Blog #6
Die letzten Wochen des Abenteuers
Huch…..nun war in den letzten Wochen des Praktikums tatsächlich so viel los, dass ich keine Zeit gefunden habe, weitere Blogeinträge zu schreiben! Mittlerweile bin ich wieder sicher in Deutschland angekommen und habe mich auch schon wieder ganz gut eingelebt. Bevor ich aber von meinen ersten Tagen zurück in Deutschland berichte, möchte ich euch zuerst von meinen letzten Praktikumswochen erzählen.
Die letzten Schulwochen waren nochmal ziemlich anstrengend. Die Musicalproben wurden immer häufiger und auch für alle etwas stressiger. Bis zur Woche vor der Aufführung habe ich nicht ganz daran geglaubt, dass wir es schaffen, ein schönes und lustiges Stück auf die Bühne zu bringen. Die Kostüme waren nicht fertig, die Kinder konnten ihre Texte nicht auswendig und die Tänze wurden erst in den letzten vier Proben eingeführt. Das Einzige was die Kinder sicher beherrschten, waren die Lieder, die sie laut und enthusiastisch schmetterten. In der Woche vor der Aufführung stand ich ziemlich unter Stress. Ofelya hatte mir erzählt, dass Gäste des Goethe-Instituts und der Deutschen Botschaft erwartet wurden! Vielleicht kam sogar der Botschafter höchstpersönlich! Von Frau Schluchtmann wusste ich bereits, dass sie kommen und sich das Stück anschauen würde, aber sie kündigte an, noch weitere Mitarbeiter des Goethe-Instituts zu mobilisieren.
Meine Nerven lagen blank und für mich stieg der Druck noch weiter an, ein mehr als passables Stück auf die Bühne zu bringen. Das Problem war aber auch hier wieder die Sprachbarriere. Die Kinder verstanden meine Anweisungen nicht und konnten Dinge, die ich erklärte, häufig nicht umsetzen. So musste die Kommunikation immer über Ofelya laufen, wodurch sich Situationen, die eigentlich schnell hätten geklärt werden können, in die Länge zogen. Ich sagte Ofelya was mir aufgefallen war und was ich ändern wollte, sie hörte mir zu, fragte nach und erklärte dem Kind dann auf Armenisch was es nun tun sollte. Bis zu dem Zeitpunkt hatten alle anderen Kinder auf der Bühne ihre Konzentration verloren und wir mussten einige Minuten darauf verwenden alle wieder zu motivieren.
Der 17. Dezember und damit der Aufführungstag rückte immer näher. Mittlerweile konnten die Kinder ihren Text und die Tänze, jedoch waren die Kostüme immer noch nicht fertig und auch die Requisiten fehlten noch. Mein deutsches Sicherheitsbedürfnis forderte von mir, etwas zu tun, um die endlos scheinende Liste abzuarbeiten, aber Ofelya bestand darauf die Dinge selbst zu machen oder den Eltern der Kinder aufzutragen. Außerdem sei doch noch massig Zeit! Kein Grund zur Beunruhigung! Am Wochenende vor dem 17. Dezember war dann auch mir klar: es würde kommen, wie es kommen würde. Die Kinder hatten geprobt und würden am Dienstag ihr Bestes geben. Und mehr konnte niemand erwarten. Die Hauptsache war ja auch, dass sie Spaß hatten! So beruhigte ich mich an den letzten Tagen und konnte die Generalprobe am Montag (die ziemlich schieflief) gelassen hinnehmen. Außerdem sagt man ja sowieso, dass die Aufführung nur dann gut wird, wenn die Generalprobe eine Katastrophe ist. Also kein Grund für schlaflose Nächte. Und ich behielt Recht. Die Kinder gaben ihr Bestes und legten eine wunderbare Vorstellung hin! Eltern, Lehrer und Gäste waren gleichermaßen begeistert und fanden viele lobende Worte für die Kinder und das Lehrerteam bestehend aus Ofelya, der Musiklehrerin, der Tanzlehrerin und mir.
Ich war unglaublich nervös und aufgeregt. Mit dem Unterrichten von Kindern hatte ich ja mittlerweile etwas Erfahrung. Aber wie würde das mit Erwachsenen ablaufen? Würden sie sich überhaupt etwas von einer viel jüngeren, nicht fertig ausgebildeten Lehrkraft erzählen lassen? Hatte ich genug vorbereitet, um die Zeit von 10 bis 18 Uhr zu überbrücken? Doch auch hier aktivierte ich meine neu entdeckte armenische Gelassenheit und sagte mir selbst immer wieder, dass alles gut gehen würde und ich alles in meiner Macht Stehende getan hätte.
