Ausstellungseröffnung im Goethe-Institut New York
„Queer as German Folk“
Der 50. Jahrestag des Stonewall-Aufstands gibt Anlass zum Feiern, aber auch zum Weiterkämpfen für queere Rechte. Am Goethe-Institut New York ist noch bis zum 3. August die Ausstellung „Queer as German Folk“ zu sehen: Ein Erlebnisraum zur Geschichte und Gegenwart der queeren Bewegung.
Von Jörg Wimalasena
Manchmal braucht es eine Leerstelle, um den Blick auf das zu lenken, was in der Erinnerungskultur fehlt. In der Ausstellung „Queer as German Folk“, kuratiert von Birgit Bosold und Carina Klugbauer, im New Yorker Goethe-Institut ist eine große Leerstelle zu sehen: Ein Foto zeigt neben Kränzen eine leere Wand. Das Bild wurde 1984 im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück aufgenommen. Der fehlende Kranz für die lesbischen Opfer des Nationalsozialismus steht symbolisch für die mangelnde Sichtbarkeit homosexueller Frauen in der queeren Geschichtsschreibung. „Es gibt Menschen, die unsichtbar bleiben“, sagte Carina Klugbauer. Frauen, Arbeiter*innen und ethnische Minderheiten würden in der Erinnerungskultur weit weniger berücksichtigt als weiße Cis-Männer. Genau diese Menschen möchten die beiden Kuratorinnen vom Schwulen Museum Berlin in ihrer Ausstellung sichtbar machen.
Eine Herzensangelegenheit
Anlässlich des 50. Jahrestags des Stonewall-Aufstands in einer New Yorker Schwulenkneipe, die als Gründungsmythos der queeren Befreiungsbewegung in den USA gilt, versucht das Goethe-Institut die Geschichte der deutschen LGBTIQ+-Bewegung für ein transatlantisches Publikum aufzuarbeiten. Von den ersten noch mehrdeutig titulierten Magazinen für Schwule und Lesben in den 50er-Jahren bis zu aktuellen Debatten über den politischen Einfluss der AfD (Alternative für Deutschland) auf Geschlechterdiskurse führt die Ausstellung durch den jahrzehntelangen Kampf sexueller Minderheiten um Anerkennung.Für Institutsleiter Georg Blochmann ist das Projekt eine Herzensangelegenheit: „Vor Jahrzehnten gehörte ich zur ersten Generation schwuler Aktivisten“, erklärte Georg Blochmann. Doch als Sohn bürgerlicher Eltern habe er sich damals kaum Gedanken darüber gemacht, wie es schwulen Arbeitern oder Homosexuellen mit Migrationshintergrund ginge und wer im Diskurs unsichtbar bleibe. „Umso stolzer bin ich jetzt darauf, dass wir in dieser Ausstellung die Geschichte der queeren Bewegung breiter erzählen.“ Zwar gebe es rund um das Stonewall-Jubiläum Hunderte Veranstaltungen in New York, „aber die Geschichte der deutschen Queer-Bewegung gibt es nur bei uns zu sehen.“ „Wir wollen einen Erlebnisraum schaffen, der Geschichte und Gegenwart der Bewegung erfahrbar macht“, erörterte der Leiter des Goethe-Instituts New York.
Gesellschaftliche Herausforderungen
Besonders spannend sind die Unterschiede der emanzipatorischen LGBTIQ+-Bewegungen in Deutschland und den USA. „Die Stonewall-Geschehnisse wurden in Deutschland beispielsweise erst Ende der 70er-Jahre stärker rezipiert“, bemerkte Kuratorin Birgit Bosold. Auch habe es in Deutschland im Gegensatz zu den USA keine gewalttätigen Überfälle der Polizei auf Schwulenbars gegeben und schließlich sei der Umgang der beiden Länder mit der „Aidskrise“ sehr unterschiedlich gewesen. Während in Deutschland in den 80er-Jahren die Aidshilfen gegründet wurden und viele den Kampf gegen das Virus als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet hätten, habe man in den USA Betroffene zunächst stärker an den gesellschaftlichen Rand drängen wollen.Ausstellung „on demand“
Auf einer Ausstellungsfläche von knapp 80 Quadratmetern sind die etwa 100 Objekte von „Queer as German Folk“ in New York noch bis zum 3. August zu sehen. In den Goethe-Instituten in Montreal, Toronto, Chicago, Washington, San Francisco, Mexiko-Stadt, dem Goethe-Zentrum Guadaljara und im Schwulen Museum Berlin (ab 18. Juli) wird die Ausstellung ebenfalls gezeigt.Das szenografische Konzept entwickelte die Berliner Agentur chezweitz, die neben vielen anderen auch für die große Ausstellung „Homosexualität_en“ in Deutschen Historischen Museum und dem Schwulen Museum verantwortlich zeichnete. Als Ausstellung „on demand“ passt „Queer as German Folk“ auf einen kleinen USB-Stick und steht für die kommenden fünf Jahre Goethe-Instituten und ihren Partnern*innen zur Verfügung.