Alexander Kluge und Florian Henckel von Donnersmarck
Hier geht es jetzt um den Kunstaspekt

Marco Baravalle, Khavn De La Cruz, Alexander Kluge und Florian Henckel von Donnersmarck im Gespräch
Marco Baravalle, Khavn De La Cruz, Alexander Kluge und Florian Henckel von Donnersmarck im Gespräch | Foto: Chiara Sermoneta

Im Rahmen der Filmfestspiele von Venedig lädt das Goethe-Institut Mailand zu einer Lesung mit dem Filmemacher und Schriftsteller Alexander Kluge ein. Mit dabei: Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck, dessen neuer Film „Werk ohne Autor“ nicht nur für Deutschland ins Oscar-Rennen geht, sondern auch als Vorlage für eine Installation von Kluge gilt.

„Es heißt ja Mostra d'Arte Cinematografica“, sagt Alexander Kluge. „‚Happy Lamento’, der Film, den ich auf dem Festival gezeigt habe, war fürs ‚Cinema‘, hier geht es jetzt um den Kunstaspekt.“ Mit hier meint Kluge einen Saal in den „Magazzini del Sale“, den ehemaligen Salzkammern von Venedig, in dem vier Fernseher aufgebaut wurden. Auf jedem läuft eine Installation im Klugeschen Collagenstil: vielfarbige, zum Teil ungewöhnlich arrangierte Phrasen wechseln sich mit Fotos und Interviewsequenzen ab. Eine der Installationen beschäftigt sich mit einem Aspekt aus Florian Henckel von Donnersmarcks neuem Film „Werk ohne Autor“, der am folgenden Tag auf dem Filmfestival Premiere feiern soll. Auch der Regisseur selbst wird erwartet, um ein kurzes Gespräch mit Kluge zu führen.

Der Saal in den „Magazzini del Sale“
Der Saal in den „Magazzini del Sale“ | Foto: Chiara Sermoneta

Recycelte Kunst in venezianischen Salzkammern

Der Saal ist hoch, fensterlos und kühl, in der Luft und an den Wänden hängen noch Reste des Salzes, das seit dem 15. Jahrhundert hier gelagert wurde. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts standen viele der Salzkammern leer. „Wir haben 2007 das Schloss aufgebrochen, weil niemand die Räume nutzte“, sagt Marco Baravalle, ein Mitglied des Künstlerkollektivs „Sale Docks“. Man habe damals nach Räumen gesucht, in denen Künstler außerhalb der etablierten Institutionen in der Stadt kreativ sein könnten. In den Salzkammern fand man sie, nach Verhandlungen mit der Stadt gab es dann auch einen offiziellen Mietvertrag. „Wir haben hier flache Hierarchien, jede Woche gibt es eine offene Versammlung, bei der wir darüber abstimmen, wie der Raum genutzt wird“, sagt Baravalle.

Er zeigt auf die Sitzplätze am Ende des Raumes, dreistöckige Reihen aus rotbraunem Holz. „Hier schlägt sich auch gut der Bogen zwischen unserem Ort und Herrn Kluge“, sagt er mit etwas Stolz. „Wir arbeiten gerne mit Künstlerinnen und Künstlern auf der Biennale zusammen, recyceln ihre Materialien, wenn die Ausstellung vorbei ist. Die Sitzbänke sind aus dem Holz einer Installation des deutschen Pavillons 2014 gefertigt. Die hatte den Kanzlerbungalow nachgebaut und um den geht es ja auch in einer der Installationen von Herrn Kluge.“

Khavn de la Cruz vor dem Poster des Films „Happy Lamento“
Khavn de la Cruz vor dem Poster des Films „Happy Lamento“ | Foto: Chiara Sermoneta

13 Sonette über die Zerstörung Halberstadts

Vor ebendieser steht jetzt Donnersmarck im Gespräch mit Kluge. Der Regisseur, der für „Das Leben der Anderen“ einen Oscar gewann, überragt mit seiner Lockenmähne Kluge um anderthalb Köpfe. Sie begeben sich auf die Sitzbänke und beginnen ihr Gespräch. Donnersmarck erzählt davon, wie er Kluge zum ersten Mal während einer Veranstaltung an der Filmhochschule in München sah: „Damals sagte Christoph Hochhäusler, der heute selbst Regisseur ist, etwas Interessantes, woraufhin sich Alexander Kluge die ganze Zeit nur mit ihm unterhielt und wir anderen waren sehr neidisch.“ Jahre später habe es also sogar mit einer Zusammenarbeit geklappt. Er lobt das Genie Kluges, das darin bestehe, „uns präzise Gedanken zu geben, über die man lange Zeit nachdenken kann“. Kluge spricht von seiner Liebe zum Kino und dass er die Anfänge von Thomas Edison bis Fritz Lang vorziehe: „Alles an den frühen Filmen ist besser als die späteren.“
 
Nach dem Gespräch mit Donnersmarck folgt eine Lesung aus „The Snows of Venice“, einem Buch, für das der New Yorker Schriftsteller Ben Lerner 13 Sonette über die Zerstörung Halberstadts, Kluges Geburtsstadt, geschrieben hat. Kluge hat für die Lesung den philippinischen Avantgarde-Regisseur Khavn De La Cruz eingeladen, dessen Film „Alipato“ er als Versatzstück für seinen eigenen Biennale-Film „Happy Lamento“ verwendete. Er trägt lilafarbene Samthosen, einen Mantel mit Spongebob-Aufdruck und dazu einen indianischen Feder-Kopfschmuck. Während Kluge aus „The Snows of Venice“ liest, gurgelt, kratzt und wirft Khavn De La Cruz seine Worte mit sonorer Stimme ins Mikro. Das soll, so verrät er auf Nachfrage, nicht die letzte Zusammenarbeit mit Kluge gewesen sein.

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