Food Crossroads (Teil 1)
Schnitzel mit Yaji
Das Goethe-Institut Nigeria unterstützt Autoren und Verlegerinnen aus Nigeria und der Diaspora mit dem Projekt „Literary Crossroads“, in dessen Rahmen literarische Trends und Themen diskutiert werden. Das zugehörige „Food Crossroads“ zielt darauf ab, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der nigerianischen und deutschen Küche herauszuarbeiten und zu verstehen. In unserer zweiteiligen Serie teilt uns die nigerianische Food Bloggerin Ozoz Sokoh ihre Sichtweise zu „Food Crossroads“ mit, am Mittwoch folgt der Bericht der Social Media Influencerin Felicitas Then, die auf Einladung des Goethe-Instituts nach Nigeria reiste.
Wenn ich in Lagos im Stau stehe, denke ich oft an Deutschland. Ich sehe Deutschland im Danfo – dem Volkswagen Bus, der in Nigeria in den siebziger Jahren berühmt wurde, und in den BMWs und den Mini Coopers des 21. Jahrhunderts. Ich denke daran, wie sonniger nigerianischer Optimismus auf dieses funktionale Chaos aus deutschem Design trifft. Aber das ist nicht alles, was mir in den Sinn kommt. Ich denke an Brot, an die Liebe der Deutschen zu Kartoffeln und die der Nigerianer zu Süßkartoffeln, zu Bier, das auf beiden Kontinenten reichlich genossen wird, an Fleisch – Schwein in Deutschland, Rindfleisch in Nigeria. Und ich denke an Currypulver.
Brot verbindet uns
Eine der frühesten kulinarischen Verbindungen, die ich feststellen kann, ist Brot. Die nigerianische Brotindustrie ist, ähnlich wie in Deutschland, Hauptbestandteil der nigerianischen Esskultur. In beiden Ländern findet man Brot in vielen Frühstücken und Abendessen, aber das war es dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Agege-Brot, aus der gleichnamigen Region um Lagos, ist das beliebteste Brot in Nigeria. Daraus wird oftmals ein Sandwich gemacht, gefüllt mit „Acarajé“, rohe Augenbohnen, die zu einem Teig verarbeitet und frittiert werden, oder nigerianische frittierte Omeletten mit grünen Paprikaschoten, roten Tomaten und Scotch Bonnets. Dazu wird ein Dip aus weichen cremigen Bohnen und Pfeffersauce serviert; aufgeschnitten wie ein Buch, dessen Seiten mit Margarine oder Mayonnaise (ja, Mayonnaise!) beschmiert sind.Das Agege-Brot ist eine von vielen Sorten, kommt aber nicht in die Nähe der tausend Sorten von dunklen Broten und Weißbroten, die jeden Tag aus einer Vielzahl von Getreiden wie Weizen, Roggen, Hafer, Dinkel, Buchweizen, Leinsamen und Hirse in Deutschland gebacken werden.
Die Welthauptstadt der Currywurst
Ich war bereits einige Male in Deutschland – auf einer Exkursion in Bad Bentheim, für ein paar eiskalte Tage auf einem Weihnachtsmarkt in Köln und für eine tolle Woche in Berlin. Berlin bot mir das großartigste Erlebnis an deutscher Kulinarik und Kultur - Fleisch, Curry und Kartoffeln. Ich suche oftmals nach Verbindungen, Ankern und Gemeinsamkeiten, wenn ich von zu Hause weg bin. Essen ist ein hervorragendes Medium, um die Welt zu verstehen und die Lücke zwischen Tellern und Tischen zu schließen. Als ich die Reise nach Berlin geplant hatte, wusste ich noch nicht, dass ich auf dem Weg in die Hauptstadt der Currywurst bin. Bis ich ankam und eine Portion bestellte.Currywurst ist deutsche Fleischwurst - gedämpft, gebraten und schließlich mit Curry-Ketchup und Curry-Pulver serviert. Der Legende nach hat Herta Heuwer 1949 an einem Imbissstand in West-Berlin in einem kreativen Moment drei Zutaten zusammengeschüttet, die sie von britischen Soldaten erhalten hatte – Tomaten-Ketchup, Worcestersoße und Curry-Pulver. Sie servierte das Ergebnis mit anderen Saucen und die Currywurst war geboren. In Nigeria sind Curry-Pulver und getrockneter Thymian die Gewürze erster Wahl, für unsere Tomatensaucen (bekannt als Stews) bis hin zu Jollof und gebratenem Reis. Hähnchengerichte, mit Karotten, Kartoffeln und grünen Paprikaschoten, werden ebenfalls mit Curry gewürzt.
Kultureller Austausch und kulinarische Diplomatie
Als Teil der „Food Crossroads“ wurde in Lagos an einem langen Wochenende eine Veranstaltungsreihe gehalten. Am ersten Tag organisierte ich eine kulinarische Entdeckungsreise durch Lagos Island mit den deutschen Gästen Felicitas Then und Theresa Schubert. Wir probierten einige lokale Favoriten – Benachin, Aganyin Bohnen und Dodo (frittierte Kochbananen), beliebte Snacks aus Kokosnuss, Erdnüssen und Weizen, Palmwein, Radler, zerstoßene Yamswurzel und Egusi. Einige Puff-Puffs später tranken wir in Ebeano in Lekki 1 Zuckerrohrsaft in der Earthblend Saftbar und danach war es an der Zeit, dass wir uns auf den Weg zu „Hans and Rene“ machten, um dort ein leckeres Eis zu genießen.Am zweiten Tag leitete ich mit Felicitas einen ganztätigen Food Writing Workshop für zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Wir entdeckten die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der nigerianischen und der deutschen Küche, analysierten einen Text, schrieben, diskutierten und erkannten, wie wichtig es ist, die eigene kulinarische Geschichte und Kultur mit anderen zu teilen. Und wir sprachen über die Verantwortung, die eigene Geschichte anzuerkennen und zu erzählen.
Die Veranstaltung wurde von einer gemeinsamen Koch-Session am dritten Tag gekrönt. Vor einem Live-Publikum beantworteten wir die Fragen der Moderatorin, Journalistin und Spoken Word-Künstlerin Wana Udobang und auch die Fragen aus dem Publikum. An dieser Session war besonders spannend, dass wir beide unsere Rezepte auf der Grundlage der deutschen und der nigerianischen Kultur etwas veränderten. Ich kochte nigerianische Hähnchen-Paprika-Suppe mit gemischtem Gemüse nach Art der deutschen Kartoffelsuppe. Ich bereitete auch ein Zobo (Hibiskus) zu – ein Kirschcocktail mit Cherry Brandy ähnlich jenem, den man in Deutschland findet. Felicitas bereitete ein mit Suya gewürztes Schnitzel zu und mengte dem Panierteig und der Kruste Yaji, eine trockene Gewürzmischung mit gemahlenen Erdnüssen, bei. Zudem bereitete sie eine Schwarzwälder Kirschtorte zu, garniert mit Zobo-Kirschsauce. Den leeren Tellern des Publikums nach zu urteilen haben wir unsere Aufgabe erfüllt – kultureller Austausch und kulinarische Diplomatie.