Blogeintrag 2
Wunderbares und Kurioses aus Zhuzhou
Blick über Zhuzhou | © Christiane Pohl Innerhalb unserer ersten Woche ist uns schon so manche Kuriosität begegnet, von der ich gern berichten würde. Ich werde keine Vergleiche zu Deutschland ziehen und versuchen, keine Wertung in meinen Bericht einfließen zu lassen. Dennoch finde ich den Alltag hier zu spannend, um ihn nicht zu teilen.
Die Sache mit der Ausländerbeliebtheit
Heute lernte ich die letzte neue Klasse meines Englischunterrichts kennen und obwohl ich die Einführungsstunde inhaltlich immer gleich gestaltete, verlief auch diese ein wenig anders. Die Fragen zu meiner Person kamen zum Beispiel erst in der Traube an Schülern, die mich nach dem Unterricht umrang. Den dafür eingeräumten Slot im Unterricht nutzte nur eine Schülerin. In allen Klassen gleich war jedoch, dass ich zu Beginn mit Applaus im Klassenraum empfangen wurde. Diese enorme Begeisterung, die uns als Ausländern entgegen gebracht wird, ist nicht leicht zu begreifen. Meine Reaktion ist meistens folgende: Lächeln, bedanken und erklären, dass ich noch nichts besonderes geleistet habe, um den Applaus verdient zu haben. Vor allem junge Schülerinnen und Schüler schauen uns hinterher, wenn wir in der gemeinsamen Mensa essen oder über den Campus laufen. Doch auch die älteren tuscheln, winken, halten in ihren Gesprächen inne und schauen nochmal um die Ecke, um einen zweiten Blick zu erhaschen. Dass ungewohnt aussehende Personen Aufmerksamkeit erregen, ist nur natürlich, aber zu dieser durchweg positiven Reaktion habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Ich hoffe, dass ich während meiner Zeit hier einen Draht zu den Schülern bekomme um ihnen zu zeigen, dass mich meine Erscheinung nicht zu einem besseren Menschen macht. Meine QQ Nummer wollen trotzdem fast alle haben. (Anm.: da facebook und Whatsapp hier nicht funktionieren, haben sich hauptsächlich WeChat und QQ als soziale Medien durchgesetzt)Volksrepublik China
Das lässt mich zu einem allgegenwärtigen Thema kommen: In China leben sehr viele Menschen. Individualität ist ein Gut, welches hier wohl oft den Kürzeren ziehen muss, damit die Gesellschaft funktionieren kann. Das geht los bei dem für europäische Augen konfusen Verkehrssystem und endet bei der Klassengröße von 50 Schülern. Eine Folge ist, dass Geduld, Respekt und Fleiß Tugenden sind, die in Form von Sprüchen an den Wänden des Schulhauses hängen. Der Unterricht kann sich nicht mit jedem Einzelnen befassen, deshalb sind Fleiß und Disziplin notwendig um nicht auf der Strecke zu bleiben. Respektvoller Umgang miteinander ist die Grundlage für eine harmonische Klasse, die jeden Tag bis zu 10 Stunden miteinander verbringt. Wer sich später auf einen Universitätsplatz bewirbt ist nur einer von sehr vielen, weshalb es an meiner Schule auf dem Stundenplan nach 9 Stunden Unterricht noch eine feste Zeit für das Selbststudium gibt.Safety first
Das Einzige, dem ich neben Verwunderung auch mit völligem Unverständnis begegne, ist die Einstellung zur Sicherheit. Im letzten Eintrag habe ich ja schon von meiner hervorragend funktionierenden Dusche auf Erdgasbasis berichtet, bei deren Gastank wohl der Verschluss nicht so ganz dicht war. Heute stellte sich heraus, dass bei meiner Nachbarin aus dem Boiler Wasser heraus läuft, wenn sie duscht. Und damit meine ich nicht tröpfelt, sondern fließt. Die Einschätzung des Technikers: Morgen lieber mal nebenan duschen, der Boiler fängt sonst vielleicht noch Feuer. Der zu Hause aufgrund der übervorsichtigen Einstellung als Floskel verwendete Ausspruch "Safty first" entwickelte sich hier bei Marcel und mir zu einem running gag mit bitterem Beigeschmack. Den frühen Abend verbrachte ich im Übrigen damit im Dunkeln die Wäsche aufzuhängen, da mein Versuch den Wasserspender anzuschließen in einem Stromausfall endete (die Wäsche war schon seit Stunden fertig). Als Erklärung erhielt ich die Antwort, der Strom für den heutigen Tag wäre wohl aufgebraucht. Naja, ich fand letztlich die richtige Sicherung und habe nun auch wieder Licht.Alltagsüberraschungen
Abgesehen von dem vielen Regen ist es auf unserem Campus gerade wirklich schön. Überall blühen Bäume, die einen blumigen Geruch verbreiten und als gelbe oder orange Blütenpracht das Grau des abgasbedingten Nebels aufhellen. Meine Betreuerin erklärte mir, dass diese Bäume eigentlich Ende August zum Mondfestival blühen, aber dieses Jahr zu spät dran sind. Glück für mich.Der Alltag ist häufig voll von Überraschungen, so lernte ich heute, dass die Matratzen eine harte und eine weiche Seite haben. Meinem Rücken zuliebe, werde ich sie morgen mal wenden...