Deutschlandjahr USA
Roadtrip für die Freundschaft

In einem Vorgarten von Detroit
In einem Vorgarten von Detroit | Foto: Marcus Sporkmann

Ungewöhnliche Blicke auf das Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Das „typische Amerika“ liegt jenseits der Küsten. In Detroit findet sich sogar eine spezielle Berlin-Connection. Das Deutschlandjahr USA zeigt die langjährige Freundschaft aus vergessenen Perspektiven.
 

Von Juliane Schäuble (Der vollständige Artikel erschien am 15. Juni 2019 in „Der Tagesspiegel“)

Manchmal ist Timing alles. Dass das Deutschlandjahr in den USA zu einer Zeit stattfindet, die durch den neuen Mann im Weißen Haus und seine für viele Europäer irritierende Politik geprägt ist, soll reiner Zufall sein, heißt es immer wieder. Doch selbst wenn das stimmt, so ist es zumindest ein glücklicher Zufall. Denn der Sinn dieses Jahres sei es, den Blick über Washington hinaus zu weiten und das „typische Amerika“ jenseits der Küsten stärker in den Blick zu nehmen, als es transatlantische Organisationen in der Regel tun, sagt Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts.

Die bemalten Fassaden in der Heidelberg Street wie auch die gesamte Kunstszene in Detroit sind ein wichtiges Zeichen des Aufbruchs für Detroit
Die bemalten Fassaden in der Heidelberg Street wie auch die gesamte Kunstszene in Detroit sind ein wichtiges Zeichen des Aufbruchs für Detroit | Foto: Marcus Sporkmann

STÄDTE IM WANDEL

Manche Städte müssen sich nicht neu erfinden. Sie sind einfach. Anziehend, erfolgreich, einzigartig. Andere dagegen müssen dringend etwas unternehmen. Zum Beispiel, weil ihre Existenzgrundlage verschwunden ist oder sich schlicht und ergreifend die Welt verändert hat. Berlin ist so eine Stadt. Als die Mauer fiel, war auf einmal alles anders – und alles möglich.
 
Eine andere solche Stadt ist Detroit. Hier ist zwar keine Mauer gefallen, aber die Industrie, die diese Stadt im Mittleren Westen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt und reich gemacht hat, ist weitgehend weggebrochen. Die einst boomende amerikanische Autoindustrie, die der Stadt den Namen Motor City verpasste, schwächelte Ende des 20. Jahrhunderts. Firmen wurden geschlossen, Einwohner zogen weg, vor allem die, die es sich leisten konnten. Zurück blieben verfallende Bauten und desillusionierte Menschen; Detroit wurde zum Synonym für die gefährliche amerikanische Innenstadt. Das bekannteste Gebäude wurde der ehemalige Bahnhof im Südwesten, eine alleinstehende Ruine, mit der jahrzehntelang außer Fotografen niemand etwas anfangen konnte. Bis vor Kurzem das Ford Hauptquartier einzog. Nun wird renoviert, der kleine Park davor sieht schon wieder richtig gepflegt aus, und bald soll hier das globale Zentrum für autonome Fahrzeuge residieren – „Zeichen einer neuen Zeit“, wie der Detroiter Stadtentwicklungsexperte Larry Flint sagt.
Generalsekretär Johannes Ebert während der Konferenz „The Potential“ von Detroit-Berlin Connection
Generalsekretär Johannes Ebert während der Konferenz „The Potential“ von Detroit-Berlin Connection | Foto: Marcus Sporkmann

