Das Goethe-Institut hat junge Akademiker*innen aus dem Nahen Osten nach Deutschland eingeladen: Sie tragen unvergessliche Eindrücke im Herzen und zurück in ihre Heimatländer.
Von Elske Brault
„Bald werde ich Sonthofen verlassen, aber Sonthofen wird mich nicht verlassen." So fasste Bauingenieurin Eman aus Jordanien ihren Deutschland-Aufenthalt zusammen. Auf der Abschlussveranstaltung des Horizonte-Projekts am 8.November 2024 im Goethe-Institut Berlin zeigte sie damit ein Gefühl für die Feinheiten der deutschen Sprache und die besondere Wirkung des Austauschprogramms.
„Man versteht sich besser, wenn man die Sprache des anderen spricht", sagte David Reuss vom Auswärtigen Amt, dem Projektförderer. „Und gegenseitiges Verständnis ist Grundlage für gelingende internationale Beziehungen." Stärke des Programms sei stets die enge Betreuung der Teilnehmenden gewesen. Dennoch wird man nach 15 erfolgreichen Jahren nun das Projekt einstellen.
Die zwei Frauen und vier Männer aus dem Libanon, Jordanien und dem Irak hatten sechs Wochen in deutschen Unternehmen hospitiert: Beim Energielieferanten E.ON in Essen und dem Chemieunternehmen Evonik in Marl, beim Faserproduzenten Kast in Sonthofen, im LMU-Klinikum München und beim Designermode-Anbieter Mytheresa. Neben den Sprachen, die sie mitbringen, und der deutschen, die sie lernen, kam es dabei bei manchen noch auf die Kenntnisse einer weiteren, nämlich der Computersprache an.
Damit hat Massoomeh, iranische Horizonte-Teilnehmerin des Jahres 2022, gerade eine Stelle als Bibliothekarin in Köln bekommen: „Ich habe dreizehn Jahre im Iran als Bibliothekarin, Projekt-Managerin und Professorin gearbeitet", erklärt sie. „Unsere Bibliotheks-Software ist sehr gut. Dieses Wissen kann ich jetzt in Deutschland einsetzen." So hat zuerst das Horizonte-Programm Massoomeh den Zugang nach Deutschland eröffnet, jetzt erweitert sie hier den Horizont ihrer Kolleg*innen.
Bei der Abschluss-Präsentation im Goethe-Institut Berlin betonten die Teilnehmenden ebenso wie die gastgebenden Unternehmen, wie bereichernd der Austausch für beide Seiten war. „Es hat uns Riesenspaß gemacht", so Andreas Kuhlmann von Evonik. „Wir bauen Vorurteile ab, das ist der Kleber für unsere Gesellschaft." Sein Horizonte-Hospitant Ameer fand ein Vorurteil allerdings bestätigt: „Die Deutsche Bahn ist oft verspätet“, stellte er bei seinen vielen Deutschland-Reisen fest.
Ob Anwer, Horizonte-Teilnehmer des Jahres 2021 aus dem Irak, daran etwas ändern kann? Er lebt seit zwei Jahren in Deutschland und arbeitet als Ingenieur bei der Deutschen Bahn, konkret am Schienenprojekt Karlsruhe-Basel mit dem längsten Tunnel Deutschlands. Die deutsche Bürokratie würde vieles verlangsamen, urteilt Anwer: „Im Irak sind die Sachen einfacher und schneller. In Deutschland wird alles protokolliert und dokumentiert. Wenn ich etwas tun möchte im Projekt, soll ich erstmal ein Protokoll schreiben, dann eine Besprechung vereinbaren. Im Irak gehe ich direkt zum Chef und sage: Das und das will ich tun, machen wir das?" Gleichzeitig sei vieles positiv, wie zum Beispiel die Offenheit der Menschen.
Die ebenfalls aus dem Irak stammende Kinderärztin Iman war beispielsweise positiv überrascht, dass in Deutschland Respektspersonen und Abhängige auf Augenhöhe kommunizieren. „Die deutschen Ärzte fragen den Patienten, was er oder sie selbst über seine Krankheit denkt", hat sie bei ihrer Hospitation am LMU-Klinikum München festgestellt. „Wo der Patient die Ursache sieht – auch wenn er erst zehn Jahre alt ist." Beide Seiten können sich von der anderen Kultur etwas abschauen – und haben das 15 Jahre lang im Horizonte-Programm erfolgreich getan.