Woche 5
Zwischenseminar des Goethe-Instituts in Peking
Diese Woche stand unter dem Motto „Wiedersehen“. Donnerstag ging es für mich und die 14 weiteren SCHULWÄRTS!-Stipendiatinnen und -Stipendiaten zum Zwischenseminar des Goethe-Instituts nach Peking. Doch zuvor hatte ich noch einige Unterrichtsstunden vorzubereiten und durchzuführen.
Laut, lauter, 50 Schülerinnen und Schüler in der 9. Stunde
Mittlerweile habe ich den Dreh raus und einen guten Draht zu den Deutschlehrkräften der Schule, so dass mir das Unterrichten mehr Freude als Sorge bereitet, auch wenn nicht immer alles nach Plan verläuft. Ich nehme es stets mit Humor und hake es als Erfahrung ab. Unterricht in China ist eben doch ein bisschen anders als in Deutschland. So auch am Dienstag. Ich unterrichte dienstagabends eine 7. Klasse mit rund 50 Schülerinnen und Schülern, die Deutsch als 2. Fremdsprache lernen. Da sich die Klasse noch ganz am Anfang befindet, bat mich die Deutschlehrkraft, die Zahlen von 1-20 vorzubereiten. Also arbeitete ich eine bunte, ansehnliche Präsentation aus und überlegte, den Unterricht mit einem krönenden Bingo-Spiel beenden, da Spiele im Unterricht bekanntlich immer gut ankommen, zumindest bei den Klassen. Um die Umsetzung machte ich mir zuvor scheinbar nicht ausreichend Gedanken. In China ist es üblich, dass neue Wörter durch ein Vorsagen der Lehrkraft und Nachsprechen der Klasse im Chor-Schema eingeübt werden. Daran habe ich mich inzwischen gewöhnt, auch wenn es bei 50 Kindern alles andere als leise zugeht und eine Menge Nerven kostet. Ein Mikrophon würde vermutlich Abhilfe schaffen, aber es geht immer irgendwie. Nachdem die Deutschlernenden die Zahlen einigermaßen eingeübt hatten und meine Stimme schon leicht angeschlagen war, leitete ich zum Spiel über. Ich stieß auf große Begeisterung der Schülerschaft, nachdem die chinesische Deutschlehrerin die Anleitung übersetzte. Das zauberte mir kurz ein Lächeln auf die Lippen. Bereits kurze Zeit später bereute ich meine Entscheidung, mit 50 Kindern Bingo zu spielen… was vermutlich nicht zuletzt an meiner Spielanleitung lag, dass man, sobald eine Reihe voll ist, „Bingo!“ schreien soll. Anfängerfehler: Die Schülerinnen und Schüler haben die Anweisung offensichtlich sehr ernst genommen, was per se ja nicht schlecht ist. Jedoch schrien die Kinder wild durcheinander, einer lauter als der andere, und rannten durch den Raum, weil mir jeder von ihnen zeigen wollte, dass sie ein Bingo haben. Die Unruhe war nicht mehr zu bändigen. Ich versuchte mir innerlich einzureden, dass alles gut wird. Die Kinder hatten Spaß, das stand im Vordergrund. Memo an mich: Entweder nie mehr spielen, oder im Zwischenseminar nach Tipps fragen. Ich entschied mich für die zweite Möglichkeit.
Deutschunterricht in Klasse 7
| © Charlene Hennecke
Auf nach Peking
Donnerstagmorgen machte ich mich mit einigen Fragen im Kopf und viel Freude auf den Weg zum Nordbahnhof (Xi’anbei), um mit dem Hochgeschwindigkeitszug (dieser legt bis zu 350 km/h zurück!) nach Peking zu fahren. Zugfahren gehört inzwischen auch zu einer meiner leichtesten Übungen und ist für mich eine schöne Art zu reisen, denn so habe ich die Möglichkeit, etwas vom Land zu sehen. Nach ungefähr 4,5 Stunden Zugfahrt kam ich in Peking an und machte mich direkt auf den Weg zur Verbotenen Stadt, um dort meine Mitpraktikantinnen Anuschka, Laila, Marin und Nele in die Arme zu schließen.
Wir waren im Juli gemeinsam auf dem Ausreiseseminar in München und haben uns sehr gut verstanden, weshalb die Wiedersehensfreude riesig war. Die imposante Verbotene Stadt ist meiner Meinung nach ein Muss für jeden Besucher Pekings. Die Parkanlage ist so weitläufig, dass wir schon fast zu spät ankamen, um uns nur ansatzweise alles in Ruhe anzusehen. Beeindruckt von der Parkanlage und den Gebäuden waren wir trotzdem. Geteiltes Leid ist halbes Leid und geteilte Freude ist doppelte Freude
Freitag und Samstag trafen wir uns im Goethe-Institut Peking, um erste Erfahrungen auszutauschen (und die Neuankömmlinge zu begrüßen). Steffi Stadelmann und ihre Kollegin Xiaoxi führten uns zwei Tage durch ein rundes Programm. Wir wurden (wie wir es bereits aus München kannten ;-)) bestens umsorgt. Im Fokus standen unsere ersten Unterrichtserfahrungen, interkulturelles Kompetenztraining sowie Tipps und Trick rund ums Thema DaF. Für mich war der Vortrag zum Thema Gao Kao (vergleichbar mit dem Abitur in Deutschland) besonders interessant. Nun verstehe ich endlich, warum manche Schülerinnen und Schüler so sind, wie sie sind. Die Abschlussprüfung entscheidet über ihre Zukunft und nur die Besten der Besten haben eine Chance auf ihre Wunschuniversität – das Fach ist nämlich sekundär. Manche Mütter kündigen sogar ihren Job, um ihre Kinder zu unterstützen. Nicht zuletzt wird sehr viel Geld in Nachhilfe investiert.
Ganz schön viel Input für die kurze Zeit, doch ich bin wirklich dankbar, die Möglichkeit eines Austauschs bekommen zu haben. Es tut einfach gut zu wissen, dass man nicht alleine ist. Jede und jeder von uns macht andere, spannende Erfahrungen und doch ähnelt sich vieles. Gerade in China ist es wichtig, gut betreut und nicht alleine zu sein. Die Unterschiede in Bezug auf Kultur, Land und Leute sind enorm, was in dementsprechend großen Redebedarf mündet.
Die Abende verbrachten wir gemeinsam, sei es beim Hotpot oder Essen von Pekingente, oder einfach nur bei einem gemütlichen Drink in der Bar. In Peking merkte ich erstmals, was die Luftverschmutzung, von der alle immer sprechen, zu bedeuten hat. Diese lag nämlich wie ein Schleier um die Wolkenkratzer und nahm uns fast den Atem. Nichtsdestotrotz sitze ich glücklich, mit neuer Kraft und Zuversicht im Zug zurück nach Xi’an. Und ich bin nicht alleine: Nele ist für ein paar Tage zu Besuch!
China-StipendiatInnen Wintersemester 2018/19 | © Charlene Hennecke