Woche 12
Be open to whatever comes next
Nach dem ereignisreichen Wochenende in Chengdu, sollte diese Woche nicht weniger aufregend werden. Die To Do-Liste war lang, Weihnachten steht schließlich vor der Tür. Sie startete mit Amelies Geburtstag am Montag. Sie lud mich zu einer typisch chinesischen Geburtstagsparty ein, die ihre Kollegen und Kolleginnen für sie ausrichteten und auf die ich mich sehr freute. Nach all den Wochen fuhr ich zum ersten Mal zu Amelie. Sonst war es eher umgekehrt, was einfach meiner 1a Wohnlage geschuldet ist. Wir trafen uns in einem Hotpot Restaurant, in der Nähe ihrer Schule. Die Runde war relativ groß. Wieder einmal wurden mir die kulturellen Unterschiede bewusst. Ich weiß nicht, welchen Stellenwert Geburtstage bei den Chinesen einnehmen. Ich habe das Gefühl, dass diesem Tag keine besonders große Bedeutung beigemessen wird. Ich übernachtete bei ihr und freute mich, noch mal eine andere Schule, Lehrer, Wohnung und Umgebung kennenlernen zu dürfen.
Proben über Proben
Vor einigen Wochen bat mich eine meiner Deutschkolleginnen, ihr zu helfen. Es geht um eine Aufführung der zweiten Fremdsprachen, die voraussichtlich Ende Dezember stattfindet. Ich solle doch bitte mit den Schülerinnen und Schülern etwas typisch deutsches einstudieren. Sie dachte dabei an ein Lied oder an ein Theaterstück. Gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass die Siebtklässler gerade erst angefangen haben, Deutsch zu lernen. Dennoch wollte ich die Herausforderung gerne annehmen, um gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern etwas Schönes auf die Beine zu stellen. Ich grübelte und entschied mich nach langem Hin- und Her für das Fliegerlied von Tim Toupet und dazu passenden Bewegungen. Meine Kollegin entgegnete mir zwar, dass meine Idee „etwas schwer“ wäre, erklärte sich jedoch einverstanden. So übte ich Woche für Woche Strophe für Strophe des Fliegerliedes mit den Kindern. Mich freute besonders, dass die Schüler wirklich Spaß an der Sache hatten. Ihre Stimmen wurden jede Woche ein bisschen lauter. Sie waren mit Eifer dabei, obwohl es aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse nicht leicht für sie war. Man muss dazu sagen, dass die Anforderungen an diesen Auftritt extrem hoch sind. Jeder Kurs will bzw. soll am Ende, so wird es von den Lehrkräften meiner Meinung nach forciert, der Beste sein.
Der Blick vom Schulhof: Smog-Landschaft
| © Charlene Hennecke
Aufführungen nehmen in China nicht nur einen hohen Stellenwert ein, sondern fungieren auch gerne als Talentshows, die einen Wettbewerb-Charakter haben. Genau aus diesem Grund erreichte mich eines Tages aus dem Nichts eine WeChat Nachricht meiner Kollegin. Sie teilte mir kurz und schmerzlos mit, dass ich für den Auftritt künftig nicht mehr üben muss, weil das eine andere Kollegin übernehmen wird. Zugegeben enttäuschte mich das schon sehr, schließlich steckte ich bislang viel Mühe und Arbeit in die Vorbereitung des Auftritts. Auf die Frage nach dem Warum antwortete sie mir, dass es zu viel Arbeit für mich wäre und mich lieber ausruhen soll. Schade! Das wollte ich so nicht hinnehmen. Deshalb bot ich ihr zumindest an, dass falls meine Hilfe benötigt wird, ich auf jeden Fall einspringen kann. Ein paar Tage später übergab sie mir das Zepter allerdings wieder, warum weiß ich nicht. Das war mir auch egal, ich freute mich einfach auf die Proben mit den