Woche 8
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen
Die zweite Praktikumshälfte hätte nicht turbulenter beginnen können. Montag war ein wichtiger Tag für mich, in meinem Terminkalender rot markiert. Ich musste mich auf den Weg zur Ausländerbehörde machen, ans andere Ende der Stadt. Dort wollte ich mein verlängertes Visum bzw. meine neue Aufenthaltserlaubnis bis zum Ende des Praktikums abholen, die ich vor zwei Wochen gemeinsam mit meiner Betreuerin Wenjing dort beantragt hatte. Die Abholung sollte ich alleine erledigen. Kein Problem, dachte ich. Ich bat sie also um eine Wegbeschreibung, damit nichts schiefgehen konnte. In meiner Vorstellung zeigte ich nur die Abholbescheinigung vor, um dann meinen Reisepass mit gültiger Aufenthaltserlaubnis in Empfang zu nehmen und wieder zu gehen.
Als die unfreundlich wirkende Dame mit gebrochenem Englisch meinen Reisepass zwischen den ganzen anderen ausländischen Pässen nicht finden konnte, wurde ich langsam unruhig und ahnte Schlimmes. „Entschuldigung, es gibt da ein Problem mit Ihrem Visum.“ Okay, tief durchatmen. Es gibt für alles eine Lösung. „Könnten Sie mir bitte genauere Informationen geben? Ich möchte am Donnerstag nach Shanghai fliegen, ich würde den Reisepass auch erst mal ohne verlängertes Visum zurücknehmen“, erklärte ich ihr. Leichte Panik machte sich in mir breit, denn ich wollte auf keinen Fall das bereits geplante Wochenende in Shanghai verpassen. „Nein, Sie sind um 14 Uhr vorgeladen. Melden Sie sich dann im 18. Stock. Tschüss.“ Moment mal, dachte ich, das sollte es nun also gewesen sein? Ich rief Wenjing an, die ich wohl aus ihrem Mittagsschlaf riss. Das war mir in diesem Moment aber egal. Ich wollte eine Lösung, am liebsten mit ihrer Unterstützung. Sie antwortete mir aber nur, dass ich sie anrufen könnte, falls es Probleme oder Fragen zur Schule gibt. Zu meiner Unsicherheit kam nun auch noch eine gewisse Enttäuschung. Ich konnte in dem Moment nicht einschätzen, ob sie einfach nur müde war oder die Lage als nicht problematisch genug einstufte. Sie sollte allerdings wissen, dass ich kein Chinesisch spreche und ihre Hilfe mehr als gut gebrauchen könnte. Ich wollte mich aber auch nicht unnötig in die Situation hineinsteigern und versuchte mein Glück somit erst einmal alleine. Im Notfall würde sie sich bestimmt auf den Weg machen. Mit einem Puls von 180 kam ich im 18. Stock an. Leider war der Fahrstuhl blockiert, so dass ich zu Fuß gehen musste. Wieder einmal wurde ich sehr unfreundlich empfangen und zudem auch nicht verstanden, da die Damen im Büro kein Englisch sprachen. Das kann ja was werden, dachte ich. Ich kam mir wie im falschen Film vor. Ich wurde von einer Mitarbeiterin zur nächsten geleitet, durch drei verschiedene Büros. Alle Versuche mit mir auf Chinesisch zu kommunizieren scheiterten. Völlig verdutzt und gleichzeitig böse wurde ich angeschaut, ich fühlte mich sichtlich unwohl. Wenjing hätte ich gut gebrauchen können. Vielleicht war es aber auch besser, dass sie nicht dabei war, denn so bin ich wohl einem genaueren Verhör entgangen und hielt nach einer halben Stunde erfolgloser Kommunikationsversuche meinen Reisepass in der Hand, mit neuer Aufenthaltserlaubnis. Ende gut, alles gut. Shanghai, ich komme!
4 Tage in der Metropole Shanghai
Erwarte nicht zu viel. Shanghai ist eine Metropole, wie jede andere. Shanghai ist nicht das klassische China. Peking ist schöner, sagten sie. Ich möchte Shanghai trotzdem sehen, antwortete ich. Gemeinsam mit meiner Mitpraktikantin Amelie machte ich mich am Donnerstag auf den Weg zum Flughafen, um unsere Reise nach Shanghai anzutreten. Dort wollten wir die nächsten Tage mit acht weiteren SCHULWÄRTS!-Praktikantinnen und -Praktikanten verbringen. Als im Flugzeug bei leichten Turbulenzen bereits die Brechtüten verteilt wurden, war ich mir kurzzeitig nicht sicher, ob das der Anfang vom Ende sein sollte oder ob die Chinesen einfach nicht so wackelfest sind. Doch kurze Zeit später setzte das Flugzeug sicher auf. Auf dem Weg zu unserer Unterkunft an der Nanjing Road stellte ich schnell fest, dass Shanghai eine eigene Welt zu sein scheint und nahm erste Unterschiede zu Xi‘an wahr: Überall gigantische Wolkenkratzer, die bunt angestrahlt werden. Dazwischen finden sich Straßenverkäufer, die Kitsch verkaufen und mittendrin verstecken sich so viele „westliche“ Gesichter, dass man meinen könnte, wir hätten China verlassen. Und das beste: der Temperaturunterschied von 15 Grad und die eindeutig bessere Luftqualität. Ich war überwältigt und fühlte mich irgendwie wohl, als wäre ich in eine andere Welt abgetaucht.
Da unsere Gruppe am nächsten Morgen noch nicht vollständig war, machten sich nur ein Bruchteil auf den Weg zum Yu Yuan Garten. Der Himmel war strahlend blau, die Sonne angenehm warm und ich konnte es immer noch nicht glauben, dass meine Winterjacke völlig überflüssig war. Dementsprechend war die Laune überragend. Als nur einer oder eine von vielen anderen Touristen, bewegten wir uns durch die Altstadt, über die berühmte Zickzackbrücke zum hübsch angelegten Garten. Wir konnten dem Großstadttrubel für einen Moment entfliehen, um ein Stück (künstliche) Natur zu genießen, kleine Teiche und (traditionell) chinesische Gebäude zu bewundern.