Border Movement Residency
Auf der Suche nach dem Klang von Berlin
Natasha Ejaz ist eine von drei Musikerinnen und Musikern aus Südasien, die dieses Jahr an der „Border Movement Residency“ teilnehmen. Das vom Goethe-Institut unterstützte Residenz-Programm gibt ihnen die Möglichkeit, drei Monate lang in Berlin zu leben. Ejaz ist im Holzmarkt untergebracht und trat im August beim Pop-Kultur Festival auf.
Frau Ejaz, könnten Sie von Ihrer Arbeit als Musikerin in Karachi erzählen? Wie sieht die dortige Musikszene aus?
Ich mache verschiedene Dinge. Ich gebe Konzerte, unterrichte Musik und arbeite als Produzentin. Diese Tätigkeiten ermöglichen es mir, von der Musik zu leben. Bisher habe ich einige Singles und eine EP unter meinem Namen veröffentlicht und mehrere Singles mit meinem Projekt „Stupid Happiness Theory“. Ich liebe, wer ich in Pakistan bin, aber ich sehe mich ein wenig als Außenseiterin. Meine Musik ist kein Mainstream. Aber ich habe in Pakistan ein fantastisches Publikum. Ich trete ständig auf und habe eine treue Fangemeinde.
Samples von singenden und tanzenden Menschen
Wofür nutzen Sie die Zeit der Residenz?Einerseits habe ich in meinem Studio Aufnahmen gemacht. Andererseits habe ich versucht, offen für akustische Eindrücke zu sein. Für mich ist es interessant, durch die Stadt zu laufen und dabei neue Geräusche zu entdecken. Das verschafft mir einen Raum, in den ich später eintauchen kann. Einer der Songs, die ich beim Pop-Kultur Festival gespielt habe, ist in Berlin entstanden. Ich kam hier in der Woche des WM-Endspiels an. Am Tag des Finales versammelten sich Hunderte von Menschen im Berliner Holzmarkt. Ich habe mit meinem Aufnahmegerät Samples von singenden und tanzenden Menschen aufgenommen und diese Field Recordings für den Song verwendet.
Außerdem bin ich zu vielen Konzerten gegangen. Ich bin verrückt nach Live-Auftritten. Es ist das erste Mal, dass ich in Clubs gehe, diesen Raum genieße und diese interessante menschliche Interaktion erlebe.
„Wir waren die MTV-Generation“
Was beeinflusst Sie musikalisch?Mich inspirieren Künstler wie Jeff Buckley oder Fiona Apple. Aber meine Einflüsse sind pakistanisch und westlich geprägt. Ich mag die Auffassung nicht, dass ich Raga in meiner Musik verwenden soll, bloß weil ich Pakistanerin bin. Raga beeinflusst meine Musik natürlich unbewusst, weil ich es höre. Aber muss es einem deshalb mitten ins Gesicht schlagen?
Ich bin 1988 geboren und habe eine sehr interessante Zeit in Pakistan erlebt, als das Internet populär wurde. Wir waren die MTV-Generation. Ich singe, seit ich drei bin. In meinem Elternhaus gab es sehr viele pakistanische und indische musikalische Einflüsse. Wir haben in Pakistan zwar keine Clubkultur, aber wir haben eine Konzertkultur. Viele Menschen denken, dass es in Pakistan keinen Platz für zeitgenössische westliche Musik gibt, aber ich bin der lebende Beweis dafür.
Diktatur und Demokratie
Würden Sie gern dauerhaft in einem westlichen Land leben wollen?Ich liebe es, in Pakistan zu leben, ich will nicht wegziehen. Ich bin keine dieser Künstlerinnen und Künstler, die in den Westen auswandern wollen. Die meisten Menschen in Deutschland haben überhaupt keine Vorstellung von Pakistan. Im Allgemeinen sind Europäer zufriedener wegen der Freiheit, die sie in den letzten Jahrzehnten erreicht haben. Es ist eine offenere Gesellschaft. Aber das bedeutet nicht, dass hier keine Instabilität herrscht. In manchen Dingen ist der Westen genauso instabil wie Pakistan, wie etwa bei den Einwanderungsgesetzen. Ich habe hier auch viel von der rechtspopulistischen Bewegung in Europa mitbekommen.
Wie bewerten Sie die aktuelle politische Situation in Pakistan?
Pakistan hatte kürzlich einen wichtigen Regierungswechsel. Aber aus vielem wird in den Medien eine größere Sache gemacht, nur weil es ein muslimisches Land ist. Ich würde nicht sagen, dass es keine Probleme gibt. Wir hatten jahrzehntelang eine Diktatur und nun Demokratie. Für Pakistan sieht es besser aus als je zuvor. Unser ehemaliger Premierminister sitzt im Gefängnis. Zum ersten Mal in meinem Leben wurde ein Politiker wegen Korruption zur Rechenschaft gezogen. Das ist unglaublich.