Der Samstag verlief dann viel besser als erwartet. Die Teilnehmerinnen kamen alle pünktlich und arbeiteten gut mit. Sie stellten viele Fragen und regten immer wieder Diskussionen an, die ich nicht eingeplant hatte. Dadurch war ich schon nach kurzer Zeit überhaupt nicht mehr im Zeitplan. Aufgaben, für die ich 20 Minuten oder länger eingeplant hatte, wurden in der Hälfte der Zeit bearbeitet, während andere Aufgaben, die ich nur kurz bearbeiten wollte, viel mehr Zeit in Anspruch nahmen. Da ich jedoch insgesamt trotzdem im Zeitplan lag, blieb ich ruhig und ließ die Änderungen zu. Am Ende des Tages hatten alle Teilnehmerinnen verschiedene Übungen selbst ausprobiert und umgesetzt und gingen zufrieden nach Hause. Ich war völlig erschöpft und erschlagen und schleppte mich nach Hause, wo ich nach einem Abendessen direkt ins Bett fiel.
Sirun und Hasmik waren begeistert von der Idee und wollten ebenfalls etwas zum Essen beisteuern. Meine Oma und ich wollten also Rouladen mit Rotkohl und Klößen kochen, während Sirun und Hasmik Tolma, Horovaz, herzhafte und süße Blinchik vorbereiteten. Zusätzlich gab es Salat, Brot, Lavash, Wurst, Käse und eingelegtes Gemüse. Und natürlich war auch ein Nachtisch geplant mit frischem Obst, getrockneten Früchten, Nüssen, zwei Kuchen und Schokolade.
Meine Familie kam in der Nacht von Sonntag auf Montag in Jerewan an. Ich holte sie vom Flughafen ab und besuchte sie am nächsten Morgen in ihrem Hotel. Meine Schwestern wirkten noch etwas unausgeschlafen, aber nach ein bis zwei Tassen Kaffee besserte sich die Laune merklich. Wir besuchten an diesem Morgen ein kleines Museum und wanderten etwas durch die Stadt. Nachmittags waren wir zur Weihnachtsfeier der Schule eingeladen. Dort war eine lange Tafel aufgebaut, an der alle Mitarbeiter*innen der Schule saßen und feierten. Die Stimmung war ausgelassen. Es wurde getanzt, gegessen, Trinksprüche wurden ausgesprochen und Weihnachtsgeschenke verteilt. Meine Schwestern saßen wie erstarrt auf ihren Plätzen und beobachteten alles genau, während meine Oma sich mitten ins Getümmel stürzte. Nach ein-einhalb Stunden war es meiner Familie dann aber genug und wir fuhren mit dem Taxi zu meiner Gastfamilie. Auch dort wurden wir natürlich mit Essen und Tee empfangen, was meine Oma und Schwestern, die bereits auf der Feier einiges gegessen hatten, leise aufstöhnen ließ. Mein Magen war diese Menge an Essen glücklicherweise mittlerweile gewohnt, sodass ich problemlos erneut etwas essen konnte.
Am nächsten Tag war Heiligabend und unser großes Abendessen fand statt. Meine Oma stand den ganzen Tag in der Küche und bereitete unser deutsches Gericht vor, wobei sie keine Hilfe wollte. Hasmik sah ihr immer mal wieder über die Schulter und fragte etwas. Zu Anfang übersetze ich ihre Fragen so gut ich konnte, doch schon bald hatten meine Oma und sie einen Weg gefunden, miteinander zu kommunizieren und brauchten meine Hilfe nicht mehr. Um 19 Uhr kamen alle Gäste und wir versammelten uns um den großen Esstisch im Wohnzimmer. Insgesamt waren wir zu zehnt. Wie erwartet wurde der Abend sehr lustig und geprägt von immer verzweifelteren Blicken meiner Oma und meiner Schwestern mit jedem Gang, der aufgetragen wurde. Interessanterweise wurde ich das erste Mal in den zwei Monaten nicht dazu gedrängt immer noch mehr zu essen. Diese Bemühungen konzentrierten sich nun auf meine Familie! Nach diesem langen und essensreichen Tag fuhr meine Familie zurück ins Hotel.
Mittlerweile bin ich seit knapp zwei Wochen wieder da. Ich bin froh wieder in meiner vertrauten Umgebung zu sein, mich wieder verständigen, Schilder wieder lesen und die Kultur um mich herum verstehen zu können. Doch gleichzeitig vermisse ich die Zeit in Armenien jetzt schon. Die Menschen, die mir in den zwei Monaten unheimlich ans Herz gewachsen sind, die Spontaneität und die Offenheit der Armenier. Es war für mich bestimmt nicht das letzte Mal, dass ich in Armenien war.
Danke an euch alle, die ihr meinen Blog so fleißig verfolgt habt und diese zwei Monate so mit mir zusammen erlebt habt. Und danke an das Goethe-Institut, das mir diese wundervollen Erfahrungen ermöglicht hat. Diese Zeit werde ich nie vergessen.