Der Schädel des Mangi Meli
„Als Deutscher kann ich nichts aus einer afrikanischen Perspektive beschreiben“
Chief Mangi Meli kämpfte gegen die deutsche Kolonialmacht, bis er Anfang des 20. Jahrhunderts in Moshi festgenommen und hingerichtet wurde. Seine Nachfahren glauben bis heute, dass sein Schädel nach Deutschland geschickt wurde und nie zurückkam. Im Interview spricht der Schauspieler, Autor und Regisseur Konradin Kunze über seine Videoskulptur, die sich Mangi Melis Geschichte annimmt und in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Dar es Salaam entsteht.
Sie planen eine Videoskulptur zu Mangi Meli. Was ist seine Geschichte?
In den deutschen Kolonien waren verschiedene „Chiefs“ aktiv. Es gab welche, die mit den Deutschen zusammengearbeitet haben, und andere, die Wiederstand geleistet haben. Chief Mangi Meli hat Letzteres getan, und zwar relativ erfolgreich. Er wurde lange in Ruhe gelassen, bis die Deutschen mit Maschinengewehren zurückgekehrt sind. Mangi Meli durfte zwar weiterhin Chief bleiben, hatte aber unter der deutschen Herrschaft keine Macht mehr. Und im Jahre 1900 wurde er mit 18 weiteren Chiefs und Beratern hingerichtet, weil er bezichtigt wurde, ein Komplott gegen die Deutschen zu schmieden. Es war eine öffentliche Hinrichtung, was für viele Menschen in der Region ein großer Schock war. Der Baum, an dem Mangi Meli hingerichtet wurde, steht bis heute noch in Old Moshi.
Damit es nicht in Vergessenheit gerät
Wie kann man sich die Videoskulptur vorstellen?Nach Mangi Melis Exekution wurde sein Schädel für vermeintlich wissenschaftliche Zwecke nach Deutschland verschickt. In Old Moshi empfinden es viele als schmerzhaft, dass Mangi Melis Schädel nie zurückgekehrt ist. Wir machen einen 11-minütigen Animationsfilm zu Mangi Meli, bei dem wir uns an historischen Fotos orientieren, die wir in Archiven gefunden haben. Den Film werden wir auf einen Tontopf projizieren, beziehungsweise auf Scherben eines Tontopfes, weil die traditionellen Bestattungsrituale zu Mangi Melis Zeit so aussahen, dass man Schädel von verstorbenen Personen in Tontöpfen aufbewahrte. Drumherum wird es eine kleine Ausstellung mit Originaldokumenten, Erklärtafeln und Führungen geben.
Sie haben mit Mangi Melis Enkelsohn Isaria Meli gesprochen. Wie war die Begegnung mit ihm?
In Tansania gilt Mangi Meli grundsätzlich als Held. Weil er sich gegen die Deutschen gewehrt hat, wird er als Widerstandskämpfer gefeiert. Sein Enkel Isaria ist inzwischen 87 Jahre alt und hat natürlich Angst davor, dass er selbst demnächst sterben wird, ohne die Aufgabe bewältigt zu haben, den Schädel seines Großvaters nach Tansania zurückzuholen. Und er hat auch die Sorge, dass sich dann später keiner mehr darum kümmern wird. Dass es in Vergessenheit gerät, dass der Schädel vermutlich noch in Deutschland ist. Nachdem wir das Drehbuch geschrieben hatten, sind wir nach Old Moshi gefahren, um alles mit ihm durchzusprechen. Um herauszufinden, ob das alles auch in seinem Interesse ist. Ob er irgendwelche Einwände hat. Wir haben ihm von dem Projekt erzählt und das Treffen ist sehr positiv gelaufen. Er freut sich sehr, dass „Der Schädel des Mangi Meli“ irgendwann auch in Old Moshi ausgestellt wird.
Ein zentraler Erinnerungsort
Bei diesem Projekt arbeiten Sie eng mit tansanischen Künstlerinnen und Künstlern zusammen. Wie war der kreative Austausch?Mir war bei diesem Projekt sehr wichtig, nicht nur meine in Deutschland recherchierten Archivmittel als Fakten darzustellen, sondern auch möglichst viele Geschichten zu verwenden, die man in Tansania hört. Als Deutscher kann ich nichts aus einer afrikanischen Perspektive beschreiben, darum war es wichtig für mich, mit möglichst vielen Tansaniern zusammen zu arbeiten, die mich korrigieren, die mir Hilfestellung leisten und die dem Projekt eine andere Richtung geben. In Sarita Lydia Mamseri habe ich eine gute Partnerin gefunden. Sie hat nicht nur das Drehbuch mit mir umgearbeitet, sondern sie hat auch den Kontakt zu den tansanischen Zeichnern Amani Abeid und Cloudy Antonio Chatanda hergestellt.
In welchem Stadium befindet sich das Projekt im Moment?
Die Zeichnungen der beiden sind fast fertig, es müssen nur noch ein paar Korrekturen gemacht werden. Wir befinden uns jetzt im Animationsprozess, was viel aufwendiger ist. Im Oktober wird die Ausstellung dann endlich in der Humboldt-Universität Berlin Premiere feiern. Danach reist sie nach Dar es Salaam, wo sie im Goethe-Institut gezeigt wird. Und anschließend wird die Ausstellung in Old Moshi zu sehen sein. Dort, wo der Baum steht, an dem Mangi Meli hingerichtet wurde. Es soll ein zentraler Erinnerungsort werden, der hoffentlich lange bestehen bleibt.
Verwendung der Skizzen mit freundlicher Genehmigung durch Amani Abeid und Cloudy Antonio Chatanda.