bauhaus imaginista
Das Bauhaus am anderen Ende der Welt
Nach Stationen in Marokko, China und den USA reist das Großprojekt „bauhaus imaginista“ anlässlich des 100. Gründungsjubiläums des Bauhauses weiter um die Welt und ist jetzt in Japan zu sehen - mit einer Ausstellung im Nationalmuseum für Moderne Kunst in Kyoto und einem Symposium am Goethe-Institut Tokyo.
Es ist der bisher weiteste Teil der Reise, den das Team von „bauhaus imaginista“ unternommen hat. 9000 Kilometer nach Kyoto, sieben Stunden Zeitverschiebung. Und dennoch lassen sich auch hier die Spuren des Bauhauses finden, dieses größten deutschen Kulturexports des letzten Jahrhunderts. Im Nationalmuseum für Moderne Kunst in Kyoto ist in Zusammenarbeit von der Bauhaus-Kooperation, dem Goethe-Institut, dem Haus der Kulturen der Welt sowie weiteren lokalen Partnern eine Ausstellung entstanden, die zeigt, wie das Bauhaus nach Asien wirkte - nach Japan, aber auch nach Indien.
Diese Wirkung war weniger eine architektonische als eine gesellschaftliche. Bauhaus war nicht nur eine Form der Gestaltung, es war auch eine neue Art der Produktion. Sie entstand aus einer modernen Lehre: raus aus den traditionellen Akademien, hinein in eine Pädagogik, die den Menschen als kreatives, ganzheitliches Wesen sieht. Neues ausprobieren - auf der Grundlage eines guten Handwerks.
Von Musik über Geologie bis Design
Dieser Gedanke war auch zentral für zwei Schulen, die im Mittelpunkt der Ausstellung in Kyoto stehen - und die auch bei einem Symposium im Goethe-Institut Tokyo aus vielen Perspektiven beleuchtet wurden. Eine auf dem Land in West-Bengalen, die andere mitten in Tokyo - nur mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Schule in Indien unabhängig vom Bauhaus gegründet wurde, während sich die japanische Schule direkt von der deutschen Gründung inspirieren ließ.In Indien wurde die Schule im Jahre 1919 unter dem Namen „Kala Bhavan“ vom Literaturnobelpreisträger Rabindranath Tagore als Versuch gegründet, im Angesicht der Kolonialherrschaft die ländliche Handwerkskultur wieder zu beleben. Was daraus entstand war eine Art Dorf-Moderne, die - ebenso wie am Bauhaus - die Schüler ganzheitlich unterrichtete, von Musik über Geologie bis Design. Die Ausstellung in Kyoto zeigt Produkte ihrer Arbeit, die allerdings ästhetisch nur wenig mit dem Bauhaus zu tun haben. Bei der Tagung in Tokyo referierte auch Anshuman Dasgupta, ein Lehrer der bis heute erfolgreichen und beliebten Einrichtung. Tagore nahm damals sehr wohl das Bauhaus wahr, brachte bereits 1922 die erste internationale Bauhaus-Ausstellung nach Calcutta.
Der japanischen Kultur nicht fremd
„Kala Bhavan“ war eine parallele Entwicklung - im Gegensatz zur Schule von Renshichiro Kawakita, selber Architekt, der inspiriert vom Bauhaus erst 1932 eine eigene Schule in Tokyo gründete. Er nannte sie „Schule für neue Architektur und Design“ und griff diese Art der Reformpädagogik auf, die in Japan auf fruchtbaren Boden fiel. Ein bewusster Umgang mit Material, die hohe Kunst des lokalen Handwerks und die Schlichtheit der Formen sind der japanischen Kultur nun wirklich nicht fremd, aber es gab bis dahin keine Einrichtung, in der man dies auf moderne Weise studieren konnte, ohne alte Meister zu kopieren.Diese Schule in Tokyo muss ein guter Ort zum Studieren gewesen sein, die Fotos in der Ausstellung zeigen hochmotivierte, gut gelaunte Studierende. Leider bestand sie nur ein paar Jahre. Kontrastiert werden die Fotos und Dokumente von einer Installation des Künstler Luca Frei, der sich von Kawakitas Ideen zu einer beweglichen Installation aus Metall, Stoff und Papier inspirieren ließ.
Der Ausdruck eines Phantom-Schmerzes
Dennoch fehlen der Ausstellung mehr Informationen und Hintergründe, gerade auch zur japanischen Schule. Während die Schule in Indien mit einem Essayfilm der britischen Otolith Group spürbar wird, bleiben bei der Schule von Kawakita viele Fragen offen, etwa die politische Dimension im Militärregime. Auch das Symposium konnte die gesellschaftliche Innovationskraft des Bauhauses für das autoritäre Japan der 30er und 40er nur streifen.In Kyoto und Tokyo wurde jedoch klar: Bauhaus ist ein kraftvolles Beispiel für eine Moderne, die sich anderswo in anderen Formen ähnlich entwickelte und überall auf Widerstände stieß. Das Bauhaus selbst wurde durch den Nationalsozialismus beendet und entstand nie wieder neu. Vielleicht sind die umfangreichen Aktivitäten zum bevorstehenden Jubiläum auch der Ausdruck eines Phantom-Schmerzes.