bauhaus imaginista
Jenseits des Kitsches
Im April wurde die erste von fünf „bauhaus imaginista“-Ausstellungen in Anwesenheit von Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, in Hangzhou eröffnet. Über das gesamte Jahr hinweg werden in dem dazugehörigen Online-Journal Rechercheergebnisse von internationalen Forscherinnen und Künstlern publiziert. Der Kurator des Ausstellungskapitels in Hangzhou, Eduard Kögel, schreibt über Walter Gropius und sein Verhältnis zur chinesischen Architektur.
Zwischen 1919 und 1933 hatte kein einziger chinesischer Student am Bauhaus in Weimar oder Dessau studiert. Henry Huang war der erste, der 1937 dem ehemaligen Bauhaus-Direktor Walter Gropius von London nach Harvard folgte. Gropius unterrichtete während seiner 15 Jahre als Professor an der Harvard Graduate School of Design zwischen 1937 und seinem Ruhestand im Jahr 1952 mehrere chinesische Studenten. Neben Henry Huang zum Beispiel Wang Dahong, Chang Chao-Kang oder Ieoh Ming Pei.
Grundlage für eine zeitgenössische chinesische Architektur
Obwohl Gropius klare Vorstellungen über Architektur und Geschichte hatte, erlaubte er den Studenten, ihren eigenen Weg zu finden. Pei erinnerte sich in einem Interview: „Gropius war ein guter Lehrer, weil er es sich nie gestattete subjektiv zu sein. Er erlaubte es mir, auf eigene Faust etwas Anderes zu tun, um zu zeigen, dass ich recht hatte.“ Mit dem Glauben an seine eigene Tradition und die Transformation der räumlichen Beziehungen mit neuer Technologie schuf Pei die Grundlage für eine zeitgenössische chinesische Architektur. Aber er erwähnte im selben Interview den Einfluss von Mies van der Rohe auf seinen architektonischen Ansatz. „Ich war von Mies' Ästhetik beeinflusst, nicht von Gropius.“ […]Gropius und China
Walter Gropius besuchte Shanghai nie, erhielt aber vom United Board of Christian Colleges in China nach dem Krieg den Auftrag, dort eine neue Campusuniversität zu entwerfen. Zwar hatte sich Gropius bis dahin schon öfter mit Bauten für die Bildung befasst, aber noch nie in dieser Dimension. Die Planung ging von 3.000 Studenten aus, von denen zirka 1.000 auf dem Campus wohnen sollten. Dazu kam, dass Gropius’ Wissen über die chinesische Kultur und Architektur höchstens aus Büchern stammte und er erinnerte sich vielleicht an Diskurse mit Studenten wie Wang Dahong oder Henry Huang. Aber es war I. M. Pei, der gerade mit seiner Abschlussarbeit bewiesen hatte, dass er chinesische Traditionen in zeitgenössische Lösungen übersetzen konnte. Im Juli 1946 berief man I. M. Pei zum Dozenten für Architektur an die Graduate School of Design in Harvard und Gropius bat ihn, beim Universitätsprojekt in Shanghai mitzuarbeiten.Der Entwurf für die Hua Tung Universität in Shanghai wäre ohne die Mitarbeit von I. M. Pei niemals in dieser Form entstanden. Pei hatte mit seiner Masterarbeit eine Vorstellung entwickelt, wie sich die Moderne in den regionalen Kontext seiner Heimat integrieren sollte, und Gropius war offensichtlich fasziniert von der Reduktion auf wenige modulare Elemente, die im Kontrast mit der Landschaft ein harmonisches Bild erzeugten, das jenseits des Kitsches lag. Die räumlichen Qualitäten der historischen Anlagen und die von Mies van der Rohe inspirierte Ästhetik, ermöglichten eine radikale Alternative zum üblichen Beaux-Arts-Konzept seiner Kollegen in China. Prägend für den Entwurf und die architektonische Haltung blieb das Verhältnis zur Natur und wie sich diese so gestalten ließ, dass die Architektur sich integrierte. Mit dem Museumsentwurf für seine Masterarbeit in Harvard und mit der Mitarbeit für die Hua Tung Universität in Shanghai, suchte Pei nach einer zeitgenössischen Sprache zur Erneuerung der Architektur seiner Heimat, die ihn bis ins hohe Alter beschäftigen sollte.
Die Originalversion dieser gekürzten Fassung findet man im Online-Journal von www.bauhaus-imaginista.org
In der 3sat-Mediathek gibt es einen Kulturzeit-Bericht von der bauhaus imaginista Eröffnung in Hangzhou.