Der Klang der Stadt

Auch sonst ändert sich die Stimmung seit ein paar Jahren in Detroit, und manches davon hat mit Berlin zu tun. Genauer gesagt mit Leuten wie Dimitri Hegemann, dem Kulturmanager, der den Tresor Club und das Kraftwerk Berlin gegründet hat und auch die Detroit-Berlin Connection, die sich gerade zum sechsten Mal zu ihrer Konferenz „The Potential“ in Detroit getroffen hat. Thema: Stadtentwicklung und die Nighttime Economy, also die Industrie, die vor allem nachts Umsätze generiert. Einst wurde der Techno von Detroit nach Berlin exportiert und half der Stadt nach dem Fall der Mauer, sagt Hegemann. „Die Musik inspirierte junge Leute, Neues zu wagen.“ Nun wollen die Berliner den Detroitern helfen, mehr aus ihrem kreativen Potenzial zu machen. Denn das ist beachtlich, vor allem das musikalische: Die „Motown“ (kurz für Motor Town, aber auch für das Plattenlabel Motown Records) ist Heimat von Weltstars wie Aretha Franklin – eine Ausstellung über die 2018 verstorbene Soulsängerin zeigt derzeit das Detroit Institute of Arts.
Der „WanderbUS“ fährt derzeit über die US-amerikanischen Highways
Der „WanderbUS“ fährt derzeit über die US-amerikanischen Highways | Foto: Goethe-Institut Washington

Goethe POP UP

Sechs Goethe-Institute gibt es USA-weit, an klassischen Orten wie Washington, New York oder Chicago. Während des Deutschlandjahrs kommen vier temporäre dazu: in Houston, Kansas City, Minneapolis und Seattle. Ziel ist es, abseits der „Stammsitze“ für die deutsche Sprache und Kultur zu werben und neue, dauerhafte Verbindungen zur Zivilgesellschaft zu knüpfen. In der „Jazzstadt“ Kansas City, seit zwei Jahren Unesco City of Music, ist das Goethe Pop Up in einen ehemaligen Saftladen im Kunstviertel gezogen. Die Besucher können hier deutschsprachige Bücher und Medien nutzen, sich zu Buchclubs und Filmvorführungen deutscher Klassiker treffen oder seit Ende Mai auch das „Virtual Bauhaus“ ausprobieren – passend zu dessen 100. Jubiläum.

BILDUNG UND KLIMA

Wenn Hunderte Schülerinnen und Schüler abwechselnd angeregt diskutieren und gebannt zuhören, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es um ein Megathema geht. Als das Deutschlandjahr geplant wurde, war die Klimaaktivistin Greta Thunberg noch eine unbekannte schwedische Schülerin. Umso größer war die Freude bei den Organisatoren, dass ihr dreitägiger Nachhaltigkeitsgipfel an der Loyola University in Chicago Ende Mai genau in die Hochzeit der „Fridays for Future“-Bewegung fiel. Die Jugendlichen reisten dafür aus allen Teilen des Landes an, um in „Zukunftswerkstätten“, Experimentier-Workshops und bei Podiumsdiskussionen mehr über den Klimawandel zu erfahren. Und darüber, wie sich seine Folgen abmildern lassen – zum Beispiel anhand der Frage „Wie werden wir uns ohne CO2 fortbewegen?“
 
Da sich das alles mit vertieftem Wissen besser verstehen lässt, eröffnete das Goethe-Institut zeitgleich den amerikanischen Ableger seiner Digitalen Kinderuniversität: Schon junge Wissbegierige lernen damit online von den Animationsfiguren „Frau Schlau“ und „Professor Einstein“ spielerisch etwas über die Naturwissenschaften.
 
Wer in Chicago immer noch nicht genug vom Lernen hatte, konnte einen Blick in den „WanderbUS“ werfen, der im Deutschlandjahr auf den amerikanischen Highways unterwegs ist. Das Ziel ist ganz klar ein werbliches: Wer den Bus betritt, soll sich danach für den deutschamerikanischen Austausch interessieren. Dafür stehen Tablets und virtuelle Brillen bereit, mit denen Deutschland und seine Sprache erkundet werden können. Nach der Zwischenstation in Chicago ging es auch schon weiter: Immerhin soll der „WanderbUS“ am Ende des Jahres rund 60 US-Städte angefahren haben. Und das Land ist groß.
„Black Lives Matter“
„Black Lives Matter“ | Foto: Marcus Sporkmann

Top