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Interkulturelle Unterschiede, die ich erleben konnte

Während meiner Zeit in Vietnam sind mir einige Unterschiede aufgefallen und ich vermute ich habe mich aus vietnamesischer Sicht des Öfteren merkwürdig verhalten.
Wie jeden guten Smalltalk, beginne ich diesen Beitrag mit dem Wetter. Ich saß mit Chau beim Mittagessen um 11:10 Uhr in der Lehrer*innen Kantine. Es waren 41 Grad auf dem Thermometer und die gefühlte Temperatur lag aufgrund der Luftfeuchtigkeit bei 48 Grad. Die Sonne hat alles gegeben und stand kerzengrade am Himmel. Während ich im Klimatisierten gegessen habe, war draußen auf dem Schulhof ein Basketball Turnier- bei ich wiederhole gefühlten 48 Grad. Ich habe Chau gefragt, ob es nicht zu heiß sei, um Sport zu machen. Auch sie würde das nicht machen, meinte sie und als ich daraufhin nach „hitzefrei“ gefragt habe schaut sie mich verdutzt an. „Hitzefrei? Warum das?“ war ihre Antwort. In Vietnam gibt es kein „hitzefrei“ dafür aber ein „kältefrei“: bei Temperaturen unter 10 Grad dürfen die Schüler*innen zuhause bleiben. Wenn man die deutschen und vietnamesischen Klassenzimmer vergleicht, ist das nur logisch. Während in Deutschland Klimaanlagen fehlen, gibt es in Vietnam keine Heizungen in den Klassenzimmern. Der Pausenraum © Viktoria Mehling

Auch die Mittagspause wird anders gestaltet. Meine Mittagspausen in Deutschland waren chaotisch. In 45 Minuten war die Aufgabe etwas zu essen zu bekommen und sich in den Gängen aufzuhalten - eine Schulkantine oder einen Aufenthaltsraum gab es an meiner Schule nicht. Die Wahl bestand darin sich in die Schlange des Schulbäckers zu quetschen, in die Kantine des Statistischen Landesamts zu gehen (in der es immer nach Kartoffelbrei roch) oder superhektisch zu einem Supermarkt zu gehen. Ruhe und Entspannung, ein ausgewogenes Mittagessen gab es in keiner Mittagspause so richtig. Das habe ich an der Schule in Vietnam anders erlebt. Die Mittagspause beginnt um 11:10 mit dem Mittagessen, dass in der Schule jeden Tag frisch und abwechslungsreich zubereitet wird. Dafür bleiben die Klassen in ihren Klassenzimmern und eine Betreuerin gibt das Essen aus. Nach dem Essen werden Pritschen und Matten ausgelegt, Decken verteilt und die Schüler*innen legen sich alle - von der 1.-12. Klasse - zum Mittagschlaf hin. Auf meine verdutzte Nachfrage, ob wirklich geschlafen oder nur geruht wird, wurde mir mehrfach bestätigt, dass wirklich geschlafen wird. Das machen auch einige Lehrkräfte im Lehrer*innenzimmer. Um 13:15 ertönt dann ein Gong: die Schüler*innen wachen wieder auf und die Klassenzimmer werden ab 13:30 wieder zum Lernort.

Die Beziehung zwischen Schüler*innen und Lehrkräften ist auch anders, als ich sie kenne. Die Beziehung ist viel näher, Lehrkräfte werden mit Vornamen angesprochen und geduzt, und der Umgang ist von flachen Hierarchien geprägt. Die Lehrkräfte nehmen sich selbst nicht so ernst und sind für Späße zu haben. Trotzdem werden sie respektiert.

Organisationsstrukturen und Planungen habe ich auch sehr viel spontaner erlebt als in meiner Schulzeit. Spontanität gehört zu den wichtigsten Eigenschaften der Lehrkräfte, um das mitzumachen. Ich habe gemerkt, je mehr Spontanität von mir erwartet wurde, desto genervter war ich davon. Ich plane gerne im Voraus und bereite mich ohne Eile vor. Das war nicht immer möglich, wenn mir kurzfristig Aufgaben übertragen wurden, solche Situationen waren sehr herausfordernd für mich.

Besonders schön fand ich es interkulturelle Unterschiede in kreativen Schulaufgaben zu entdecken. Spannend war es für mich die Dialoge von Schüler*innen zu lesen, die auf Deutsch verfasst waren und durch die beschriebenen Situationen doch so gar nicht deutsch auf mich gewirkt haben. Besonders ist es mir bei Dialogen zu einem Restaurantbesuch aufgefallen. Grammatikalisch waren die super, aber inhaltlich wurde eine Situation beschrieben, die in Deutschland so nicht stattfindet. Stattdessen spielen die Dialoge in Vietnam. Das zu erkennen war für mich sehr spannend. Ein Beispiel für eine gelungene Mittagspause © Viktoria Mehling

Außerhalb der Schule habe ich auch viele Unterschiede entdeckt. Am liebsten habe ich Situationen beobachtet, die gezeigt haben, wie sehr sich die Gesellschaft umeinander kümmert. Im Bus habe ich das am häufigsten gesehen. Die Jüngeren sind für die Älteren aus ihren Sitzen aufgesprungen und alle haben sich gegenseitig gezeigt, wo sie sitzen können.
Ich könnte noch ewig so weiterschreiben, stattdessen ermuntere ich euch: reist selbst nach Vietnam und erlebt die Kultur. Der Austausch und das Hinterfragen der eigenen Gewohnheiten ist unglaublich wertvoll.
 

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