Schülern. Denn auch ich hatte bislang Spaß an der Sache. Allerdings musste ich zu meiner Enttäuschung einige Veränderungen wahrnehmen: Die Gruppe schrumpfte von 50 auf 10 Verbleibende, mit der Begründung, dass nur die Besten der Besten auftreten sollen. Eine Entscheidung, die ich nicht verstehen werde. Dann wurde meine Choreographie abgeändert und es wurde ein kurzes Theaterstück als „Begrüßung“ hinzugefügt, um eine noch imposantere Show abzuliefern. Für die auftretenden Schülerinnen und Schüler bedeutete das zusätzliche Mühe und vor allem Stress. Ab sofort wird jeden Tag mehrere Stunden geübt – vorzugsweise in den Pausen. So verbrachte ich diese Woche viele Stunden und jede Mittagspause in der Schule, um mit den Kindern zusätzlich zu üben, damit die Aufführung möglichst perfekt wird. Wir werden sehen…
Weihnachtsvorbereitungen
Weihnachten stand unmittelbar vor der Tür. Für den ersten Weihnachtsfeiertag hatten Amelie und ich uns frei genommen. Wir wollten uns ein großes Stück kultureller Tradition nicht nehmen lassen und planten gemeinsam mit meiner Nachbarin Ana ein Weihnachtsessen. Es sollte typisch deutsch sein. Gar nicht so einfach in der Umsetzung, wir befinden uns schließlich in China und westliche Lebensmittel sind rar. Weihnachten ist hier ein Tag wie jeder andere und zudem wird Festessen hier anders definiert. Also machten wir uns auf den Weg zu Metro. Ich spreche übrigens von dem Supermarkt, den es auch in Deutschland gibt. Inzwischen schon selbstverständlich fuhren wir mit einem Didi (vergleichbar mit dem uns bekannten Uber). Das Taxifahren ist für mich schon fast so normal wie Zähneputzen. Es ist praktisch, je nach Strecke und Anzahl der Mitfahrer gibt es preislich kaum einen Unterschied zum U-Bahn fahren und wenn Ana mitfährt auch keine Verständigungsprobleme. Manchmal fühle ich mich nicht ganz wohl dabei, eben weil es schon so selbstverständlich geworden und ein Stück Luxus ist, den ich mir normalerweise nur in äußersten Notfällen „gönne“. Das läuft dann, wie so vieles in China, unter dem Hashtag #onlyinchina
Auch dieses Mal verspürte ich dieses zufriedene Gefühl, als ich den Laden betrat: Diese Fülle an Auswahl, das Gewohnte und inzwischen doch irgendwie Fremde. Wir schlenderten durch die Gänge, voller Vorfreude auf das bevorstehende Weihnachtsfest. Da wir unser Menü vom Sortiment abhängig machten, entschieden wir uns spontan für Schnitzel, Knödel, Soße und Rotkohl. Weil wir natürlich nicht alles bekommen haben, schickte ich meinem Freund eine kleine Liste mit Dingen, die er mitbringen muss, um unser Weihnachtsessen perfekt zu machen. Ana sponserte die Zutaten für den weniger deutschen Nachtisch bei und so verließen wir Metro mit vollen Tüten und bestellten uns …. Ein Didi ;-D
Ich bin bereit für das diesjährige ganz besondere Weihnachtsfest, hier in China, in einem ungewohnten Umfeld, ohne die geliebte Familie, dafür mit liebgewonnenen Menschen. Ich habe das große Glück, dass ich meinen Freund in Kürze am Flughafen empfangen werde. Wir werden meine letzten zwei Wochen in China gemeinsam verbringen. Ich freue mich riesig und trotzdem macht sich eine gewisse Aufbruchstimmung in mir breit, weil ich weiß, dass ich bereits in zwei Wochen im Flieger zurück nach Deutschland sitzen werde. Dabei bin ich gefühlt gestern erst gelandet und das Abenteuer hat gerade erst so richtig begonnen…
Trommelturm bei Nacht
| © Charlene Hennecke