum eine Aktion, die von Arbeiten der russischen Avantgarde-Malerin Natalia Goncharova gerahmt wird.
Wie verstehen Sie die Idee der Revolution im Kontext Ihres Projekts?
Young: Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, das Wort „Revolution“ nicht unüberlegt zu benutzen. Über was für eine Art von Revolution sprechen wir? Warum wird Revolution immer mit Gewalt assoziiert? Sie muss nicht gewalttätig sein. Sie muss insgesamt nicht negativ sein. Für mich war es wichtig, mich darauf zu konzentrieren, dass ich in einem anderen Land bin. Ich versuche, andere Sichtweisen zu verstehen und zum Thema zu machen. Das Revolutionsgefühl auf verschiedenen Bedeutungsebenen zu zeigen.
Malzacher: Wir konzentrieren uns nicht vorrangig auf konkrete Ereignisse dieser Zeit, auch wenn sie eine Rolle spielen werden. Die Arbeiten beschäftigen sich aber auch sehr mit künstlerischen Freiräumen und konzentrieren sich darauf, was das Konzept von Utopia heute für uns bedeutet. Es existiert kein homogener Blick. Die Dichterin Anna Akhmatova wäre hier zu nennen, die der Avantgarde ihrer Zeit auf vielen Wegen widerspricht.
Wer ist Ihr Publikum?
Young: Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass Menschen, die sich generell für Kunst interessieren, gerne neuen Bewegungen, neuen Techniken und neuen Themenzugängen folgen. Für Russland hoffe ich auf eine gute Mischung aus Kulturinstitutionen, Galerien, Studenten oder politischen Aktivisten.
Malzacher: Das Publikum wird größtenteils das sein, das sich für The Access Point Festival interessiert. Die Veranstalter haben es auf fantastische Weise geschafft, in nur ein paar Jahren Theaterarbeiten, die nicht dem Mainstream entsprechen, einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Ich bin sicher, dass das Publikum offen dafür ist, Theaterformen zu entdecken, die es noch nicht kennt.
Das Interview führte Ksenia Reutova.