WELT.KULTUR.POLITIK. // 9. Kulturpolitischer Bundeskongress
Neue Wege zur Verständigung
Welche Folgen hat die Globalisierung für Kultur und Kulturpolitik? Gibt es noch eine Grenze zwischen „Innen“ und „Außen“? Vor welchen Herausforderungen stehen Kulturvermittler heute? Fragen, die auf dem 9. Kulturpolitischen Bundeskongress in Berlin verhandelt wurden.
In einem Punkt herrscht Einigkeit unter den zahlreichen Rednerinnen und Diskutanten, die anlässlich des 9. Kulturpolitischen Bundeskongress in Berlin-Mitte zusammengekommen sind: Die politischen Realitäten zwingen gegenwärtig alle, die auf dem Feld der Kulturvermittlung tätig sind, die eigene Perspektive zu prüfen. Die Überwindung von (kulturellen) Grenzen, die immer weiter reichende Offenheit und Öffnung sind infrage gestellt. Der Brexit, die Wahl Donald Trumps sowie die erstarkenden nationalistischen Tendenzen in vielen Ländern Europas und der Welt haben die Parameter verschoben.
Die Organisatoren des Kongresses Oliver Scheytt, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V., und Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, sehen daher die Herausforderung für die Kultur- und Bildungspolitik darin, „die globalen Veränderungen und Verwerfungen für sich und andere zu erschließen und zu erklären“.
Der Ruf nach einer zweiten Aufklärung
Die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, forderte in ihrer Eröffnungsrede „Vielfalt als Freiheitsgewinn“ zu begreifen. Im Fokus ihrer Überlegungen stand die Frage nach dem Umgang mit dem eigenen kulturellen Erbe als identitätstiftendes Moment. Dazu gehöre auch, Geschichte in Bezug zur Gegenwart zu setzen, betonte Grütters: „Wir widersprechen mit Entschiedenheit, wenn neue Kräfte aus der Hetze gegen Deutschlands Umgang mit seiner Vergangenheit politischen Profit für ihre nationalistischen Ziele zu schlagen versuchen“.Die zunehmenden Abschottungstendenzen thematisierte auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. Die liberale Demokratie sehe sich mit einem neuen Autoritarismus konfrontiert, gerade angesichts der sich verschärfenden Töne aus den USA. Außenpolitik solle demzufolge in einer Kampfarena verhandelt werden, in der nicht die Stärke des Rechts, sondern das Recht des Stärkeren gelte – was auch auf die Kultur ausstrahle. Gabriel rief dazu auf, eine „zweite Aufklärung“ in Gang zu setzen. Voraussetzung dafür sei auch, die politischen Felder von „Innen“ und „Außen“ zusammen zu denken.
Grenzen in der Gesellschaft überwinden
Grenzen zu überwinden, ist eine Aufgabe, vor der nicht nur Länder, sondern auch Gesellschaften stehen, verdeutlichte der Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel am Beispiel der wachsenden Gräben zwischen Kosmopoliten und Kommunitaristen: die einen gebildet und weltoffenen, die anderen regional fokussiert. Diese Menschen jedoch als „Modernisierungsverlierer“ zu stempeln, sei gefährlich, warnte Merkel. Schließlich trügen sie zumeist die sozialen Kosten der Veränderungsprozesse.In der anschließenden Diskussion regte die Professorin für Europapolitik Ulrike Guérot die Vision einer „europäischen Republik“ an, die als gemeinschaftlicher politischer Körper auch die sozialen Fragen lösen könne. Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, hielt diesen theoretischen Konstrukten die Bedeutung der konkreten Praxis in der Kulturvermittlung entgegen: „Die Menschen haben ihre eigenen Erlebniswelten – dort müssen wir ansetzen“. Das Goethe-Institut setze auf die Überwindung von Grenzen durch Austausch und Dialog vor Ort, der Antworten gibt. „Wenn wir, wie in der Türkei, auf politischen Druck Partner verlieren, droht unsere Arbeit reiner Export zu werden“, gab Lehmann zu bedenken.
Veränderungsprozesse könnten aber nur gemeinschaftlich entstehen. Grenzen überwinden erfordere auch eine Befassung mit Erinnerungskultur. Lehmann zitierte das von den Goethe-Instituten initiierte Projekt „Zukunft der Erinnerung“, bei dem lateinamerikanische Länder die Folgen der Militärdiktaturen gemeinsam aufarbeiten und dasSchweigen brechen. Die Reflexion der deutschen Vergangenheit werde einbezogen.
Kulturvermittlung mit Repräsentationslücken?
Freilich müssen sich auch die Institutionen der Kritik stellen. Diese Erkenntnis brachte das Panel „Zwischen den Welten – Neue Herausforderungen für die Kulturvermittler“. Als „heilsamen Schock“ bezeichnete Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, die Situation, die durch Brexit und Trump-Wahl eingetreten sei – weil sie Prozesse von Selbstreflexion in der Kulturarbeit beschleunigen könne.Nana Adusei-Poku, Forschungsprofessorin für Visuelle Kulturen, hielt dagegen, dass damit vor allem die „dominante Gesellschaft“ gemeint sei, deren eigene Sicherheit ins Wanken gerate. Den Institutionen warf sie vor, etwa in postkolonialen Diskursen nicht auf der Höhe der Zeit zu sein. Woraus sich eine vitale und sicherlich fortzusetzende Debatte über Repräsentation und Aufgaben im internationalen Kulturaustausch entwickelte. Er sehe sein Haus als „Echokammer und Seismograph“ kommender Entwicklungen, fasste es Ronald Grätz, Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa).
Und Johannes Ebert betonte für das Goethe-Institut: „Unsere Rolle ist es, Plattformen zu schaffen, Stimmen hörbar zu machen, die man in Deutschland sonst nicht wahrnimmt“.