Blogeintrag 3
Sehen und gesehen werden
Marcels Schuhe (braun) zwischen denen von Ying (und Familie)
| © Christiane Pohl
Letzte Woche haben wir uns die Innenstadt ein wenig genauer angeschaut. Wir wollten dabei aber nicht nur Zhuzhou besser kennen lernen, sondern hatten auch eine Mission: Sportschuhe für Marcel kaufen. Schuhe? Kein Problem. Denn hier gibt es den größten Klamottenmarkt der gesamten Region. Sportschuhe? Auch kein Problem, denn die Auswahl ist dementsprechend groß. Apropos groß. Genau da lag der Grund für das Scheitern unserer Mission. Die größte Schuhgröße die wir fanden war die 44. Mit Nachfragen.
Wir waren außerdem gut beschäftigt mit Unterrichten. Marcel hat das Pech, auf eine übersetzende Lehrkraft in seinen Stunden angewiesen zu sein. Leider ist diese Voraussetzung nicht immer gewährleistet und so bestehen einige seiner Stunden derzeit aus Hand-Fuß Verständigung und vielen Bildern. Die Situation, sich in einem Anstarrwettbewerb mit den Schülern zu befinden kenne ich trotz deutlich besserer Sprachkenntnisse leider auch. Man weiß in solchen Momenten oft nicht, ob die Kinder die Frage/Aufgabe akustisch nicht verstanden haben, ob die Sprache das Problem ist oder ob sie sich nicht trauen, sich zur Frage zu äußern. Gestern habe ich sie dazu gezwungen, ein bisschen albern zu sein und dabei fühlte ich mich wie beim Erklimmen eines sehr hohen Berges. Mit steilen Treppen. Und einem altersschwachen Esel. Und viel Gepäck. Am Ende hatten sie glaube ich Spaß an dem Spiel, aber bis dahin war es ein langer und beschwerlicher Weg.
Die Aufgabe bestand darin, eine Kettenreaktion innerhalb der Klasse auszulösen. Immer zwei Schüler hatten dieselbe Aktionskarte (damit man nicht allein dasteht) und reagierten auf die Aktion zweier anderer Schüler. Das erste Paar beginnt indem es einmal nach oben springt. Das zweite hat auf seiner Karte stehen: "Jemand ist nach oben gesprungen. Klatsche zwei Mal in die Hände." Die nächsten zwei haben Karten mit dem Text: "Jemand hat zwei Mal in die Hände geklatscht. Schreibe das Wort "music" an die Tafel." Und so weiter und so fort. Ein nettes Spiel, in dem es vor allem darum geht die anderen Aktionen zu beobachten, um seinen Einsatz nicht zu verpassen. Nötiges Vokabular wurde zuvor übrigens geklärt. Trotzdem musste ich die Aktionen nicht nur vor und mit machen, sondern die entsprechenden Karten vorn auf dem Beamer zeigen, damit es schleppend voran ging. Nach dieser Dompteurstunde plane ich den Unterricht für die nächste Woche zum Thema Halloween. Mit vielen Bildern.
Lang ersehnter Ausflug zur Hauptattraktion Zhuzhous
Vom Zirkus geht es direkt in den Zoo. Am Wochenende waren wir zunächst zum Essen mit einer Englischlehrerin, ihrem Mann und dessen Kollegen eingeladen. Es war ein wirklich netter Abend, aber Sprüche wie "Ich will an dieser Seite sitzen, damit ich die Ausländer besser sehen kann" (welcher uns netterweise übersetzt wurde) hinterlassen eine eigenartige Stimmung. Für den Samstag hatten wir eine Menge vor. Ying hat uns zu sich nach Hause eingeladen und einen Ausflug zum nahe gelegenen Park geplant. Wir hatten einen tollen Tag zusammen mit ihrer Familie und sind am Nachmittag in den Shennong Park gegangen, zu dem ein Turm und seit ein paar Jahren auch ein See gehören. Bei strahlendem Sonnenschein spielten wir ein chinesisches Kartenspiel, picknickten und genossen die Aussicht. Gestört wurden wir nur von den zahlreichen Leuten, die unbedingt ein Foto mit uns machen wollten. Eine Mädelsgruppe beobachtete uns eine ganze Weile, bevor Marcel den Spieß umdrehte und sie seinerseits um ein Foto bat. Natürlich wurde danach nochmal eins mit einem ihrer Handys gemacht.Abends haben wir mit Ying und den beiden Kindern Dumplings gemacht. Ich bin mir sehr sicher, dass die Teigtaschen, die beim Kochen aufgegangen sind, ausschließlich von uns stammten. Trotzdem war es sehr lecker. Zum Schluss des Abends kamen wir sogar noch in den Genuss einer beeindruckenden Licht- und Wassershow im bereits besuchten Shennong Park. Dazu gab es Tanzvorführungen unterschiedlicher Eigenartigkeitslevel, aber wir hatten Spaß und einen großartigen Tag!
Einleben bei schönstem Wetter
Gestern haben wir endlich mal wieder Badminton gespielt. Vorher haben wir im Supermarkt Schläger und Bälle für einen schmalen Taler gekauft. Die Bälle, die hier verwendet werden, bestehen aus der uns bekannten Korkspitze, an der allerdings keine Plastikkonstruktion befestigt ist, sondern echte Federn. Beim Spielen sind diese leider nicht so super stabil, weshalb es am Ende auf dem Feld aussah, als hätten wir statt dessen eine Kissenschlacht veranstaltet.Der Tai Chi Wettbewerb wurde übrigens auf ein bislang unbekanntes Datum verschoben, weil man feststellte, dass die Lehrer am Sonntag fast alle in die Schule müssen und somit keine Zeit für den Wettbewerb haben. Also wird am Vormittag fleißig weiter trainiert.
Am Wochenende hatte ich die Möglichkeit ein paar vertraute Gesichter zu sehen, denn ich konnte mit Oma und Opa (und Mutti und Kitty) skypen. Außerdem bereiten wir gerade eine Halloween Party mit den Schülern vor, sodass ich die letzten Tage mit Recherchen von Spielen und Materialien für die Feier und die Unterrichtsstunden verbracht habe.
Die Herausforderung des heutigen Tages bestand darin, die Chicken Wings aus der Mensa mit Stäbchen zu essen. Ich bewundere immer wie problemlos hier jeder mit den beiden Holzstäben jegliche Art von Nahrung zum Mund transportiert. Vor allem mit den recht großen und vor allem glitschigen Dumplings kämpfe ich jedes Mal. Außerdem war Marcel heute beim Friseur, was nach eigener Aussage bitter nötig war. Anhand von 3 Monate alter Fotos von ihm teilte er mit, wie es aussehen soll und dann hofften wir, dass er sich danach noch auf die Straße trauen kann. Gott sei Dank ist es sehr gut geworden und für schlappe 4 Euro inklusive Trinkgeld auch noch äußerst günstig. Das schöne Wetter nutzten wir gleich dazu, nach dem Friseur die Gegend um die Schule ein bisschen weiter zu erkunden. Vielleicht starten wir morgen auch einen zweiten Versuch auf der Suche nach Klamotten in unserer Größe.